Amnesty Report Malta 19. Mai 2017

Malta 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Malta begann mit der Umsetzung eines neuen Aufnahmeverfahrens für Asylsuchende und Migranten, das von der automatischen und obligatorischen Inhaftierung von Personen, die ohne offizielle Erlaubnis eingereist waren, abrückte. Dennoch herrschte weiter Besorgnis darüber, dass die Schutzmaßnahmen gegenüber willkürlichen und rechtswidrigen Inhaftierungen nach wie vor unzureichend waren. Schwangerschaftsabbrüche blieben unter allen Umständen verboten.

RECHTE VON FLÜCHTLINGEN UND MIGRANTEN

Im Januar und Februar 2016 begrüßten der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) sowie nationale NGOs Elemente des neuen gesetzlichen und politischen Rahmenwerks bezüglich der Aufnahme von Asylsuchenden und Migranten in Malta. Es war Ende 2015 verabschiedet worden und führte durch Ergänzungen zum Zuwanderungs- und Flüchtlingsgesetz neue Bestimmungen und ein neues Strategiedokument des Ministeriums für innere Angelegenheiten und Nationale Sicherheit ein.

Mit dem neuen Rahmenwerk endete die lange gepflegte problematische Praxis der automatischen und obligatorischen Inhaftierung von ohne offizielle Erlaubnis nach Malta eingereisten Asylsuchenden und Migranten. In den neu geschaffenen Erstaufnahmezentren, in denen Asylsuchende und Migranten medizinisch untersucht, identifiziert und zur Freilassung oder zur weiteren Inhaftierung eingestuft werden, wurden die Menschen jedoch nach wie vor über einen Zeitraum von etwa 70 Stunden inhaftiert. Obwohl eine solche anfängliche Inhaftierung normalerweise nicht länger dauern sollte als sieben Tage, konnte sie sich bei gesundheitlichen Bedenken länger hinziehen. Mit dem neuen Rahmenwerk wurden außerdem rechtliche Grundlagen für Inhaftierung, kostenlose Rechtsberatung, die Möglichkeit, Haftanordnungen anzufechten, sowie eine automatische Überprüfung von Haftanordnungen eingeführt.

Nach wie vor gab es Bedenken hinsichtlich der Auslegung der rechtlichen Grundlage für Inhaftierungen und wegen der mangelnden Klarheit darüber, wann Alternativen zur Haft angewandt werden können, sowie in Bezug auf das Fehlen von Verfahrensgarantien, um den angemessenen Einsatz von Inhaftierungen zu gewährleisten. Der UNHCR monierte im Besonderen, dass einige der neuen Richtlinien für die Zuwanderungsbehörden nicht in vollem Einklang mit dem Völkerrecht und internationalen Standards stünden und zu willkürlicher Inhaftierung führen könnten.

Es trafen keine weiteren Flüchtlinge und Migranten mit Booten direkt aus Nordafrika ein, da die meisten Menschen auf See gerettet und nach Italien gebracht wurden. Doch 29 Personen, die bei ihrer Rettung auf hoher See dringend medizinische Hilfe benötigten, wurden nach Malta gebracht. Im Rahmen der Frontex-Operation Triton sowie der EUNAVFOR MED-Operation Sophia beteiligten sich die maltesischen Streitkräfte weiter an der Rettung von Flüchtlingen und Migranten, die auf überfüllten und seeuntüchtigen Booten das zentrale Mittelmeer überquerten. Bis Ende November 2016 hatten mehr als 1600 Menschen Malta per Flugzeug oder Fähre erreicht, um dort Asyl zu beantragen. Mehr als ein Drittel von ihnen waren libysche Staatsangehörige.

Im Zusammenhang mit dem EU-Umverteilungsprogramm aufgenommene Personen (Ende November waren es 80) wurden etwa 70 Stunden lang zur medizinischen Untersuchung in den neu geschaffenen Erstaufnahmezentren festgehalten, obwohl der UNHCR dies kritisiert hatte.

Im Januar 2016 erklärte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Malta für schuldig, bezüglich des Rechts, die Zulässigkeit der Inhaftierung zügig durch ein Gericht überprüfen zu lassen, gegen Artikel 5, Absatz 4, der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen zu haben. Die Klägerinnen waren zwei somalische Staatsbürgerinnen, die von August 2012 bis August 2013 aufgrund ihrer ohne offizielle Erlaubnis erfolgten Einreise nach Malta unter den früheren Aufnahmebestimmungen inhaftiert gewesen waren und keinen Zugang zu angemessenen Rechtsmitteln erhalten hatten, um die Zulässigkeit ihrer Inhaftierung anzufechten.

Im Juni 2016 veröffentlichte die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen nach einem Besuch in Malta im Vorjahr einen Bericht über das Land. Die Arbeitsgruppe begrüßte die Gesetzesreform bezüglich der automatischen Inhaftierung. Sie merkte außerdem an, dass die Programme für die Integration von Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen in die maltesische Gesellschaft nach wie vor unzureichend seien.

Im November 2016 kündigte das Ministerium für innere Angelegenheiten und nationale Sicherheit eine Überarbeitung der neuen THPN-Bescheinigungen über temporären humanitären Schutz _(Temporary Humanitarian Protection – New – THPN)_ an, über die Personen verfügen, deren Asylanträge abgelehnt wurden. NGOs äußerten Besorgnis darüber, dass die Entscheidung die Möglichkeiten der Betroffenen einschränken könnte, Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen zu erhalten, wie etwa Gesundheitsfürsorge und Bildung. Der UNHCR riet aufgrund der Überarbeitung zu Vorsicht bei der Umsetzung von Rückführungen, da Fälle bekannt geworden waren, in denen Personen, denen internationaler Schutz zugestanden hätte, stattdessen lediglich THPN-Bescheinigungen erhalten hatten.

SEXUELLE UND REPRODUKTIVE RECHTE

Schwangerschaftsabbrüche blieben unter allen Umständen verboten. Frauen wurde der Zugang zu Abbrüchen selbst dann verweigert, wenn ihr Leben in Gefahr war.

GESETZLICHE, VERFASSUNGSRECHTLICHE UND INSTITUTIONELLE ENTWICKLUNGEN

Im Januar 2016 erklärte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Malta eines Verstoßes gegen Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention für schuldig, mit dem u. a. der Zugang zu einem Rechtsbeistand in den ersten Phasen einer polizeilichen Befragung garantiert wird. Ein verurteilter Straftäter hatte beanstandet, dass man ihm bei einem Verhör in Polizeigewahrsam während der Untersuchungshaft einen Rechtsbeistand verweigert habe.

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