Amnesty Journal 26. März 2019

Friedensnobelpreisträger: Muganga, der Heiler

Zeichnung einer aufgeschlagenen Zeitschrift

Die Autobiografie des kongolesischen Gynäkologen und Friedensnobelpreisträgers Denis Mutwege liegt jetzt auf Deutsch vor. Er gilt als einer der kompetentesten Ärzte weltweit in der Behandlung von Opfern sexueller Gewalt.

Von Maik Söhler

Er sieht sich als Heiler. Das Nobelpreiskomitee erkannte in ihm einen Kämpfer gegen Kriegsverbrechen und verlieh ihm im Dezember 2018 den Friedensnobelpreis, weil er sein Leben der Verteidigung von Opfern sexueller Gewalt gewidmet habe und "das führende, einigende Symbol des Kampfes zur Beendigung der sexuellen Gewalt in Krieg und bewaffneten Konflikten" sei.

Das Regime unter Joseph Kabila aber identifizierte ihn als Gegner. Im Januar wurde Kabila zwar als Präsident der Demokratischen Republik Kongo abgewählt, aber mit Félix Tshisekedi übernahm jemand die Macht, der Kabila hoch achtet. Und so wird Denis Mukwege, wo immer er sich im Land bewegt, wohl weiterhin unter dem Schutz von UN-Soldaten stehen müssen.

Denis Mukwege gilt als einer der kompetentesten Ärzte weltweit in der Behandlung von Opfern sexueller Gewalt. Er leitet das Panzi-Hospital in Bukavu im Osten des Kongo und hat Tausende Frauen behandelt, die von Soldaten oder Milizionären vergewaltigt und genital schwer verletzt wurden. Da auch Soldaten und Verbündete der kongolesischen Armee zu den Tätern gehören, steht ihm die Staatsmacht feindlich gegenüber.

Zwischen Hoffnung und Skepsis 

"Meine Stimme für das Leben" heißt die Autobiografie Mukweges, die nun auf Deutsch vorliegt. Es ist ein Werk, das von Hoffnung geprägt ist und bei dem doch Skepsis bleibt. Hoffnung, weil Mukwege die Herausforderungen seines Lebens meist frohen Mutes angeht; Skepsis, weil die Lage im Kongo kaum Hoffnung verspricht.

Zwar liegt die Zeit des "Zweiten Kongokrieges", an dem zeitweise sieben Nachbarländer beteiligt waren und in dem die sexuelle Gewalt gegen Frauen äußerste Brutalität erreichte, mehr als 20 Jahre zurück. Doch die Grausamkeiten mancher Milizen dauern an – und die Folgen für die Opfer.

Zu körperlichen Schmerzen und psychischen Traumata gehört oft auch der gesellschaftliche Ausschluss der vergewaltigten Frauen. Deswegen lautet Mukweges Fazit: "Die Gräueltaten müssen aufhören. Die Frauen müssen sich in ihrer Gemeinschaft wieder sicher fühlen können. (…) Dafür kämpfe ich und setze mein Leben aufs Spiel."

In einem Buch voller Gräuel – Morde, Folter, Vergewaltigungen, Verstümmelungen – bleibt am Ende die Erkenntnis, dass auch jene, die die Folgen dieser Taten lindern wollen, einer grauenhaften Bedrohung ausgesetzt sind. Einen Mordversuch hat Mukwege bereits überlebt, ebenso Maschinengewehr- und Artilleriebeschuss; einem Angriff auf seine erste Arbeitsstelle, das Krankenhaus Lemera (ebenfalls im Ostkongo), entging er nur knapp. Dass er noch lebe, verdanke er Gott, schreibt Mukwege, der seit Jahrzehnten gläubiger Christ ist und in einer evangelischen Gemeinde predigt.

Seine Autobiografie ist mehr als eine Aneinanderreihung persönlicher und beruflicher Erfolge und Rückschläge. In den besten Passagen erzählt das Buch nebenher die Geschichte des Kongo und seiner Nachbarstaaten, behandelt Kolonialismus und Rassismus, sieht Gemeinsamkeiten und Unterschiede ­afrikanischer und europäischer Entwicklung.

Schon als Achtjähriger erklärte Mukwege seinem Vater, ein Muganga werden zu wollen, ein Heiler. Sein Vater bestärkte ihn darin. Mukwege beschreibt den Vater als einen Mann, dessen Haltung zur Welt sich in Bescheidenheit und Dankbarkeit ausgedrückt habe. Es scheint, als sei beides auf den Sohn übergegangen, denn diese Eigenschaften prägen den Ton des Erzählers in "Meine Stimme für das Leben".

 

Denis Mukwege: Meine Stimme für das Leben. Aus dem Französischen von Ulrich Probst und Heide Müller. ­Brunnen Verlag, Gießen 2018. 272 Seiten, 22 Euro.

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