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Interview: "Nicht nur Palmen und einsame Strände"
Ein Gespräch mit Graham Thom, dem Flüchtlingskoordinator der australischen Amnesty-Sektion, über die Folgen des Klimawandels für die pazifischen Inselstaaten und Veränderungen in der australischen Flüchtlingspolitik.
Für viele Journalisten, Politiker und Wissenschaftler scheinen Inselstaaten wie Tuvalu nur wegen der Folgen des Klimawandels interessant zu sein. Die aktuellen Probleme sind offensichtlich weniger wichtig. Glauben Sie, dass Menschenrechtsverletzungen manchmal von der Klimawandeldebatte überschattet werden?
Die Folgen des Klimawandels sind natürlich ein wichtiges Thema, das große Aufmerksamkeit verdient. Das Ziel von Amnesty International ist es, dass in diesem Zusammenhang Menschenrechtsverletzungen nicht vergessen werden – unabhängig davon, ob sie eine Folge des Klimawandels sind oder andere Gründe haben. Generell lässt sich aber feststellen, dass nur sehr wenig über die problematische Menschenrechtssituation im Südpazifik berichtet wird. Dies liegt wohl vor allem daran, dass die öffentliche Wahrnehmung nach wie vor von Palmen und einsamen Stränden bestimmt wird. Dabei gibt es genügend Probleme, die Aufmerksamkeit benötigen.
Welche Probleme wären das zum Beispiel?
Neben den Nachwirkungen des ethnischen Konfliktes auf den Salomonen und der politischen Instabilität auf den Fidschi-Inseln sind wir vor allem über das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen auf Papua-Neuguinea besorgt. Die Zahl der Vergewaltigungen ist hoch, doch die Täter kommen meist straffrei davon. Die australische Amnesty-Sektion hat mehrere Initiativen gestartet und arbeitet eng mit Frauenrechtsgruppen zusammen, um direkt vor Ort zu helfen. In einigen Gebieten glaubt man zudem, dass HIV- und Aids-Erkrankungen das Werk von "Hexerei" sind. Die vermeintlichen "Hexen" werden deswegen oft von aufgebrachten Menschenmengen gefoltert und getötet.
Experten sind sich einig, dass der Klimawandel langfristig dramatische soziale Folgen nach sich ziehen wird. Was erwarten Sie für den Südpazifik?
In einigen Teilen der Welt hat sich die Menschenrechtssituation aufgrund des Klimawandels spürbar verschlechtert, wie etwa im Sudan, wo ein Konflikt um knapper werdende Ressourcen katastrophale Folgen hatte. Für den Südpazifik ist dies ein warnendes Beispiel. Es bleibt zu hoffen, dass regionale Kooperationen und Bemühungen, besonders vonseiten Australiens und Neuseelands, dazu beitragen werden, eine Menschenrechtskrise im großen Maßstab zu verhindern.
Australien gilt als ein mögliches Aufnahmeland für Klimaflüchtlinge aus der Region. Werden dafür schon Vorbereitungen getroffen?
In Australien wird durchaus schon darüber diskutiert, wie man reagieren wird, wenn tatsächlich aufgrund der Erderwärmung und des steigenden Meeresspiegels viele Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen. Es hat bis jetzt jedoch noch keine konkreten Vorschläge gegeben. Zur Zeit scheint es so, als ob Neuseeland ein größeres Interesse daran hat, gemeinsam mit Staaten in der Region eine Lösung für dieses Problem zu finden.
Noch vor wenigen Jahren wurde Australien aufgrund der rigiden Flüchtlingspolitik von Premierminister John Howard international scharf kritisiert. Seit Dezember 2007 wird das Land von Kevin Rudd regiert, der im Wahlkampf eine andere Politik versprochen hatte. Hat er sein Wort gehalten?
Seit Amtsbeginn zeichnet sich die neue Regierung durch einen humaneren Umgang mit Menschen aus, die in Australien Asyl suchen. Flüchtlinge ohne Papiere werden nicht mehr willkürlich eingesperrt, und es gibt keine lediglich befristeten Schutzvisa mehr. Als eine ihrer ersten Maßnahmen schloss sie zudem das umstrittene Lager auf der Pazifikinsel Nauru. Unter der Vorgängerregierung hatten die australischen Behörden Bootsflüchtlinge dorthin gebracht, anstatt sie auf das australische Festland zu bringen. Doch trotz der vielen Reformen, die Australien endlich wieder in Einklang mit seinen internationalen Verpflichtungen bringen, gibt es auch Grund zur Kritik. Flüchtlinge können immer noch keine Berufung gegen ihre Internierung einlegen. Außerdem werden abgefangene Bootsflüchtlinge nach Christmas Island gebracht, wo sie in einer Hochsicherheitseinrichtung eingesperrt werden. Wir halten es für falsch, gefährdete Menschen an einem solch beklemmenden Ort festzuhalten.
Wie ist die Situation in den noch bestehenden Internierungslagern in Australien?
Sie ist nicht mehr so schrecklich wie vor einigen Jahren. Die Zahl der Internierten ist gesunken, es gibt mehr Transparenz aufgrund der Reformen und leichteren Zugang für Besucher. Doch erst kürzlich besuchte ich die Einrichtung Villawood in Sydney und das Lager auf Christmas Island und musste wieder einmal feststellen, dass dies immer noch extrem deprimierende Orte sind, die die Psyche der Gefangenen langfristig schädigen.
Viele Australier unterstützten damals die Politik von John Howard. Wie steht die Öffentlichkeit den Themen Flüchtlinge und Asyl heute gegenüber?
Die aktuelle Debatte um die steigende Zahl von Bootsflüchtlingen hat uns bei Amnesty hoffnungsvoll gemacht. Es scheint mittlerweile ein besseres Verständnis dafür zu geben, warum Menschen zu uns flüchten und wie schrecklich die Situation in ihrer Heimat ist. Die Versuche bestimmter Kreise und Medien, eine fremdenfeindliche Stimmung zu schüren, sind gescheitert. Und auch der Opposition hat es nur wenig gebracht, die Regierung dafür zu attackieren, bei der Grenzsicherung zu nachlässig zu sein. Debatten wie diese polarisieren nach wie vor die Gesellschaft, aber es gibt eine stärkere Unterstützung für einen humanen Umgang mit denjenigen, die wirklich Schutz benötigen.
Interview: Daniel Kreuz
Graham Thom
Graham Thom ist seit 2000 Flüchtlingskoordinator von Amnesty International Australia. In den vergangenen Jahren inspizierte er nicht nur regelmäßig die australischen Internierungslager, sondern besuchte auch zahlreiche Flüchtlingscamps in verschiedenen Teilen der Welt, darunter Syrien, Irak und Bangladesch.