Amnesty Journal Chile 26. März 2019

In kleinen Schritten für Recht und Aufklärung

Zeichnung einer aufgeschlagenen Zeitschrift

Marcelo Catrillanca kämpft in Chile für die Rechte der ­indigenen Mapuche – und für die Aufklärung des Mordes an seinem Sohn.

Von Michael Dopichaj, Santiago de Chile

"Schon wieder musste einer unserer Gemeinschaft sterben, in diesem Fall mein Sohn." Mit diesen Worten trat Marcelo Osblado Catrillanca Queripel im November 2018 vor die Kameras. Nur Stunden zuvor war sein Sohn Camilo Catrillanca vom "Dschungelkommando", einer Spezialeinheit der chilenischen Militärpolizei, erschossen worden.

Immer wieder töten chilenische Sicherheitskräfte Angehörige der indigenen Gruppe der Mapuche, die 1,5 Millionen Menschen umfasst. Da die Beamten nicht der zivilen Justiz unterstehen, sondern Militärrichtern, fallen die Urteile zumeist milde aus. Das aber will Marcelo Catrillanca nicht länger hinnehmen: Gemeinsam mit Mitstreitern fordert er, die Verantwortlichen für die Tötung seines Sohns zur Rechenschaft zu ziehen.

Proteste reißen nicht ab

Seit ­November reißen die Proteste gegen die Militärpolizei in der Hauptstadt Santiago de Chile, aber auch in anderen Städten nicht mehr ab, während die Polizei versucht, die Demonstrationen durch den Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern zu unterbinden.

Die indigenen Mapuche leben vor allem in Araukanien, der ärmsten Region Chiles. Regelmäßig kommt es zu Brandanschlägen auf Gebäude und Lastwagen von Agrar- und Forstunternehmen rund um die Stadt Temuco – aus Protest dagegen, dass der Staat den Mapuche Ländereien weggenommen hat. Die Regierung ist nach dem Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation verpflichtet, indigene Gruppen zu konsultieren, wenn wirtschaftliche Großprojekte in ihrem Siedlungsgebiet geplant werden. Dem kommt sie jedoch nur bedingt nach.

Dass nicht nur Proteste, sondern auch Aufklärung verhindert werden soll, spürt Marcello Catrillanca seit dem Tod seines Sohnes im November Tag für Tag. Erst hieß es, Camilo Catrillanca sei in einen Autodiebstahl verwickelt gewesen. Das wies sein Vater jedoch zurück – und bekam schließlich Recht. Außerdem war anfangs von einem Feuergefecht mit Unbekannten die Rede, was später aufgetauchte Videos jedoch widerlegten. Aufnahmen von der Polizeioperation sollen zudem vernichtet ­worden sein. 

Kleine Fortschritte 

Marcelo Catrillanca nutzt die mediale Aufmerksamkeit in Interviews und Fernsehauftritten, um auf das Leid der Mapuche hinzuweisen, sich gegen Militarisierung und Landraub auszusprechen und Aufklärung und politische Aufarbeitung zu fordern. Kleine Fortschritte gibt es: Der Generaldirektor der Militärpolizei und weitere Führungskräfte wurden entlassen, vier der beteiligten Polizisten sitzen in Untersuchungshaft, und zwei Staatsanwälte sind mit Ermittlungen befasst.

Die Justiz greift jedoch weiterhin auf das Antiterrorgesetz zurück, um gegen Mapuche-Aktivisten vorzugehen. Und das, obwohl der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte bereits 2014 entschieden hat, dass unverhältnismäßig lange Untersuchungshaftzeiten, Urteile allein auf der Basis von ano­nymisierten Zeugen und ein beschränkter Zugang zu Beweismitteln einen Verstoß gegen die Amerikanische Menschenrechtskonvention darstellen, weil sie auf diskriminierenden ­Stereotypen basieren.

Mehr über die Lage der Mapuche in Chile unter www.amnesty-chile.de und www.amnistia.cl

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