Amnesty Report Irland 16. Mai 2017

Irland 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Schwangerschaftsabbrüche wurden weitgehend kriminalisiert, und der Zugang zu entsprechenden Informationen unterlag strikten Beschränkungen. Der Gemeinschaft der Irish Travellers wurde das Recht auf angemessenes Wohnen verwehrt. Die Bedingungen in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende gaben nach wie vor Anlass zur Sorge.

SEXUELLE UND REPRODUKTIVE RECHTE

Im Februar 2016 äußerte der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes Besorgnis darüber, dass ein Schwangerschaftsabbruch nur bei einer "realen und substanziellen Gefahr für die Mutter" erlaubt ist und Ärzte an der Erbringung medizinischer Leistungen nach dem Stand der Technik gehindert werden. Der Ausschuss forderte Irland dazu auf, Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren und die bestehenden Gesetze dahingehend zu überarbeiten, dass Minderjährige die Möglichkeit eines sicheren Schwangerschaftsabbruchs und entsprechender medizinischer Nachsorge erhalten. Auch beklagte der Ausschuss erhebliche Mängel bei der Aufklärung in Fragen der reproduktiven Gesundheit und beim Zugang zu Notfallverhütung für Heranwachsende.

Im Juni 2016 befand der UN-Menschenrechtsausschuss in der Rechtssache Mellet gegen Irland, das irische Abtreibungsgesetz verletze die Rechte einer Frau auf Schutz vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und vor Diskriminierung sowie ihr Recht auf Privatsphäre. Die Klägerin hatte trotz der Diagnose, dass ihr Kind nicht lebensfähig sei und ihr dies "schweres physisches und psychisches Leid" verursache, nach Großbritannien reisen müssen, um dort den Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Der Ausschuss stellte fest, dass ihr Leid durch die stigmatisierende Kriminalisierung der Abtreibung noch verschärft wurde. Am 30. November 2016 stimmte die Regierung zu, der Klägerin Amanda Mellet Entschädigung und psychologische Beratung zu bewilligen.

Eine von der irischen Regierung aus 99 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Bürgern und einer Vorsitzenden bestehende Versammlung (Citizens’ Assembly), die der Regierung Vorschläge für eine Verfassungsreform, u. a. zum Thema Abtreibung, unterbreiten soll, hielt im Oktober und November 2016 ihre ersten Sitzungen ab.

RECHT AUF WOHNEN

Die Regierung verwies im Januar 2016 die Beschäftigung mit Fragen zum Recht auf Wohnen an einen parlamentarischen Ausschuss und reagierte damit auf die Empfehlung der von ihr eingesetzten Verfassungsversammlung aus dem Jahr 2014. Jedoch wurde der Ausschuss nicht mit dem vollständigen Wortlaut der Empfehlung befasst, derzufolge die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in der Verfassung zu verankern seien. Erst 2015 hatte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der irischen Regierung noch einmal empfohlen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die unmittelbare Anwendbarkeit der Bestimmungen des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sicherzustellen, einschließlich der Umsetzung des Pakts in nationales Recht.

Der Mangel an staatlich gefördertem Wohnraum und privaten Mietwohnungen verschärfte das Problem der Obdachlosigkeit. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes bekundete seine große Besorgnis über Berichte, denen zufolge obdachlose Familien sehr lange auf Zugang zu Sozialwohnungen warten und häufig eine geraume Zeit in unangemessenen oder behelfsmäßigen Unterkünften leben mussten.

DISKRIMINIERUNG

Irish Travellers und Roma

Im Mai 2016 stellte der Europäische Ausschuss für soziale Rechte zu der Klage European Roma Rights Centre gegen Irland fest, dass die unzureichende Bereitstellung von Wohnraum, der mangelhafte Zustand vieler Wohnstätten und die unangemessenen Schutzvorkehrungen bei drohender und durchgeführter Zwangsräumung das Recht von Irish Travellers auf gesetzlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schutz verletzen.

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes äußerte sich besorgt über die strukturelle Diskriminierung der Kinder von Irish Travellers und von Roma, vor allem beim Zugang zu Bildung, Gesundheitsfürsorge und einem angemessenen Lebensstandard.

Sexarbeiterinnen

In einem Gesetzentwurf der Regierung, der den Erwerb sexueller Dienstleistungen unter Strafe stellt, wurde weder hinreichend Bezug auf die Bedürfnisse und Ansichten der Sexarbeiterinnen genommen noch auf die anerkannten internationalen Erkenntnisse, denen zufolge die Kriminalisierung dieser Tätigkeiten nur die Isolierung und Marginalisierung der Betroffenen fördert und ihr Recht auf Sicherheit und ihre Menschenrechte verletzt. In dem Entwurf wird die Sexarbeit nicht vollständig entkriminalisiert, sondern die Geldstrafen für den Betrieb eines Bordells und für Ordnungswidrigkeiten wie Herumstreunen, deretwegen Sexarbeiterinnen häufig belangt werden, wurden beibehalten bzw. sogar noch erhöht.

RECHTE VON FLÜCHTLINGEN UND ASYLSUCHENDEN

2015 in das Asylgesetz eingeführte Bestimmungen, die für die Feststellung des Flüchtlingsstatus oder anderer Schutzformen ein einziges Verfahren vorsehen, traten am 31. Dezember 2016 in Kraft.

Nach wie vor herrschte Besorgnis wegen der schlechten Lebensbedingungen in den Erstaufnahmeeinrichtungen (direct provision centres) und der langsamen Umsetzung der Verbesserungsvorschläge, die eine von der Regierung eingesetzte Arbeitsgruppe im Jahr 2015 vorgelegt hatte. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes bemängelte u. a. die unzureichenden Schutzvorkehrungen für Kinder, den erschwerten Zugang zu Bildung und die unzulängliche Versorgung minderjähriger Flüchtlinge mit Nahrungsmitteln und Kleidung.

NEUANSIEDLUNG VON FLÜCHTLINGEN

Das Ministerium für Justiz und Gleichberechtigung bestätigte, dass Ende 2016 erst 240 Flüchtlinge des Gesamtkontingents von 2622 im Land eingetroffen waren, zu deren Übernahme aus anderen EU-Mitgliedstaaten sich Irland im Jahr 2015 bereit erklärt hatte. 519 der 520 syrischen Flüchtlinge, die Irland aus Ländern des Nahen Ostens aufnehmen wollte, waren bis zum Jahresende angekommen. Im Juli 2016 erklärte sich Irland bereit, ein weiteres Kontingent von 260 Flüchtlingen aus dem Libanon aufzunehmen.

ABSCHIEBUNG AUS GRÜNDEN DER NATIONALEN SICHERHEIT

Im Juli 2016 wurde ein Mann nach Jordanien abgeschoben, der als Bedrohung für die nationale Sicherheit galt, weil er Menschen für die Terrorgruppe Islamischer Staat rekrutiert und ihre Reise in den Nahen Osten organisiert haben soll. In Jordanien drohten ihm Folter und Misshandlung. Seine Anrufung der irischen Gerichte und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Verhinderung seiner Abschiebung hatte keinen Erfolg.

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