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Grenzen zu Geld machen
An der EU-Abschottungspolitik verdienen europäische Rüstungsunternehmen Milliarden – unter anderem durch den Verkauf von Drohnen, Satelliten und Hochsicherheitszäunen.
Von Hauke Friederichs
Kilometerlange Zäune aus Draht, Radarmasten sowie hohe Rampen für Überwachungsfahrzeuge, die eine perfekte Sicht über die Wüste bieten: Die saudischen Grenzen zum Jemen und zum Irak gleichen einem Hochsicherheitsgebiet, das Flüchtlinge, Schmuggler und Terroristen gleichermaßen abhalten soll. Um das zu garantieren, setzt das Königshaus in Riad schon seit Jahren auf Technik aus Europa. Allen voran der Luft- und Rüstungskonzern Airbus liefert Radaranlagen, optronische Ausrüstung, Software und Technologie für die Sicherung der Grenzen zu den Unruhestaaten im Süden und Norden des Königreichs.
Patrouillenboote, Drohnen und Radar aus Deutschland
Aber auch entlang der Küste setzt Saudi-Arabien auf Überwachung: 17 Patrouillenboote wurden in den deutschen Werften Fassmer und Lürssen bereits gebaut; wegen des 2018 von der Bundesregierung verhängten Ausfuhrstopps konnten bislang jedoch nur fünf ausgeliefert werden. Zuvor hatte die Bundespolizei bereits Dutzende Angehörige des saudischen Grenzschutzes ausgebildet. GIZ International Service, eine Tochter der staatlichen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, war ebenfalls eingebunden und wickelte Zahlungen ab. Soldaten der Bundeswehr trainierten unterdessen saudische Sicherheitskräfte beim Einsatz von Drohnen, die ebenfalls aus Deutschland importiert worden waren.
Saudische Grenze als Vorbild
Längst gilt die saudische Grenze als Vorbild für andere Länder. Deutschland unterstützt mittlerweile auch nordafrikanische Staaten dabei, ihr Territorium abzuschirmen. Dabei geht es vor allem darum, die Binnenmigration einzuschränken und Menschen daran zu hindern, die Mittelmeerküste zu erreichen, die letzte Station auf der langen Flucht nach Europa.
Offiziell wird allerdings meist der "Kampf gegen den Terror" als Grund für das deutsche Engagement etwa in Tunesien oder Ägypten genannt. Diese Politik der Abschottung beschert der deutschen Rüstungsindustrie gute Geschäfte. Die oft fatale Menschenrechtslage in den Kooperationsstaaten und der menschenunwürdige Umgang mit Flüchtlingen dort spielt für die Bundesregierung offenbar eine untergeordnete Rolle. Ziel des Grenzausbaus im Mittelmeerraum ist die Überwachung von Fluchtrouten, um zu verhindern, dass immer wieder Boote aus Libyen, Tunesien oder Ägypten in Richtung Italien, Malta und andere EU-Staaten aufbrechen.
So lieferte die süddeutsche Hensoldt, eine Ausgründung von Airbus, bereits Bodenüberwachungsradare und Nachtsichtgeräte an Tunesien – die Kosten trug der deutsche Steuerzahler. Ziel der Kooperation ist der Aufbau einer elektronischen Grenzüberwachung an der tunesisch-libyschen Grenze. "Dazu wurde vereinbart, in einem ersten Schritt fünf mobile Systeme bestehend aus einem Radar und einer weitreichenden Kamera für den Einsatz an der Grenze zu beschaffen", teilte die Bundesregierung bei Projektabschluss 2018 mit. Kostenfaktor: sieben Millionen Euro. Insgesamt beläuft sich die Förderung des elektronischen Überwachungssystems durch Berlin auf 18 Millionen Euro.
Lukrative Aufträge für Rüstungsfirmen
Für deutsche Rüstungsunternehmen könnte das Engagement der Bundesregierung in Tunesien den Einstieg in weitere lukrative Projekte bedeuten, auch der anhaltende Kampf gegen Schleuser auf dem Mittelmeer könnte neue Aufträge einbringen. Denn die EU setzt verstärkt auf Drohnen zur Grenzkontrolle. Das Aufspüren von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer ist dabei eine der vorgesehenen Aufgaben für die unbemannten Flieger. Sie ergänzen Satelliten, Seeaufklärungsflugzeuge, Helikopter und Patrouillenboote.
All dies wird vor allem von Rüstungsunternehmen produziert – auch in Deutschland. So stellt Airbus etwa Satelliten, Hubschrauber, Drohnen und Flugzeuge her, die Werftengruppe Lürssen bietet Schiffe an, die auch zur Grenzkontrolle geeignet sind. Atlas-Elektronik wiederum rüstet Boote mit Kommunikationstechnik aus, Jenoptik wirbt mit seiner "automatischen Kennzeichenerfassung" zur Grenzsicherheit. Rohde & Schwarz setzt ebenfalls auf Überwachungstechnik für Grenzen, Hensoldt baut Radaranlagen. Und Rheinmetall, der Branchenprimus, bekannt für Panzer und Artillerie, fertigt auch Sensoren, Fahrzeuge und Roboter.
Markt für Grenzsicherheit wächst
Wie stark der Markt der Grenzsicherheit wächst, zeigt die Studie "Building Walls" der Nichtregierungsorganisation Transnational Institute (TNI). Es gebe einen "Boom" bei den Budgets für Grenzschutz in Europa, schreibt Mark Akkerman, Autor der im November 2019 erschienenen Analyse. Europa wird in den kommenden Jahren viele Milliarden Euro in Technik investieren, die der Abschottung dient. So will die EU-Kommission für den Zeitraum 2021 bis 2027 gut acht Milliarden Euro bereitstellen, um Staaten beim Ausbau der Grenzsicherung zu unterstützen. Davon profitieren nicht nur EU-Mitglieder, sondern auch Partnerstaaten wie die Türkei und sogar Libyen. Mit EU-Mitteln aus verschiedenen Fonds sind bereits mehrere hundert Grenzüberwachungssysteme am Rand der europäischen Gemeinschaft entstanden. Dazu kommen mehr als elf Milliarden Euro an EU-Mitteln für die Grenzschutzagentur Frontex und große Summen für Eurosur, das "European Border Surveillance System". Insbesondere die Ausgaben für Frontex sind in den vergangenen Jahren extrem gestiegen: Das Budget der Grenzschützer wuchs zwischen 2005 und 2016 um 3.688 Prozent – und wird in den kommenden Jahren weiter aufgestockt.
Forschungsmittel für Rüstungskonzerne
Drei der größten europäischen Rüstungskonzerne spielen laut TNI eine führende Rolle bei Grenzprojekten: Thales aus Frankreich, Leonardo aus Italien und Airbus. Sie profitieren nicht nur von Bestellungen, sie bekommen von der EU auch Forschungsmittel. So können sie ihre Waffensysteme und ihre Überwachungstechnik mit Steuergeldern optimieren und diese dann besser auf dem Weltmarkt verkaufen. Zu den Kunden der europäischen Rüstungsfirmen gehören auch viele Länder, aus denen Menschen versuchen, in die EU zu gelangen.
Wie wichtig das Geschäft mit der Abschottung für die Rüstungskonzerne geworden ist, zeigt eine Messe, die im März 2020 in Texas stattfindet. Auf der Border Security Expo in San Antonio dreht sich alles um das Thema Grenzsicherheit. Zu den Ausstellern gehören die größten Unternehmen der Rüstungsbranche. Der Veranstalter verspricht, die Aussteller könnten leicht in direkten Kontakt mit möglichen Kunden kommen. Auch US-Präsident Donald Trump will schließlich seine High-Tech-Wall zu Mexiko endlich fertiggestellt sehen.
Dreißig Jahre nach dem Mauerfall entstehen überall auf der Welt wieder Mauern, zur Freude der Rüstungsbranche. Schließlich dient das auch der Verbesserung des eigenen Images: Grenzschutz lässt sich besser vermarkten als Killerdrohnen oder Kampfpanzer. Für Menschen auf der Flucht geht die zunehmende Abschottung mit wachsenden Gefahren einher. Sie müssen immer größere Risiken eingehen, um nach Europa oder in die Vereinigten Staaten zu gelangen. Letztlich halten aber weder Drohnen, hochmoderne Sensoren noch Stromzäune sie davon ab, zu fliehen.