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DEINE SPENDE WIRKT!
Mit Herz, Kopf und langem Atem
Julia Duchrow, Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion
© Amnesty | Silke Weinsheimer
Lasst uns die Kräfte bündeln, Menschen mobilisieren und begeistern – gerade jetzt ist es besonders nötig. Kolumne von Julia Duchrow, Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion.
Von Julia Duchrow
Manchmal verdichten sich politische Entwicklungen in einem Moment wie am 6. November. Morgens standen wir mit der Nachricht auf, dass Donald Trump nächster Präsident der USA wird. Am Abend zerbrach die Ampel-Koalition, im Februar wird ein neuer Bundestag gewählt.
Meine US-Kolleg*innen gehen davon aus, dass Trump seine Agenda rücksichtslos umsetzen wird. Sie stellen sich auf Massenabschiebungen ein, auf rassistische und queerfeindliche Rhetorik und Maßnahmen. Sie erwarten, dass Zivilgesellschaft und Medien unter Druck geraten. Wahrscheinlich wird die Regierung Trump dem globalen Klimaschutz den Rücken kehren und weiter Öl ins Feuer des Kriegs in Nahost gießen.
Auch in Deutschland drohen bei der Bundestagswahl Kräfte weiter zu erstarken, die Menschenrechten, Klimaschutz und Geschlechtergerechtigkeit ablehnend bis feindlich gegenüberstehen. Uns erwartet ein Wahlkampf, in dem Populist*innen den Ton angeben, Lügen und Halbwahrheiten verbreiten und Menschen gegeneinander in Stellung bringen.
Dass ich diesen 6. November trotzdem nicht nur sorgenvoll gestimmt verbrachte, lag an einer weiteren Koinzidenz der Ereignisse. Am Abend empfing Amnesty 120 Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen zum Austausch in unseren neuen Büroräumen in Berlin-Neukölln. So viel geballtes Engagement auf engstem Raum. Und ich dachte: Lasst uns die Kräfte bündeln, Menschen mobilisieren und begeistern! Gerade jetzt! Für eine Alternative, die diesen Namen verdient. Für eine solidarische Gesellschaft, in der alle Menschen ohne Angst und in Freiheit leben können. Für eine Gesellschaft, in der Macht und Reichtum begrenzt und Teilhabe für alle ermöglicht wird.
Lasst uns diese Alternative konkret machen: Wir brauchen eine Regierung, die keine Waffen an Kriegsverbrecher*innen liefert, und eine Außenpolitik, die bei den Menschenrechten nicht mit zweierlei Maß misst. Wir wollen eine Innenpolitik, die integriert statt spaltet. Die für den Schutz von Flüchtlingen und Migrant*innen ebenso sorgt wie für bezahlbaren Wohnraum, verlässlichen Nahverkehr und eine menschenwürdige Gesundheitsversorgung und Pflege. Und wir wollen eine Politik, die die Klimakrise als das behandelt, was sie ist: die größte Bedrohung für das Leben insgesamt! Luisa Neubauer sagte Mitte November anlässlich der Weltklimakonferenz: "Weltpolitik lässt sich nicht besprechen, ohne die Welt dabei ernst zu nehmen." Recht hat sie!
Wenige Tage nach dem 6. November fand in unseren Räumen eine Veranstaltung der Gruppe Israelis für Frieden statt, auf der palästinensische und jüdische Israelis über die politische Lage in ihrem Land informierten. Am Ende richtete der Menschenrechtsanwalt Amal Oraby einen Appell ans Publikum. Mit Blick auf den Krieg in Gaza sagte er: "Wir sind an einem kritischen Punkt. Ich habe keine hohen Erwartungen an Politiker*innen. Aber ich glaube an die Macht der Bevölkerung. Das ist unsere Zeit, wenn wir gemeinsam stark sind. Wir müssen die Errungenschaften verteidigen, die die Menschheit nach zwei Weltkriegen etabliert hat."
Lasst uns für eine solidarische Gesellschaft streiten, mit den Menschenrechten als Kompass, so wie wir es seit vielen Jahren tun. Lasst uns daran denken, dass Menschen anderswo diesen Kampf unter widrigeren Bedingungen führen. Lasst uns weitermachen und dabei auch den Schmerz fühlen, den Misserfolge und Rückschläge mit sich bringen; aber ebenso in dem Bewusstsein, dass Resignation und Zynismus nur den Feinden der Menschenrechte in die Hände spielen.
Diese Zeit braucht uns, mit offenem Herzen, klarem Kopf – und langem Atem.
Julia Duchrow ist Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland.