Hinrichtungen stoppen!

Diese Urgent Action ist beendet.

In der letzten Woche der Trump-Regierung sind den USA zwei Männer und eine Frau hingerichtet worden, die auf US-Bundesebene zum Tode verurteilt worden waren. Somit wurden in den vergangenen sechs Monaten insgesamt 13 auf Bundesebene verhängt Todesurteile vollstreckt. Die Verfahren gegen die Hingerichteten waren von Willkür, mangelhafter rechtlicher Vertretung und rassistischer Voreingenommenheit gekennzeichnet und schlossen – entgegen dem Völkerrecht und Menschenrechtsstandards – Menschen mit schweren psychosozialen und intellektuellen Einschränkungen ein.

Auf den Treppen vor einem großen Gebäude stehen 18 Personen mit einem Banner mit der Aufschrift "Stop Executions!". Um die Aktivist_innen versammeln sich Polizisten.

Zwei Männer und eine Frau, die auf Bundesebene zum Tode verurteilt wurden, sollen in den letzten zwei Wochen der Amtszeit von Präsident Trump hingerichtet werden. Im Juli 2020 ließen die US-Behörden nach 17 Jahren zum ersten Mal wieder ein auf Bundesebene verhängtes Todesurteil vollstrecken. Seitdem haben sie mit tödlichen Injektionen eine beispiellose Zahl von Hinrichtungen durchgeführt. Damit handeln sie gegen den Trend zur Abschaffung der Todesstrafe in den USA und weltweit. Die Fälle der zur Hinrichtung ausgewählten Personen sind von Willkür, mangelhafter rechtlicher Vertretung und rassistischer Voreingenommenheit gekennzeichnet und schließen – entgegen dem Völkerrecht und Menschenrechtsstandards – Menschen mit schweren psychosozialen und intellektuellen Einschränkungen ein.

Appell an

Acting Attorney General Jeff Rosen

U.S. Department of Justice

950 Pennsylvania Avenue, NW

Washington, DC 20530-0001

USA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika

Frau Robin Suzanne Quinville

Geschäftsträgerin a.i.


Clayallee 170

14195 Berlin


Fax: 030-83 05 10 50 oder 030 831 49 26

E-Mail: feedback@usembassy.de

Amnesty fordert:

  • Ich bitte Sie, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, dass die geplanten Hinrichtungen nicht vollstreckt werden und dem Teufelskreis der Gewalt ein Ende gesetzt wird.

Sachlage

Drei Personen, die auf Bundesebene zum Tode verurteilt wurden, sollen in den letzten zwei Wochen der Amtszeit von Präsident Trump hingerichtet werden: Lisa Montgomery am 12. Januar 2021, Corey Johnson am 14. Januar und Dustin Higgs am 15. Januar. Ihre Rechtsbeistände weisen darauf hin, dass auch in ihren Fällen Mängel und Willkür, die seit Langem mit der Verhängung von Todesurteilen in den USA einhergehen, vorliegen. Die Todesurteile müssen aufgehoben werden. Zudem sollte in noch anhängigen Gerichtsverfahren nicht mehr die Todesstrafe gefordert werden.

Dreizehn Todesurteile vollstrecken zu wollen, ist eine beispiellose Initiative der Trump-Regierung und widerspricht dem Trend in den USA und weltweit, keine Todesurteile mehr zu verhängen bzw. zu vollstrecken. Sollten alle anberaumten Hinrichtungen vollstreckt werden, wird die scheidende US-Regierung für mehr als die Hälfte der jährlich verzeichneten Hinrichtungen der letzten Jahre in den USA verantwortlich sein.

Die kompromisslose Anwendung der Todesstrafe in den vergangenen Monaten hat nicht nur neue Belege für die Mängel und Willkür zutage gefördert, die schon lange das Todesstrafensystem in den USA prägen. Zudem offenbart dieses Vorgehen eine behördliche Missachtung der Schutzmaßnahmen und Beschränkungen, die unter dem Völkerrecht und internationalen Standards festgelegt sind, um die Rechte von zum Tode verurteilten Menschen zu gewährleisten. Rassistische Voreingenommenheit und fehlerhafte anwaltliche Vertretung der Angeklagten sind zwei der häufigsten Faktoren, die zu falschen Entscheidungen über Tod oder Leben beitragen. Betroffen davon sind auch Menschen mit schweren geistigen und intellektuellen Beeinträchtigungen. Amnesty International fordert den Justizminister auf, zu intervenieren und die dringend nötige Revision des Todesstrafensystems in den USA einzuleiten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Seit der Wiederaufnahme der Hinrichtungen auf Bundesebene im Juli 2020 hat die Trump-Regierung nach 17 Jahren ohne Hinrichtungen die Todesurteile von insgesamt zehn Männern vollstrecken lassen und plant weitere drei Hinrichtungen in den letzten Wochen im Amt, darunter auch die der einzigen Frau, die sich auf Bundesebene im Todestrakt befindet. Sollten alle Todesurteile vollstreckt werden, wird die Trump-Regierung in sieben Monaten 13 Menschen hingerichtet haben. Das ist ein trauriger Rekord, nicht nur weil in den 40 Jahren seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen in den USA zwischen Juli 1977 und Juni 2020 nur drei Todesurteile auf Bundesebene vollstreckt wurden, sondern auch, weil es mehr als die Hälfte aller jährlichen Hinrichtungen der jüngsten Jahre (22 in 2019, 25 in 2018) wären. Zum ersten Mal seit über 130 Jahren wurde die Vollstreckung von Hinrichtungen in der Übergangszeit der alten zur neuen Präsidentschaft genehmigt.

Justizminister Barr wurde von vielen Seiten aufgefordert, die Hinrichtungen zu stoppen, kürzlich erst von fast 100 aktuellen und ehemaligen gewählte Staatsanwält_innen, Justizminister_innen einzelner Bundesstaaten und ihre Vertreter_innen, hochrangigen Beamt_innen der Strafverfolgungsbehörden und ehemaligen Staatsanwält_innen der Bundesbezirksgerichte sowie Angehörigen des Justizministeriums. Derzeit ist die Todesstrafe in 22 US-Bundesstaaten sowie im Distrikt Columbia abgeschafft, und in elf Bundesstaaten sind seit mehr als zehn Jahren keine Todeskandidat_innen mehr hingerichtet worden. Nach heutigem Stand haben 142 Länder die Todesstrafe entweder per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft. Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld der Person oder der Hinrichtungsmethode, da sie die brutalste, unmenschlichste und erniedrigendste Art der Bestrafung darstellt.

Die Trump-Regierung hat Hinrichtungen durchführen lassen, bei denen gegen internationale Beschränkungen für die Verhängung von Todesurteilen gemäß internationalen Menschenrechtsnormen und -standards verstoßen wurde. Unter anderem haben die Verteidiger_innen und Amnesty International darauf hingewiesen, dass die Hinrichtung von Daniel Lewis Lee am 14. Juli mehr als 16 Stunden nach seinem ursprünglich angesetzten Hinrichtungstermin vollstreckt wurde, obwohl sein Rechtsbeistand nicht mit angemessenem Vorlauf über die Neuterminierung unterrichtet wurde und noch mehrere Rechtsmittel anhängig waren.

Wesley Ira Purkey wurde am 16. Juli 2020 um 8:19 Uhr für tot erklärt, ebenfalls 16 Stunden nach seinem ursprünglich angesetzten Hinrichtungstermin. Seine Rechtsbeistände beantragten vor dem Bezirksgericht in Columbia einen Hinrichtungsaufschub mit der Begründung, dass ihr Mandant unter Alzheimer litt und zusätzlich mit einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer bipolaren Störung, einer psychotischen Störung sowie mit Schizophrenie und starker Depression diagnostiziert worden war. All dies bedeutet, dass es verfassungswidrig war, ihn hinzurichten. Zudem verbietet das Völkerrecht die Anwendung der Todesstrafe gegen Menschen mit geistigen Behinderungen. Das Bezirksgericht gab dem Hinrichtungsaufschub statt, doch der Oberste Gerichtshof der USA kippte dieses Urteil in einer knappen 5:4-Entscheidung in den frühen Morgenstunden des 16. Juli, ohne einen Grund dafür anzugeben. Zu diesem Zeitpunkt war die ursprüngliche Hinrichtungsanordnung bereits ausgelaufen.

Dustin Honken wurde am 17. Juli 2020 hingerichtet. Seine Rechtsbeistände wiesen darauf hin, dass sein Verfahren und die Strafzumessung von Fehlverhalten und inadäquater rechtlicher Vertretung gekennzeichnet waren. Seine rechtliche Vertretung informierte die Geschworenen zum Beispiel nicht über seine geistige Behinderung und einige relevante Details in seiner Vergangenheit.

Lezmond Mitchell, ein Angehöriger der Navajo, wurde am 26. August 2020 hingerichtet. Das Todesurteil wurde vollstreckt, obwohl die Interamerikanische Menschenrechtskommission einen Hinrichtungsaufschub beantragt hatte. Die folgenden Gründe waren Anlass für diesen Antrag: Lezmond Mitchell hatte kein faires Gerichtsverfahren erhalten, und eine Hinrichtung verletzt das Recht auf die kulturelle Identität der Navajo-Nation und untergräbt ihr Recht auf Selbstbestimmung, weil sie sich aktiv gegen die Todesstrafe an ihren Angehörigen wehren. Die Rechtsbeistände von Lezmond Mitchell äußerten die Vermutung, dass die Auswahl der Geschworenen und das richterliche Urteil durch rassistische Diskriminierung beeinflusst wurden.

Die Hinrichtung von Keith Dwayne Nelson wurde am 28. August 2020 vollstreckt. Seine Rechtsbeistände zeigten auf, wie seine wirkungslose rechtliche Vertretung während des Verfahrens zu grundlegenden Fehlern geführt hatte. So erfuhren die Geschworenen beispielsweise nie von den strafmildernden Umständen in seinem Fall, darunter der wiederholte sexuelle und körperliche Missbrauch in seiner traumatischen Kindheit.

William Emmet LeCroy wurde am 22. September 2020 hingerichtet. Seine Rechtsbeistände hatten gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt und argumentiert, dass die wirkungslose rechtliche Vertretung während des Gerichtsprozesses dazu führte, dass strafmildernde Umstände, wie sexueller Missbrauch in seiner Kindheit oder seine langjährige geistige Behinderung, den Geschworenen nicht angemessen dargelegt wurden. Die Gerichte wiesen die Rechtsmittel jedoch zurück.

Das Todesurteil von Christopher Vialva wurde am 24. September 2020 vollstreckt. Er war einer Straftat für schuldig befunden worden, die er begangen haben soll, als er 19 Jahre alt war. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass die volle Entwicklung des Gehirns und die psychologische und emotionale Reife erst zwischen 20 und 30 Jahren eintreten. Seine Rechtsbeistände zeigten sich besorgt über die wirkungslose rechtliche Vertretung, die ihm zur Seite gestellt wurde. Dadurch wurden Beweise für seine traumatische Kindheit und für seine geistigen Behinderungen gar nicht erst untersucht. Er war der erste Schwarze, den die US-Regierung seit der Wiederaufnahme der Todesstrafe hingerichtet hat.

Orlando Hall, auch er Schwarzer, wurde am 19. November 2020 hingerichtet. 1995 war er von einer Jury aus weißen Geschworenen verurteilt worden, nachdem die Staatsanwaltschaft bei der Geschworenenauswahl vier der fünf schwarzen wählbaren Kandidat_innen für die Jury ausschloss. Die Hinrichtung von Orlando Hall ist seit 1889 die erste Hinrichtung, die in der Übergangszeit der alten zur neuen Präsidentschaft genehmigt wurde.

Das Todesurteil von Brendon Bernard wurde am 10. Dezember 2020 vollstreckt. Er war zum Zeitpunkt der Straftat gerade einmal 18 Jahre alt.

Alfred Bourgeois, der eine intellektuelle Beeinträchtigung hatte, wurde am 11. Dezember 2020 hingerichtet.

Alle zehn Todesurteile wurden im Bundesgefängnis Terre Haute in Indiana vollstreckt.