Verbleib unbekannt

Ergebnis dieser Urgent Action

Dmytro Koroliov, der ein Jahr lang in geheimer Haft in einer Hafteinrichtung des ukrainischen Inlandgeheimdienstes in Charkiw im Nordosten der Ukraine festgehalten wurde, ist am 2. August freigelassen worden. Zwischen dem 25. Juli und dem 2. August wurden noch mindestens zwölf weitere Gefangene aus der geheimen Haft entlassen.

Dmytro Koroliov ist seit August 2015 in der Ukraine "verschwunden". Nachdem er sich in der Ostukraine kurzzeitig separatistischen Kräften angeschlossen hatte, war er im Januar 2015 festgenommen und zu einer fünfjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Als er am 3. August 2015 auf Bewährung entlassen werden sollte, wurde er laut Angaben seiner Mutter von Angehörigen des Inlandsgeheimdiensts der Ukraine (Sluschba Bespeky Ukrajiny – SBU) entführt. Sie ist in großer Sorge um seine Sicherheit.

Appell an

OBERSTER MILITÄRSTAATSANWALT DER UKRAINE
Anatoliy Matios
Vul. Riznytska 13/15
01601, Kyiv
UKRAINE
(Anrede: Dear Mr Matios / Sehr geehrter Herr Matios)
Fax: (00 380) 44 280 2603
E-Mail: press-service@gp.gov.ua

LEITER DES UKRAINISCHEN INLANDSGEHEIMDIENSTES SBU
Vasyl Hrytsak
Volodymyrska St., 35
01034 Kyiv 34
UKRAINE
(Anrede: Dear Mr Hrytsak / Sehr geehrter Herr Hrytsak)
Fax: (00 380) 44 226 3431
E-Mail: pressinfo@ssu.gov.ua

Sende eine Kopie an

PRÄSIDIALER KONTROLLKOMMISSAR DES UKRAINISCHEN INLANDSGEHEIMDIENSTES SBU
A.M. Polyakh
Vul. Bankova, 11
01220 Kyiv
UKRAINE
Email: polyakh@apu.gov.ua

BOTSCHAFT DER UKRAINE
S. E. Herrn Andrii Melnyk
Albrechtstraße 26
10117 Berlin
Fax: 030-2888 7163
E-Mail: emb_de@mfa.gov.ua

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 7. September 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, FAXE ODER E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Informieren Sie die Familie von Dmytro Koroliov bitte unverzüglich über seinen Verbleib seit dem 3. August 2015 und lassen Sie ihn entsprechend des Gerichtsurteils vom 2. Juli 2015 umgehend frei.

  • Stellen Sie unverzüglich die Praxis des Verschwindenlassens ein und entschädigen Sie alle Betroffenen angemessen.

  • Ich appelliere an Sie, alle Verantwortlichen in Verfahren vor Gericht zu stellen, die den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Reveal Dmytro Koroliov’s fate and whereabouts after 3 August 2015 to his family, and immediately release him in accordance with the court’s decision of 2 July 2015.

  • Immediately end the practice of enforced disappearances, and provide victims with full reparation.

  • Bring those responsible for this practice to justice in proceedings that meet fair trial standards.

Sachlage

Dmytro Koroliov ist ein ehemaliger Bereitschaftspolizist aus der Stadt Saporischschja in der Ostukraine. Im Juni 2014 schloss er sich einen Monat lang den prorussischen Separatisten in der östlichen Ukraine an, bevor er wieder nach Hause zurückkehrte. Am 5. Januar 2015 wurde er festgenommen und am 2. Juli verurteilte man ihn zu einer fünfjährigen Bewährungsstrafe wegen des Vorwurfs, eine rechtswidrige bewaffnete Gruppe gegründet und sich des Wehrdienstes entzogen zu haben. Am 3. August 2015 trat dieses Urteil offiziell in Kraft und Dmytro Koroliov sollte auf Bewährung freigelassen werden. Einige Familienmitglieder warteten an diesem Tag vor der Hafteinrichtung auf ihn. Sie gaben an, lange in der Sonne vor dem Eingang gewartet zu haben, sich dann aber um etwa 14.00 Uhr an einen schattigeren Ort begeben zu haben, von wo aus sie den Eingang nicht mehr länger im Blick hatten. Daraufhin hörten sie Dmytro Koroliov nach Hilfe rufen. Sie eilten zurück zum Eingang der Hafteinrichtung, fanden ihn jedoch nicht vor. Augenzeugenberichten zufolge wurde ein Mann, dessen Beschreibung auf Dmytro Koroliov passt, beim Verlassen der Hafteinrichtung von einigen unbekannten Männern festgehalten und in ein Auto gezwungen, das dann mit ihm davonfuhr. Dem Nummernschild nach gehörte der Wagen dem Inlandsgeheimdienst der Ukraine (Sluschba Bespeky Ukrajiny – SBU).

Im Oktober 2015 erhielt die Mutter von Dmytro Koroliov einen unerwarteten Anruf von ihm, in dem er sie bat, dafür zu sorgen, dass die De-facto-Behörden der Separatistenbewegung in Donezk ihn auf die Liste für den Gefangenenaustausch setzen. Im April, Mai und Juni 2016 erhielt sie weitere Anrufe von ihm, in denen er bestätigte, dass er vom SBU mit der Absicht eines Gefangenenaustauschs in geheimer Haft gehalten werde.

Die Mutter von Dmytro Koroliov erstattete bei den Behörden Anzeige wegen der Entführung ihres Sohnes, und am 8. August 2015 wurde eine offizielle Untersuchung zu seinem "Verschwinden" eingeleitet. Sowohl der SBU als auch andere Stellen haben sich offiziell bei ihr gemeldet und angegeben, nichts über den weiteren Verbleib von Dmytro Koroliov zu wissen, nachdem er am 3. August 2015 aus der Hafteinrichtung entlassen wurde.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 21. Juli veröffentlichten Amnesty International und Human Rights Watch gemeinsam den englischsprachigen Bericht Ukraine: "You Don’t Exist": Arbitrary Detentions, Enforced Disappearances, and Torture in Eastern Ukraine (https://www.amnesty.org/en/documents/eur50/4455/2016/en/). Der Bericht dokumentiert Menschenrechtsverstöße wie zum Beispiel Fälle von Verschwindenlassen in von der Regierung kontrollierten Gebieten. Er liefert zudem Nachweise dafür, dass in Hafteinrichtungen des Inlandsgeheimdienstes (Sluschba Bespeky Ukrajiny – SBU) in Charkiw, Kramatorsk, Isjum und Mariupol Personen rechtswidrig in geheimer Haft gehalten werden. Der Bericht beinhaltet detaillierte und glaubhafte Aussagen von drei Personen, die eigenen Angaben zufolge für einen Zeitraum von sechs Wochen bis 15 Monaten vom SBU rechtswidrig in geheimer Haft gehalten wurden.

Nach Abschluss des Berichts erhielt Amnesty International Informationen über drei weitere Fälle mutmaßlichen Verschwindenlassens durch Angehörige des SBU, darunter die Fälle von Dmytro Koroliov und Oleksandr Dydovych. Weitere Informationen über den Fall von Oleksandr Dydovych finden Sie in UA-166/2016, unter: www.amnesty.de/urgent-action/ua-166-2016/verbleib-seit-april-unbekannt. Ein im Juni 2016 veröffentlichter Bericht der Vereinten Nationen weist ebenfalls darauf hin, dass das Gelände des SBU in Charkiw möglicherweise als inoffizielle Hafteinrichtung genutzt wird. Weitere Informationen finden Sie hier: http://www.ohchr.org/Documents/Countries/UA/Ukraine_14th_HRMMU_Report.pdf.

Als Vertreter_innen von Amnesty International und Human Rights Watch sich im Juli 2016 mit einigen ukrainischen Beamt_innen trafen, teilte man ihnen mit, der SBU unterhalte außer in Kiew keine weiteren Hafteinrichtungen und wende keine geheime Haft an. Gleichzeitig versicherte der Oberste Militärstaatsanwalt der Ukraine, dass alle Vorwürfe aus dem Bericht untersucht würden.

Offizielle Untersuchungen mutmaßlicher Menschenrechtsverstöße, die durch Angehörige ukrainischer Truppen und sogenannter freiwilliger Bataillone zur Bekämpfung separatistischer Kräfte in der Ostukraine begangen worden sein sollen, stellten sich in der Vergangenheit als nicht sonderlich wirkungsvoll heraus.

Kostyantyn Beskorovaynyi wurde 2014 in der Ostukraine Opfer des Verschwindenlassens (siehe UA-017/2016, unter: www.amnesty.de/urgent-action/ua-017-2016/verbleib-unbekannt). Derzeit lebt er in dem Teil der Ukraine, der von der Regierung kontrolliert wird. Er wurde im Februar 2016 aus der geheimen Haft entlassen und wird seinen Angaben zufolge seitdem bedroht und schikaniert, um ihn dazu zu bringen, seine Aussage abzuändern und eine andere Erklärung für seine 15-monatige Abwesenheit von zuhause und von seinem Arbeitsplatz anzuführen.

Beide Seiten des Konflikts im Donbass in der Ostukraine begannen im Frühjahr 2014 mit einem Gefangenenaustausch, in dessen Verlauf es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Amnesty International und Human Rights Watch präsentieren in ihrem Bericht Nachweise dafür, dass die Inhaftierten in einigen Fällen effektiv als "Tauschobjekte" eingesetzt werden.