Amnesty Journal Uganda 28. Dezember 2023

Sie sind nicht still

Armbänder, die verziert sind mit Buchstaben: "Love not hxte", liegen auf einem Tisch.

In Uganda verbietet ein drakonisches Gesetz gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen sowie den Einsatz für die Rechte von Homosexuellen. Einige mutige Ugander*innen leisten dennoch Widerstand.

Von Tobias Gehring

Angenommen, Sie erfahren, dass ein Freund oder eine Arbeitskollegin in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt. Kein Problem? Im ostafrikanischen Uganda wären Sie verpflichtet, ihn oder sie bei der Polizei anzuzeigen. Und dies könnte dazu führen, dass Ihr Freund oder Ihre Kollegin zum Tode verurteilt wird.

So will es der Anti-Homosexuality Act, der im Mai dieses Jahres vom ugandischen Parlament verabschiedet und von Präsident Yoweri Museveni unterzeichnet wurde. Artikel 3 des Gesetzes definiert Fälle "schwerer Homosexualität" – darunter homosexuelle Handlungen von "Serientäter*innen" oder mit behinderten oder älteren Personen – und sieht für diese die Todesstrafe vor. In "minder schweren" Fällen droht eine lebenslange Haftstrafe, auch dann, wenn es sich um freiwilligen, einvernehmlichen Geschlechtsverkehr handelt.

"Ein finsterer Tag für LGBTI-Rechte"

"Dies ist ein schrecklich finsterer Tag für LGBTI-Rechte und für Uganda", sagte Flavia Mwangovya, stellvertretende Amnesty-Regionaldirektorin für das östliche und südliche Afrika, als das Gesetz angenommen wurde. Es werde Diskriminierung, Hass und Vorurteile gegen LGBTI-Ugander*innen und deren Verbündete fördern.

Diese Warnung bewahrheitete sich bereits in den ersten Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes. So nahm die Polizei im August in einem Massagesalon nahe der Stadt Jinja vier Personen fest, die wegen homosexueller Handlungen angezeigt worden waren. Besonders brisant war, dass sich unter ihnen auch Elisha Mukisa befand. Er hatte das neue Gesetz zuvor öffentlich befürwortet und sich als "geheilter" ehemaliger Homosexueller inszeniert. Auf YouTube und sogar im ugandischen Parlament gab er an, in seiner Jugend "in die Homosexualität rekrutiert" worden zu sein.

Die haltlose Vorstellung, die sexuelle Orientierung eines Menschen sei auf "Rekrutierung" zurückzuführen, spiegelt sich auch in dem Gesetz wider. Artikel 8 bedroht diejenige Person mit lebenslanger Haft, die "ein Kind rekrutiert (…), um das Kind in Homosexualität zu verwickeln".

Die drakonischen und menschenrechtswidrigen Bestimmungen des Gesetzes haben die seit Langem bestehende politische und gesellschaftliche Verfolgung und Diskriminierung sexueller Minderheiten in Uganda noch verschärft. Bereits 2011 sorgte die Ermordung des schwulen Aktivisten David Kato für Aufsehen. Er war in seinem Haus durch Hammerschläge auf den Kopf getötet worden. Wenige Monate zuvor hatte die ugandische Boulevardzeitung Rolling Stone ihn und andere Personen öffentlich geoutet und gefordert, die Betroffenen zu erhängen. Ein ­anglikanischer Priester störte die Beerdigung Katos, indem er gegen Homosexualität wetterte.

Die Kirchen tragen in Uganda wesentlich zur LGBTI-Feindlichkeit bei. Die Bevölkerung, die mehrheitlich christlich und oft strenggläubig ist, wird durch alttestamentarische Moralvorstellungen und homofeindliche Predigten stark beeinflusst. Fundamentalist*innen aus den USA, die eine religiös begründete Homofeindschaft propagieren, spielen dabei eine wichtige Rolle. "Sie kommen als Missionare", erklärte die ugandische Aktivistin Kasha Jacqueline Nabagesera in einem Interview. "Das, was heute in den Kirchen gepredigt wird, ist nicht das, was ich aus der Zeit kenne, als ich klein war. Und es wurde von den extremen Evangelikalen durchgesetzt." Scott Lively, ein US-Aktivist der homofeindlichen Ex-Gay-Bewegung, sei "einer dieser Kreuzfahrer".

Verfassungsfeindliches Gesetz

Nabagesera ist Mitbegründerin der LGBTI-Organisation Freedom and Roam Uganda sowie des Szenemagazins Bombastic. Für ihr jahrzehntelanges Engagement für LGBTI-Rechte in Uganda wurde ihr 2015 der Right Livelihood Award verliehen, auch bekannt als alternativer Nobelpreis. Auf der Plattform X (vormals Twitter) schrieb sie über das neue Gesetz: "Organisiertes Verbrechen im Parlament unseres Landes ist sehr bedauerlich. Wir werden weiter gegen diese Ungerechtigkeit kämpfen."

Außer Kasha Nabagesera stellen sich auch weitere Ugander*innen gegen die Homofeindschaft. Die Wissenschaftlerin Stella Nyanzi publizierte bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes eine Studie über die Auswirkungen von Diskriminierung auf in Uganda lebende LGBTI-Flüchtlinge. Sie wies darin unter anderem Diskriminierungen im Gesundheitswesen und Straflosigkeit bei Gewalttaten gegen LGBTI-Personen nach. "Die Kriminalisierung nicht-heteronormativer sexueller Orientierungen ist eine massive Verletzung verschiedener, ineinandergreifender Rechte von gleichgeschlechtlich liebenden Menschen", so ihr Fazit. Auf X kommentierte sie die Verabschiedung des Gesetzes: "Der Diktator Yoweri Kaguta Museveni hat den Anti-Homosexuality Act (2023) unterzeichnet. Weine, geliebtes Uganda, weine wegen dieses traurigen ­Tages für die Rechte von LGBTIQA+-Personen und ihren Verbündeten. Der Kampf geht weiter!"

Auch Engagement kriminalisiert

Der ugandische Menschenrechtsanwalt John Solomon Nabuyanda machte bei einem öffentlichen Auftritt in Berlin im Sommer 2023 darauf aufmerksam, dass das Gesetz nicht nur die Menschenrechte, sondern auch Ugandas Verfassung verletze: "Jeder hat das Recht auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Das bedeutet schlicht und einfach, dass grundlegende Menschenrechte jedem zustehen – unabhängig von der politischen Meinung, der wirtschaftlichen Lage und, vor allem, der sexuellen Orientierung." 

Nabuyanda kooperiert mit der NGO Let’s Walk Uganda, die ein klares Ziel verfolgt: "Eine ugandische Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Transgender-Gemeinschaft frei von Stigmatisierung, Diskriminierung und Ungerechtigkeit."

Doch das neue Gesetz kriminalisiert auch öffentliches Engagement für LGBTI-Rechte in Uganda als angebliche "Werbung für Homosexualität". Das gilt auch für zivilgesellschaftliche Einflussnahme durch Organisationen wie Amnesty International. "Wenn ihr nicht einverstanden seid, seid einfach still", fordert Museveni von ausländischen Kritiker*innen. Trotz möglicher strafrechtlicher Verfolgung lassen sich Nabagesera, Nyanzi und Nabuyanda nicht den Mund verbieten. Sie sind nicht still. Und wir sollten das auch nicht sein.

Tobias Gehring ist in der Amnesty-Kogruppe DR Kongo/Uganda aktiv. Weitere Informationen: https://amnesty-zentral-ostafrika.de

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