Pressemitteilung 21. März 2019

Somalia: Zivile Opfer durch US-Drohnen-und Luftangriffe

BERLIN, 20.03.2019 – Recherchen von Amnesty International haben stichhaltige Beweise dafür zutage gefördert, dass die immer aggressiveren Luftangriffe der USA in Somalia zahlreiche zivile Todesopfer gefordert haben. Im Gegensatz zu den bisherigen Aussagen der USA, weist der neue Amnesty-Bericht The Hidden US War in Somalia nach, dass es bei US-Militärschlägen zivile Opfer gab. In den letzten zwei Jahren wurden demnach allein vier Zivilpersonen getötet und acht verletzt. Bei diesen Militärschlägen wurden Reeper-Drohnen und bemannte Flugzeuge eingesetzt, um Ziele in der Provinz Unter-Shabelle zu bombardieren, eine mehrheitlich unter der Kontrolle der bewaffneten Gruppe Al-Shabaab stehende Region südlich der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Diese Luftangriffe stehen unter dem Verdacht, gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen zu haben. Einige von ihnen könnten möglicherweise als Kriegsverbrechen eingestuft werden. Insgesamt führten die USA in diesem Zeitraum mehr als 100 Luftangriffe durch.



Mitarbeiter von Amnesty International führten in Somalia mehr als 150 Gespräche mit Augenzeugen, Familienangehörigen, Binnenvertriebenen und Experten, darunter auch Angehörige des US-Militärs. Zudem analysierte die Organisation unterstützendes Beweismaterial wie zum Beispiel Satellitenbilder, Munitionsfragmente und fotografische Aufnahmen im Nachgang von Luftangriffen.

Amnesty International legte der US-Kommandozentrale für Afrika (AFRICOM) ihre Rechercheergebnisse vor, woraufhin AFRICOM erneut abstritt, dass durch die Militäreinsätze in Somalia Zivilpersonen getötet worden seien.



"Die Ergebnisse unserer Recherchen stehen im direkten Gegensatz zu den Behauptungen des US-Militärs, es gäbe in Somalia keine zivilen Todesopfer. Diese Behauptungen erscheinen auch deshalb fragwürdig, da die USA seit 2016 die Zahl der Luftangriffe in Somalia verdreifacht hat", so Mathias John, Rüstungsexperte bei Amnesty International in Deutschland.  



US-Dekret erklärte Somalia zum "Gebiet aktiver Kampfhandlungen"



Die Anzahl US-amerikanischer Militärschläge in Somalia ist in die Höhe geschnellt, nachdem Präsident Trump am 30. März 2017 ein Dekret unterzeichnete, das Somalia als "Gebiet aktiver Kampfhandlungen" auswies.

So verkündete AFRICOM beispielsweise nach einem Angriff auf das kleine Dorf Farah Waeys, dass "alle verletzten oder getöteten Personen Mitglieder oder Anhänger von Al-Shabaab" gewesen seien. Amnesty International dokumentierte jedoch, dass zusätzlich zu der Tötung von Mitgliedern oder Anhängern von Al-Shabaab auch noch zwei männliche Zivilpersonen getötet und fünf Frauen und Kinder verletzt wurden. In einem anderen Fall wurden bei einem US-amerikanischen Militärschlag auf Ackerflächen in der Nähe des Dorfes Darusalaam am frühen Morgen des 12. November 2017 drei vor Ort lebende Bauern getötet. Um etwa drei Uhr morgens wurden sie ohne Vorwarnung aus der Luft angegriffen. Dorfbewohner, die im Morgengrauen die Leichen der getöteten Männer bargen, beschrieben deren entsetzlich verstümmelten Körper.



Amnesty International hat fotografische Aufnahmen der Leichen analysiert und festgestellt, dass diese sich mit den Zeugenaussagen decken. Zwei der Männer waren stark entstellt. Personen in Somalia, die von US-Militärschlägen betroffen sind, haben so gut wie gar keine Aussicht auf Gerechtigkeit. Für die Betroffenen ist es beinahe unmöglich, einen getöteten oder verletzten Familienangehörigen oder Bekannten zu melden, da es sich um sehr entlegene Gegenden handelt und das mit einer Anzeige verbundene Sicherheitsrisiko sehr hoch ist. "Die US-Regierung muss sicherstellen, dass alle glaubwürdigen Vorwürfe über zivile Opfer angemessen untersucht werden. Die für Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen und die Opfer und Überlebenden entschädigt werden", so Mathias John.

 

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