Blog Deutschland 28. Dezember 2012

Endlich in Sicherheit

"Der Tag, an dem man uns schließlich mitteilte, dass wir nach Deutschland gehen würden, war einer der glücklichsten meines Lebens": Abubaker Ali Osman aus Somalia.

Abubaker Ali Osman musste mehrmals vor Krieg und Gewalt fliehen. Erst aus Somalia, dann 2011 gemeinsam mit seiner Familie aus Libyen nach Tunesien. Im Rahmen des UN-Resettlementprogramms wurden sie 2012 von dort als anerkannte Flüchtlinge nach Deutschland vermittelt und leben seit September in Berlin. Amnesty International hatte sich jahrelang dafür eingesetzt, dass sich auch Deutschland an diesem Programm beteiligt und schutzbedürftige Flüchtlinge dauerhaft aufnimmt. In diesem Blog-Beitrag erzählt Abubaker Ali Osman seine Geschichte.

Von Abubaker Ali Osman.                                                                                                       Mit Unterstützung von Amnesty-Mitarbeiterin Sara Fremberg.

Ich komme eigentlich aus Somalia. In den 1980er Jahren floh ich vor dem Militärregime nach Libyen. Dort arbeitete ich am Lehrstuhl für Ingenieurswesen der Universität von Hun. Ich lernte meine Frau kennen und wir bekamen sechs wundervolle Kinder.

Fremdenfeindlichkeit hat es in Libyen immer gegeben, aber wir hatten nie Probleme. Unsere Freunde hielten zu uns. Meine Kollegen und Studenten respektierten mich aufgrund meiner Erfahrung, und weil ich schon so lang für die Universität tätig war.

WAS, WENN SIE ZU UNS NACH HAUSE KÄMEN...

Die Situation eskalierte, als der Krieg in Libyen ausbrach. Es war schrecklich. Auf der einen Seite Gaddafi mit seinen Truppen und auf der anderen Seite die Rebellen. Dazu kamen die Luftangriffe der NATO.

Dann begannen die Angriffe auf Menschen wie uns, mit dunkler Hautfarbe, weil es hieß, wir würden Gaddafi als Söldner unterstützen. Viele Menschen wurden getötet. Ich hatte Angst um meine Familie. Was, wenn die Rebellen zu uns nach Hause kämen…

Wir beschlossen, zu fliehen. Im Süden lag die Wüste und im Osten hatten sich die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen gerade verschärft, so dass der einzig mögliche Fluchtweg über Tripolis nach Tunesien führte. Wir hatten Glück. Wir erreichten unbeschadet die Grenze und kamen ins Flüchtlingscamp Choucha.

KEIN ZURÜCK

Die Mitarbeiter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR taten ihr Bestes, um allen zu helfen. Doch die Situation in Choucha war für mich und vor allem für meine Kinder sehr schwierig. In Hun hatten wir ein eigenes Haus besessen, jetzt wohnten wir in Zelten. Die Sandstürme und die Hitze machten uns zu schaffen und bei Regen lief unser Zelt immer wieder voll Wasser. Im Winter wurde es schrecklich kalt.

"Die Situation war sehr schwierig": Flüchtlinge stehen im tunesischen Lager Choucha Schlange vor einem Zelt, in dem Essen ausgeteilt wird (Dezember 2011).

Auch machte ich mir große Sorgen um meine Töchter. Tausende Menschen unterschiedlichster Herkunft lebten auf engstem Raum, viele standen unter Schock und hatten Schreckliches erlebt. Nachts hielten wir oft abwechselnd Wache.

Meine Kinder waren verzweifelt. Sie weinten: "Lass uns zurück nach Libyen gehen, Vater. Dort ist es bestimmt trotz allem noch besser als hier." Doch es gab kein Zurück. Die Kämpfe, die Rebellen, die NATO-Angriffe – wir hätten sie nicht überlebt.

DAS LANGE WARTEN

Im Camp hörte ich zum ersten Mal vom Resettlement-Programm des UNHCR. Es vermittelt Flüchtlinge an Länder, in denen sie in Sicherheit leben können. Etwa einmal im Monat  wurde eine Liste mit Namen von Personen ausgehängt, die einen Platz bekommen hatten. Zusammen mit allen anderen warteten wir jedes Mal ungeduldig auf die neue Liste. Vergebens.

Dann, nach acht Monaten, begann die Auswahlprozedur. Es gab mehrere Interviews, wir mussten zum medizinischen Check-Up und besuchten Kurse für deutsche Sprache und Kultur. Der Tag, an dem man uns schließlich mitteilte, dass wir nach Deutschland gehen würden, war einer der glücklichsten meines Lebens. Das Warten hatte ein Ende.

IN SICHERHEIT

Seit dem 13. September 2012 leben wir in Berlin. Die Stadt ist laut und so voll, ganz anders als Hun. Vor allem meine Frau muss sich da wohl erst noch dran gewöhnen. Mir fehlen vor allem meine Arbeit und meine Kollegen.

Montags bis freitags gehen wir zum Deutschkurs. Ich hoffe, dass mein Deutsch bald gut genug ist, damit ich endlich wieder arbeiten kann. Meine älteren Kinder wollen im nächsten Jahr ihr Studium wieder aufnehmen, unsere kleinen gehen seit einigen Wochen zur Schule.

Ich denke an meine Kinder, die endlich in Sicherheit sind, und den Krieg, der endlich hinter uns liegt. Ich bin so unendlich erleichtert. Das Schlimmste haben wir überstanden. Und auch wenn es sicherlich nicht einfach wird, bin ich optimistisch, dass wir den Neubeginn in Deutschland schaffen werden.

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