Aktuell 31. Oktober 2016

"Stop Folter" - Die Kampagne

Protest-Aktion vor dem Berliner Hauptbahnhof anlässlich des Deutschland-Besuches von Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto im April 2016

Protest-Aktion vor dem Berliner Hauptbahnhof anlässlich des Deutschland-Besuches von Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto im April 2016

842.000 Unterschriften und Apelle, 500 öffentliche Aktionen allein in Deutschland - weltweit lief die "Stop Folter" Kampagne von Mai 2014 bis Juni 2016. Ein Rückblick

1.000 Stockhiebe wegen einer Internetseite: Diese gegen den saudi-arabischen Blogger Raif Badawi verhängte Strafe machte Menschen weltweit fassungslos und löste eine riesige Protestwelle aus – gegen Körperstrafen und für Meinungsfreiheit. Am 9.Januar 2015 erhielt Badawi nach dem Freitagsgebet in aller Öffentlichkeit vor der al-Dscha-fali-Moschee in Dschidda die ersten 50 der gegen ihn verhängten 1.000 Stockhiebe. Er war im Mai 2014 wegen "Beleidigung des Islams" zu der brutalen Körperstrafe, zehn Jahren Haft und einer hohen Geldstrafe verurteilt worden, weil er sich auf seiner Internetseite kritisch mit Politik und Religion in Saudi-Arabien auseinandergesetzt hatte. Von nun an sollte er 20 Wochen lang jeweils nach dem Freitagsgebet 50 weitere Stockschläge erhalten.

Es sind Geschichten wie die Raif Badawis, die Amnesty International zu einer globalen Kampagne gegen Folter bewegt hat. Der Albtraum Folter ist Realität für unzählige Menschen weltweit. Zwischen 2009 und 2014 hat Amnesty International aus 141 Ländern glaubwürdige Berichte über Folter und Misshandlung erhalten.Trotz absolutem Verbot foltern Regierungen im Verborgenen oder liefern Menschen in Länder aus, wo ihnen Folter droht.

Neben dem Einsatz für einzelne Fälle von Folter und Misshandlung wie Raif Badawis forderte Amnesty im Rahmen der Kampagne, dass Staaten Schutzmaßnahmen ergreifen. So soll Folter verhindert werden, noch bevor sie auftritt. Dazu gehören die medizinische Dokumentation von Folterfällen, die Strafuntersuchung von Foltervorwürfen und das Verbot der Verwendung von erzwungenen Geständnissen vor Gericht.

Die Kampagnenarbeit konzentrierte sich auf fünf Schwerpunktländer, in denen Amnesty International Fälle von Folter und Misshandlung dokumentiert hat: Mexiko, Marokko, Nigeria, die Philippinen und Usbekistan. Es sind nicht die "schlimmsten" Länder. Diese fünf Länder wurden deshalb ausgewählt, weil Folter dort ein großes Problem ist und weil Amnesty glaubt, dass dort mit der Kampagne konkrete Erfolge erzielt werden können, die bestenfalls auch in die Region ausstrahlen.

Auch die Kampagne "Stop Folter" der deutschen Amnesty-Sektion lief von Mai 2014 bis Juni 2016. Allein in Deutschland wurden im Laufe der Kampagne mehr als 842.000 Unterschriften und Appelle gesammelt. Bundesweit machten Aktivistinnen und Aktivisten mit mehr als 500 öffentlichen Aktionen, Podiumsdiskussionen und Informationsständen auf das Schicksal von Folterüberlebenden aufmerksam. An einer Fotoaktion auf Facebook beteiligte sich eine Vielzahl von Personen, die unter dem Motto "Schau nicht weg: Stop Folter" Portraitfotos mit Augenbinden hochgeladen haben.

Foto-Demo: "Schau nicht weg: Stop Folter"

Foto-Demo: "Schau nicht weg: Stop Folter"

Vom 8. bis zum 17. Dezember 2014 lud Amnesty in den temporären "Stop-Folter-Shop" in Berlin ein. Gezeigt wurden Alltagsgegenstände wie Autobatterien, Messer oder Zigaretten, die in vielen Ländern genutzt werden, um Menschen auf grausame Weise zu quälen und zu misshandeln. Daneben informierte eine Plakatausstellung über die weltweite Verbreitung von Folter. Abends fanden Veranstaltungen statt, darunter eine Lesung mit dem Schauspieler Ulrich Noethen, der den Erlebnisbericht eines Folterüberlebenden vortrug. Auch Murat Kurnaz, der viereinhalb Jahre im US-Gefangenenlager Guantánamo inhaftiert war, war zu Gast.

Highlights der Kampagne im Jahr 2015 waren unter anderen die Protestaktionen für die Freilassung von Raif Badawi. Nach den ersten Stockschlägen wurde der weitere Vollzug ausgesetzt. Zur Begründung hieß es, Badawis Gesundheitszustand sei zu schlecht. Ausschlaggebend war aber wohl auch der internationale Druck, an dem Amnesty maßgeblich beteiligt war. Ob in Mexiko, Island, Südkorea oder Deutschland: Rund um den Erdball demonstrierten Amnesty-Aktivistinnen und -Aktivisten gegen die unmenschliche Behandlung Raif Badawis. In nur wenigen Wochen wurden mehr als eine Million Appelle verfasst, die seine Freilassung forderten.

Allein in Deutschland sammelte Amnesty mehr als 210.000 Unterschriften und übergab sie bei Protestaktionen der saudischen Botschaft in Berlin. Quer durch die Republik hielten Amnesty-Mitglieder Mahnwachen ab. Im Mai 2015 nahm auch Badawis Ehefrau, die Aktivistin Ensaf Haidar, die mit den gemeinsamen drei kleinen Kindern nach Kanada geflohen ist, an einer Kundgebung vor der Botschaft teil: "Ich danke Amnesty, und ich danke Raif, der mir beibrachte, durchzuhalten, und beharrlich zu sein". Amnesty wird sie dabei weiter unterstützen und sich auch für die Freilassung weiterer Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger in Saudi-Arabien einsetzen.

Die Kampagne "Stop Folter" ist abgeschlossen, der Kampf gegen die Folter ist damit aber noch nicht zu Ende. Amnesty International wird weiterhin Fälle dokumentieren und die Opfer unterstützen – für eine Welt ohne Folter.

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