Amnesty Journal 17. September 2014

Geraubter Traum

Der Nigerianer Moses Akatugba wurde im November 2005 als 16-Jähriger festgenommen und sieben Jahre später zum Tode verurteilt – und das nur, weil er angeblich Handys und Headsets gestohlen hat. In der Haft wurde er massiv gefoltert und zu einem falschen "Geständnis" gezwungen.

Von Daniel Kreuz

Moses Akatugba war ein ganz normaler Teenager. Und wie jeder Teenager hatte der Nigerianer einen Traum, wie sein Leben später einmal aussehen sollte: Er wollte Medizin studieren und Arzt werden – so, wie es sich auch sein Vater für ihn gewünscht hatte. Doch mit gerade einmal 16 Jahren wurde nicht nur sein Traum zerstört, sondern auch sein gesamtes Leben.

Akatugba erwartete die Ergebnisse seiner schulischen Abschlussprüfungen, als er am 27. November 2005 in seiner Heimatstadt Ekpan auf offener Straße von Soldaten festgenommen wurde. Sie beschuldigten ihn, einige Handys und eine geringe Menge Bargeld gestohlen zu haben. Nach Akatugbas Aussage schossen ihm die Soldaten während der Festnahme in die Hand und schlugen ihm auf den Kopf. Anschließend brachten sie ihn in eine nahe gelegene Armeekaserne. Seine Mutter erfuhr nur durch eine Straßenverkäuferin, die zufällig Zeugin der Festnahme war, dass ihr Sohn festgenommen worden war.

In der Kaserne verhörten ihn die Soldaten und forderten ihn auf, eine Leiche zu identifizieren. Das konnte der Teenager aber nicht, da er den Toten noch nie zuvor gesehen hatte. Als er den Soldaten dies sagte, schlugen sie erneut auf ihn ein und brachten ihn schließlich zur Polizeistation von Ekpan, wo Akatugbas Martyrium weiterging.

Mehrere Monate verbrachte er in Polizeihaft. Nach seinen Angaben malträtierten ihn Polizeibeamte mit Macheten und Schlagstöcken. Einem Menschenrechtsverteidiger erzählte Moses Akatugba, dass man ihn stundenlang mit gefesselten Armen in Verhörzimmern aufgehängt habe und Polizisten mit Zangen seine Fuß- und Fingernägel herausgerissen hätten. Moses Akatugba hatte bis dahin die Vorwürfe gegen ihn stets bestritten. Doch als er die Folter nicht mehr länger ertragen konnte, unterschrieb er zwei falsche, von der Polizei vorformulierte "Geständnisse". "Die Schmerzen während der Folter waren unerträglich. Ich glaubte nicht daran, dass ich überleben werde. Noch nie zuvor habe ich so etwas Grausames erlitten", sagte Akatugba später.

Im März 2006 wurde er nach Erwachsenenstrafrecht wegen bewaffneten Raubüberfalls angeklagt. Sieben Jahre musste er auf sein Urteil warten, das völlig unverhältnismäßig war: Im November 2013 wurde er zum Tode durch den Strang verurteilt – für ein Verbrechen, dass er stets abgestritten hatte. Und selbst wenn Moses Akatugba die Tat begangen hätte, hätte er nach internationalem Recht niemals zum Tode verurteilt werden dürfen, da er zum Zeitpunkt der Tat noch keine 18 Jahre alt war.

Das Gerichtsverfahren war aber ohnehin eine Farce: Moses Akatugba hatte keine Möglichkeit, seine Sicht der Dinge darzulegen oder ein Alibi vorzubringen. Nach Angaben seines Anwalts genügte für den Schuldspruch eine völlig widersprüchliche Aussage des vermeintlichen Diebstahlopfers sowie das von der Polizei formulierte Geständnis mit der unter Folter erpressten Unterschrift von Moses Akatugba. Sein Anwalt wollte das Gerichtsverfahren auch dafür nutzen, um den Foltervorwürfen nachzugehen. Doch kein einziger Polizist oder Soldat ist jemals beim Prozess erschienen.

Moses Akatugba ist inzwischen 25 Jahre alt. Die meisten seiner Freunde nahmen nach ihrem Schulabschluss wie geplant ein Studium auf. Moses Akatugba sitzt hingegen seit mittlerweile acht Jahren im Gefängnis. Er hatte nie die Chance, sich seinen Traum zu erfüllen und Arzt zu werden oder eine eigene Familie zu gründen. Stattdessen sieht er als Häftling seine Angehörigen nur zweimal im Monat und muss befürchten, hingerichtet zu werden. Seine Peiniger hingegen haben nichts zu befürchten: Bis heute wurden keine Ermittlungen aufgenommen, um die Foltervorwürfe aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Der Autor ist Journalist.

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