Israel/besetzte palästinensische Gebiete: Den Haag muss mögliche Kriegsverbrechen untersuchen

Amnesty International fordert den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag dazu auf, möglichen Kriegsverbrechen nachzugehen, die von israelischer und palästinensischer Seite begangen worden sein könnten. Dazu zählen unter anderem Angriffe auf Zivilpersonen. Die Verantwortlichen für diese Verletzungen des humanitären Völkerrechts müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
Seit dem 10. Mai 2021 haben bewaffnete palästinensische Gruppen Tausende Raketen auf zivile Gebiete im Zentrum Israels und auf Städte nahe der Grenze zum Gazastreifen abgefeuert und dabei mehrere Menschen verletzt und getötet. Die israelischen Streitkräfte sind Luftangriffe geflogen, bei denen Zivilpersonen in Gaza verletzt und getötet wurden. Bei gezielten Angriffen der israelischen Armee wurden Wohngebäude, in denen Dutzende palästinensische Familien wohnten, sowie Bürogebäude beschädigt oder zerstört.
Dabei steht fest: Alle Konfliktparteien sind nach dem humanitären Völkerrecht verpflichtet, die Zivilbevölkerung sowie ziviles Eigentum und die zivile Infrastruktur zu schützen. Jedoch wird diese völkerrechtliche Verpflichtung wie auch schon bei den Kämpfen in den Jahren 2008, 2012 und 2014 sträflich missachtet. Sowohl israelische Truppen als auch bewaffnete palästinensische Gruppen haben in der Vergangenheit straflos mutmaßliche Kriegsverbrechen und andere schwere Menschenrechtsverstöße begangen. Israel hat in vergangenen Militäroperationen in Gaza wiederholt unverhältnismäßige und wahllose Angriffe ausgeführt mit zahlreichen zivilen Opfern, die als Kriegsverbrechen gelten. Bewaffnete palästinensische Gruppen haben ebenfalls Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht begangen, die bisher ungeahndet blieben.
Amnesty International verurteilt entschieden den unterschiedslosen Raketenbeschuss durch palästinensische bewaffnete Gruppen. Das Abfeuern von nicht präzise steuerbaren Raketen auf Wohngebiete kann als Kriegsverbrechen betrachtet werden und bedroht das Leben der Menschen sowohl in Israel als auch in Gaza, wo zahlreiche der ungelenkten Raketen eingeschlagen sind. Im Rahmen der laufenden Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs müssen diese Raketenangriffe als mögliche Kriegsverbrechen untersucht werden.
Die israelischen Streitkräfte haben zahlreiche Wohngebäude in Gaza ins Visier genommen. Unter anderem wurde ein 13-stöckiges Hochhaus, das als Hanadi-Turm bekannt ist, vollständig zerstört. Die Zivilbevölkerung war zwar zuvor gewarnt worden, die Gegend zu verlassen. Die Zerstörung kompletter mehrstöckiger Wohnhäuser, wodurch Dutzende Familien obdachlos wurden, stellt jedoch eine Kollektivbestrafung der palästinensischen Bevölkerung dar und somit auch einen Verstoß gegen das Völkerrecht. Amnesty International hat weitere israelische Angriffe auf Wohnhäuser in Gaza ohne vorherige Warnungen dokumentiert, die zu zivilen Todesopfern geführt haben. Der Internationale Strafgerichtshof muss auch diese Angriffe als mögliche Kriegsverbrechen untersuchen.
Israelische Streitkräfte und palästinensische bewaffnete Gruppen in Gaza müssen die Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht umgehend einstellen und alle Maßnahmen ergreifen, um zivile Opfer soweit wie möglich zu verhindern.
Amnesty International fordert die internationale Gemeinschaft und die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates auf, die Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht öffentlich zu verurteilen und Druck auf alle Konfliktparteien auszuüben, die Zivilbevölkerung zu schützen. Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates müssen ein umfassendes Waffenembargo über Israel, die Hamas und andere palästinensische bewaffnete Gruppen verhängen. Ziel muss es sein, weitere schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte seitens der Konfliktparteien zu verhindern.