Amnesty Report El Salvador 15. Mai 2017

El Salvador 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Zunehmende Gewalt beeinträchtigte weiterhin die Rechte der Menschen auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Bildung und Freizügigkeit. Es lagen Berichte vor, wonach die Sicherheitskräfte exzessive Gewalt anwandten. Immer mehr salvadorianische Staatsangehörige beantragten Asyl in den Ländern der Region. Das absolute Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen bedrohte die Rechte von Frauen. Dem Parlament lag Ende 2016 allerdings ein Vorschlag zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen unter bestimmten Bedingungen vor. Eine Menschenrechtsverteidigerin stand wegen Beleidigung und Verleumdung vor Gericht. Der Oberste Gerichtshof erklärte das Amnestiegesetz aus dem Jahr 1993 für verfassungswidrig. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle wurden weiterhin Opfer von Misshandlungen, Einschüchterungen und Gewalt, ohne dass dies geahndet wurde.

HINTERGRUND

El Salvador litt weiterhin unter einem hohen Ausmaß an Gewalt und anderen Verbrechen, für das in erster Linie kriminelle Banden verantwortlich waren. Im ersten Halbjahr 2016 wurden 3438 Tötungsdelikte gemeldet, im vergleichbaren Vorjahreszeitraum waren es 3335 gewesen. Die Presse berichtete über Fälle sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen, die von Bandenmitgliedern verübt wurden.

Im April 2016 beschlossen die Behörden eine Serie "außerordentlicher Maßnahmen", um die Welle der Gewalt einzudämmen, die das Land heimsuchte. Dazu gehörten u. a. rechtliche Reformen, um den Strafvollzug zu verschärfen, und die Bildung einer aus 1000 Polizisten und Soldaten bestehenden schnellen Eingreiftruppe (Fuerza Especializada de Reacción), um kriminelle Banden zu bekämpfen. Medienberichten zufolge befürchteten Kritiker, dass der Einsatz des Militärs bei Operationen der inneren Sicherheit zu Menschenrechtsverletzungen führen könnte.

EXZESSIVE GEWALTANWENDUNG UND AUßERGERICHTLICHE HINRICHTUNGEN

Angehörige der Sicherheitskräfte wurden beschuldigt, bei Einsätzen gegen das organisierte Verbrechen Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Im April 2016 teilte die Ombudsstelle für Menschenrechte (Procuraduría para la Defensa de los Derechos Humanos) mit, Polizei und Militär hätten bei zwei Sicherheitsoperationen im Jahr 2015 exzessive Gewalt angewandt und außergerichtliche Tötungen verübt. Presseberichten zufolge erklärte der Ombudsmann außerdem, weitere derartige Fälle würden noch untersucht.

FRAUENRECHTE

Die Rechte von Frauen waren weiterhin bedroht. Es galt nach wie vor ein absolutes Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, selbst in Fällen von Vergewaltigung und bei Gefahr für das Leben der Frau.

Im Mai 2016 wurde María Teresa Rivera nach vier Jahren Haft freigelassen. Sie war wegen Mordes in einem besonders schweren Fall verurteilt worden, nachdem sie eine Fehlgeburt erlitten hatte. Ein Richter, der das Urteil prüfte, ordnete ihre Freilassung an, weil seiner Ansicht nach keine ausreichenden Beweise vorlagen, um die Anklage gegen sie zu stützen. Mehr als 20 Frauen waren jedoch nach wie vor in Haft und verbüßten lange Gefängnisstrafen, weil sie Fehlgeburten oder andere Komplikationen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft erlitten hatten.

Im Juli 2016 brachte eine Gruppe von Parlamentsabgeordneten der stärksten Oppositionspartei Alianza Republicana Nacionalista (ARENA) einen Gesetzentwurf ein, der vorsieht, die Höchststrafe für einen Schwangerschaftsabbruch von acht auf 50 Jahre anzuheben. Ende 2016 war darüber noch nicht entschieden worden.

Ein im Oktober 2016 von Abgeordneten der Regierungspartei Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional (FMLN) vorgelegter Gesetzentwurf sah die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen unter vier Voraussetzungen vor, u. a. wenn Gefahr für das Leben der Schwangeren bestand oder die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung war. Der Vorschlag war zum Jahresende noch anhängig.

Geschlechtsspezifische Gewalttaten erreichten ein hohes Ausmaß. Von Januar bis Juli 2016 wurden offiziellen Angaben zufolge 338 Frauen getötet, im vergleichbaren Vorjahreszeitraum lag die Zahl bei 249.

MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER

Im August 2016 sprach ein Gericht die Menschenrechtsverteidigerin Sonia Sánchez Pérez in allen Anklagepunkten frei. Ein Privatunternehmen hatte sie wegen Verleumdung und Beleidigung angezeigt, nachdem sie sich öffentlich zu einem Bauprojekt des Unternehmens geäußert und auf die ökologischen Folgeschäden des Projekts für ihre Gemeinde hingewiesen hatte. Außerdem hatte sie erklärt, Drohungen von privatem Sicherheitspersonal erhalten zu haben. Das Unternehmen legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein.

RECHTE VON MIGRANTEN

Viele Menschen verließen El Salvador auf der Flucht vor kriminellen Banden, die in immer stärkerem Maße die Kontrolle über Teile des Landes ausübten und die Rechte der Bevölkerung auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Bildung und Freizügigkeit bedrohten.

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle wurden häufig Opfer von Misshandlungen, Einschüchterungen und Gewalt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität. Transfrauen waren in besonderem Maße Gewalt und Erpressung durch Banden ausgesetzt. Es war für sie jedoch sehr schwer, sich dagegen zu wehren, weil sie bei Polizei und Justiz auf Diskriminierung stießen. Für einige Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle war die Flucht aus El Salvador die einzige Möglichkeit, der Gewalt zu entkommen, da sie im Land weder Schutz noch Gerechtigkeit fanden.

Immer mehr salvadorianische Staatsangehörige, die ins Ausland gegangen waren, wurden nach El Salvador abgeschoben, vor allem aus Mexiko. Es gab jedoch immer noch kein standardmäßiges Verfahren, um die Abgeschobenen bei ihrer Ankunft in El Salvador zu identifizieren und sie davor zu schützen, in die Orte zurückkehren zu müssen, aus denen sie zuvor geflohen waren.

STRAFLOSIGKEIT

Im März 2016 trat El Salvador dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs bei.

Im Juni 2016 fand vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Anhörung zur Überprüfung der Einhaltung von zwei Urteilen statt, die Fälle von Verschwindenlassen während des bewaffneten Konflikts betrafen. Im September verkündete das Gericht in einem der beiden Fälle (Contreras u. a. gegen El Salvador) sein Urteil und forderte den Staat auf, detaillierte und aktuelle Informationen über die strafrechtlichen Ermittlungen und alle übrigen Maßnahmen vorzulegen, die ergriffen wurden, um diejenigen zu identifizieren und vor Gericht zu stellen, die für die völkerrechtlichen Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich waren.

Im Juli 2016 erklärte der Oberste Gerichtshof das Amnestiegesetz aus dem Jahr 1993 für verfassungswidrig. Für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen, die während des bewaffneten Konflikts verübt wurden, war dieses Urteil ein wichtiger Schritt, um Gerechtigkeit zu erlangen.

Berichten zufolge wurden im Februar 2016 vier Militärangehörige inhaftiert, gegen die ein spanischer Richter im Jahr 2011 wegen der Ermordung von sechs Jesuitenpriestern, ihrer Haushälterin und deren Tochter im Jahr 1989 Haftbefehl erlassen hatte. Laut Presseberichten lehnte der Oberste Gerichtshof den Auslieferungsantrag Spaniens im August ab.

Im September 2016 ordnete ein Gericht ein Wiederaufnahmeverfahren im Fall des Massakers von El Mozote an, bei dem im Dezember 1981 Hunderte Zivilpersonen von Angehörigen des Militärs getötet worden waren.

Die USA lieferten 2016 zwei ehemalige Militärangehörige an El Salvador aus, die während des bewaffneten Konflikts das Amt des Verteidigungsministers innehatten. Ihnen wurden Menschenrechtsverletzungen in den 1980er Jahren vorgeworfen.

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