Mali 2016
Trotz der Unterzeichnung eines Friedensabkommens war die Sicherheitslage in Mali aufgrund des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vor allem im Norden des Landes weiterhin prekär. Bewaffnete Gruppen waren auch im Jahr 2015 in verschiedenen Regionen des Landes für Völkerrechtsverbrechen und Menschenrechtsverstöße verantwortlich.
Hintergrund
In mehreren Landesteilen kam es 2015 zu gewaltsamen Zusammenstößen und Anschlägen auf Regierungseinheiten und die Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA). Die Regierung und die Koordination der Azawad-Bewegungen (Coordination des mouvements de l’Azawad – CMA) unterzeichneten im Juni 2015 in der algerischen Hauptstadt Algier ein Friedensabkommen, das eine weitere Regionalisierung sowie die Bildung einer internationalen Kommission zur Untersuchung völkerrechtlicher Verbrechen wie Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und sexueller Gewaltverbrechen vorsah. In dem Friedensabkommen wurde auch festgeschrieben, dass es keine Amnestie für Personen geben werde, die derartiger Verbrechen verdächtigt wurden. Um den Weg für die Unterzeichnung des Friedensabkommens durch die CMA freizumachen, wurden die Haftbefehle gegen 15 CMA-Angehörige aufgehoben, die u. a. wegen Aufwiegelung und Terrorismus angeklagt waren. Im Lauf des Jahres wurden weitere Angehörige der CMA aus Hafteinrichtungen in der malischen Hauptstadt Bamako entlassen. Im Juni 2015 erfolgte eine Verlängerung des Mandats der MINUSMA um ein Jahr. Kidal, eine der größten Städte im Nordosten des Landes, befand sich Ende 2015 nach wie vor unter der Kontrolle bewaffneter Gruppierungen. Im November 2015 wurde nach einem Anschlag auf das Radisson-Hotel in Bamako im gesamten Land der Notstand ausgerufen und später bis Ende März 2016 verlängert.
Die anhaltenden gewaltsamen Zusammenstöße zwischen bewaffneten Gruppen, der MINUSMA und Regierungseinheiten forderten mehr als 250 Todesopfer, unter ihnen mehr als 60 Zivilpersonen.
Im August 2015 wurde der ehemalige Minister und Oppositionspolitiker Ousmane Oumarou Sidibé zum Vorsitzenden der Wahrheits- und Versöhnungskommission ernannt.
Mehr als 130 000 malische Flüchtlinge hielten sich nach wie vor in Nachbarländern Malis auf. Über 60 000 Menschen waren in andere Regionen des Landes geflohen.
Menschenrechtsverstöße durch bewaffnete Gruppen
Ein maskierter Mann verübte im März 2015 einen Anschlag auf ein Restaurant in Bamako und erschoss drei malische und zwei ausländische Staatsbürger. Die bewaffnete Gruppe Al-Mourabitoun bekannte sich zu dem Anschlag.
Im Juli 2015 griffen Angehörige von Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) MINUSMA-Soldaten auf der Straße zwischen Goundam und Timbuktu an. Sechs Soldaten wurden getötet, fünf verletzt. Bei dem Anschlag einer bewaffneten Gruppe auf einen Wohnkomplex für UN-Mitarbeiter wurden im August 2015 mehr als zehn Menschen getötet, unter ihnen mehrere ausländische Staatsangehörige.
Im Oktober 2015 kamen bei einem Anschlag auf einen Konvoi im Norden des Landes sechs Zivilpersonen ums Leben, zwei weitere wurden verletzt. Unbekannte hatten die Fahrzeugkolonne auf der Strecke von Gossi nach Gao mit Landminen und Raketenwerfern angegriffen. Die Fahrzeuge der Mitarbeiter der MINUSMA waren das zentrale Ziel des Anschlags.
Bewaffnete Gruppen stürmten im November 2015 das Radisson-Hotel in Bamako und töteten mindestens 19 Zivilpersonen. Mehr als 150 Menschen wurden als Geiseln genommen. Die beiden bewaffneten Gruppen Al Mourabitoun und Front de Libération du Massina bekannten sich zu dem Anschlag.
Stephen McGowan und John Gustafsson, die von AQIM-Angehörigen bereits im Jahr 2011 im Norden Malis entführt worden waren, befanden sich nach wie vor in der Gewalt der bewaffneten Gruppe.
Exzessive Gewaltanwendung
Die Pläne der MINUSMA, in der im Norden Malis gelegenen Stadt Tabankort eine Pufferzone einzurichten, lösten im Januar 2015 eine gewaltsame Demonstration aus. Dabei schossen MINUSMA-Soldaten vor dem UN-Stützpunkt in Gao mit scharfer Munition auf Zivilpersonen. Drei Menschen starben, vier weitere wurden verletzt. Die Familien der Opfer erstatteten im März 2015 Anzeige gegen die MINUSMA wegen Mordes. Eine Untersuchung der UN ergab, dass Angehörige der MINUSMA für die Todesfälle verantwortlich waren und die Polizeieinheit unerlaubte und exzessive Gewalt angewendet hatte. Der Bericht zu den Untersu-chungen wurde nicht vollständig veröffentlicht.
Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen
Im August 2015 protestierten etwa 200 Menschen in der im Nordwesten des Landes gelegenen Stadt Yélimané (Region Kayes) friedlich gegen die hohe Steuerlast. Am darauffolgenden Tag nahmen Polizisten 17 Mitglieder des Verbandes Yélimané Dagkane fest, die wegen Anstiftung zu Aufruhr, Widerstands gegen die Staatsgewalt und der Teilnahme an einem nicht genehmigten Protest angeklagt wurden. Bakary Diambou und Daman Kont, zwei weitere Verbandsmitglieder, wurden in Bamako festgenommen und ebenfalls wegen Anstiftung zu Aufruhr angeklagt. Alle Festgenommenen wurden im November 2015 vorläufig aus der Haft entlassen.
Straflosigkeit
Im März 2015 reichten in Bamako sieben Menschenrechtsorganisationen im Namen von 33 Opfern Beschwerde gegen 15 Personen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein, die im Jahr 2012 begangen worden waren. Im Juni 2015 hoben die Behörden die Haftbefehle gegen 15 CMA-Funktionäre auf, denen Völkerrechtsverbrechen vorgeworfen wurden.
Der unabhängige Experte für die Menschenrechtssituation in Mali der UN äußerte im Oktober 2015 deutliche Kritik daran, dass es so lang dauere, Fälle von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, die während des Konflikts im Jahr 2012 begangen wurden, zu untersuchen und vor Gericht zu bringen. Ebenfalls im Oktober gelang acht Unterstützern von General Amadou Sanogo die Flucht aus dem Gefängnis. Sanogo hatte an der Spitze der Militärjunta gestanden, die Mali 2012 für einige Monate regiert hatte. Den acht Männern sollte wegen der Entführung und Ermordung von Soldaten der Präsidentengarde, die sich im Jahr 2012 gegen die Putschisten gestellt hatten, der Prozess gemacht werden. General Sanogo und 29 weitere Personen, darunter General Ibrahim Dahirou Dembélé, waren Ende 2015 weiterhin inhaftiert und warteten auf den Beginn ihres Verfahrens wegen der Ermordung und der Beteiligung an der Entführung von Soldaten der Präsidentengarde.
Internationale Strafverfolgung
Im September 2015 wurde Ahmed Al Faqi Al Mahdi von Niger an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert, der einen Haftbefehl gegen ihn erlassen hatte. Ahmed Al Faqi Al Mahdi gehört der bewaffneten Oppositionsgruppe Ansardine an und war mutmaßlich der Kommandant der "Sittlichkeitsbrigade" Hesbah, die den Norden Malis im Jahr 2012 besetzt hatte. Er wird verdächtigt, im Jahr 2012 im Zusammenhang mit der Zerstörung von neun Mausoleen und einer Moschee in Timbuktu Kriegsverbrechen begangen zu haben. Das Vorverfahren gegen ihn wurde für Januar 2016 anberaumt.