Drohende Hinrichtungen

Diese Urgent Action ist beendet.

In der letzten Woche der Trump-Regierung sind den USA zwei Männer und eine Frau hingerichtet worden, die auf US-Bundesebene zum Tode verurteilt worden waren. Somit wurden in den vergangenen sechs Monaten insgesamt 13 auf Bundesebene verhängt Todesurteile vollstreckt. Die Verfahren gegen die Hingerichteten waren von Willkür, mangelhafter rechtlicher Vertretung und rassistischer Voreingenommenheit gekennzeichnet und schlossen – entgegen dem Völkerrecht und Menschenrechtsstandards – Menschen mit schweren psychosozialen und intellektuellen Einschränkungen ein.

Ein Polizist läuft auf eine Gruppe von Demonstrierenden zu, die ein Banner gegen die Todesstrafe und Regenschirme in der Hand halten.

Am 14. Juli haben die US-Behörden unter Präsident Donald Trump nach 17 Jahren zum ersten Mal wieder ein Todesurteil vollstrecken lassen, das auf Bundesebene verhängt worden war. Fünf Männer wurden innerhalb von sieben Wochen hingerichtet und die Hinrichtungen von zwei weiteren Männern sollen am 22. bzw. 24. September vollzogen werden. Angesichts der globalen Anstrengungen, die Todesstrafe abzuschaffen, fordert Amnesty International, die Todesurteile aufzuheben und jegliche Pläne für weitere Hinrichtungen zu verwerfen.

Appell an

Attorney General William Barr

U.S. Department of Justice

950 Pennsylvania Avenue, NW

Washington, DC 20530-0001

USA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika

Frau Robin Suzanne Quinville

Geschäftsträgerin a.i.

Pariser Platz 2

10117 Berlin


Fax: 030-83 05 10 50

E-Mail: feedback@usembassy.de

Amnesty fordert:

  • Ich bitte Sie, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, dass die geplanten Hinrichtungen nicht vollstreckt werden und dem Teufelskreis der Gewalt ein Ende gesetzt wird.

Sachlage

Die kompromisslose Anwendung der Todesstrafe durch das US-Justizministerium, das auch die Rolle der Generalstaatsanwaltschaft innehat, in den vergangenen Monaten hat neue Belege für Fehler und Willkür zutage gebracht, die schon lange das Todesstrafensystem in den USA prägen. Zudem zeigte dieses Vorgehen die brutale behördliche Missachtung der Sicherheitsmaßnahmen und Beschränkungen, die unter dem Völkerrecht und internationalen Standards festgelegt sind, um die Rechte von zum Tode verurteilten Menschen zu gewährleisten. Rassistische Voreingenommenheit und fehlerhafte anwaltliche Vertretung der Angeklagten sind zwei der häufigsten Faktoren, die zu falschen Entscheidungen über Tod oder Leben beitragen. Betroffen davon sind auch Menschen mit schweren geistigen und intellektuellen Beeinträchtigungen. Amnesty International fordert den Justizminister auf, zu intervenieren und die dringend nötige Revision des Todesstrafensystems in den USA einzuleiten.

Derzeit ist die Todesstrafe in 22 US-Bundesstaaten abgeschafft, und in 11 Bundesstaaten sind seit mehr als zehn Jahren keine Todeskandidat_innen mehr hingerichtet worden. Die Zahl der Hinrichtungen und Todesurteile in den USA war 2019 vergleichsweise niedrig. Ähnliche Trends sind auch weltweit sichtbar. 2019 waren für 86% der registrierten Hinrichtungen (ausgenommen China) nur vier Länder verantwortlich: Iran, Saudi-Arabien, Irak und Ägypten.

Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und ohne Ausnahme ab, ungeachtet der Art und Umstände des Verbrechens, der Schuld oder Unschuld der Person oder der Hinrichtungsmethode. Amnesty International setzt sich in allen Fällen für die Abschaffung der Todesstrafe ein.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 14. Juli haben die US-Behörden nach 17 Jahren zum ersten Mal wieder ein Todesurteil vollstreckt, das auf Bundesebene verhängt worden war. Daniel Lewis Lee wurde am 14. Juli um 8:07 Uhr für tot erklärt, mehr als 16 Stunden nach seinem ursprünglich angesetzten Hinrichtungstermin. Um 7:36 Uhr räumte das zuständige Bundesberufungsgericht (Eighth Circuit Court of Appeals) die letzten rechtlichen Hindernisse aus dem Weg und erklärte die Exekution schließlich für zulässig. Daniel Lewis Lee wurde umgehend mit der Giftspritze hingerichtet, obwohl noch einige Rechtsmittel anhängig waren. Sein Rechtsbeistand wurde nicht mit angemessenem Vorlauf informiert.

Wesley Ira Purkey wurde am 16. Juli um 8:19 Uhr für tot erklärt, ebenfalls 16 Stunden nach seinem ursprünglich angesetzten Hinrichtungstermin. Seine Rechtsbeistände beantragten vor dem Bezirksgericht in Columbia einen Hinrichtungsaufschub mit der Begründung, dass Wesley Ira Purkey unter Alzheimer leidet und zusätzlich mit einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, einer bipolaren Störung, einer psychotischen Störung sowie mit Schizophrenie und starker Depression diagnostiziert worden war. All dies bedeutet, dass es verfassungswidrig war, ihn hinzurichten. Zudem verbietet das Völkerrecht die Anwendung der Todesstrafe gegen Menschen mit geistigen Behinderungen. Das Bezirksgericht gab dem Hinrichtungsaufschub statt, doch der Oberste Gerichtshof der USA kippte dieses Urteil in einer knappen 5:4-Entscheidung in den frühen Morgenstunden des 16. Juli, ohne einen Grund dafür anzugeben. Zu diesem Zeitpunkt war die ursprüngliche Hinrichtungsanordnung bereits ausgelaufen.

Dustin Honken wurde am 17. Juli hingerichtet. Seine Rechtsbeistände wiesen darauf hin, dass sein Verfahren und die Strafzumessung von Fehlverhalten und inadäquater rechtlicher Vertretung gekennzeichnet waren. Seine rechtliche Vertretung informierte die Geschworenen zum Beispiel nicht über seine geistige Behinderung und einige relevante Details in seiner Vergangenheit.

Lezmond Mitchell, ein Angehöriger der Navajo, wurde am 26. August hingerichtet. Die Hinrichtung wurde vollstreckt, obwohl die Interamerikanische Menschenrechtskommission einen Hinrichtungsaufschub beantragt hatte. Die folgenden Gründe waren Anlass für den Aufschubsantrag: Lezmond Mitchell hatte kein faires Gerichtsverfahren erhalten und eine Hinrichtung verletzt das Recht auf die kulturelle Identität der Navajo-Nation und untergräbt ihr Recht auf Selbstbestimmung, weil sie sich aktiv gegen die Todesstrafe an ihren Angehörigen wehren. Die Rechtsbeistände von Lezmond Mitchell erhoben die Vermutung, dass die Auswahl der Geschworenen und das Urteil des_r Richter_in durch rassistische Diskriminierung beeinflusst wurden.

Die Hinrichtung von Keith Dwayne wurde am 28. August vollstreckt. Seine Rechtsbeistände zeigten auf, wie die wirkungslose rechtliche Vertretung während des Verfahrens zu grundlegenden Fehlern geführt hatte. So erfuhren die Geschworenen beispielsweise nie von den strafmildernden Umständen in seinem Fall, darunter der wiederholte sexuelle und körperliche Missbrauch in seiner traumatischen Kindheit.

Alle fünf Todesurteile wurden im Bundesgefängnis Terre Haute in Indiana vollstreckt. Die Durchsetzung dieser Hinrichtungen trotz Umständen wie übereilte Verschiebung von Hinrichtungsterminen, Vollstreckung von Todesurteilen trotz abgelaufener Hinrichtungsbefehle sowie anhängiger Rechtsmittel verdeutlicht, dass die US-Behörden internationale Schutzmaßnahmen, die bei Todesstrafen beachtet werden müssen, grundsätzlich missachten. Hier zeigen sich Fehler und Willkür, die schon lange das Todesstrafensystem in den USA prägen. In seinem abweichenden Urteil im Verfahren Barr gegen Purkey, unterstützt von Richterin Ruth Bader Ginsburg, erklärte der Richter des Obersten Gerichtshofes, Stephen Breyer: "Die US-Regierung hat nach einem 17-jährigen Stopp erneut begonnen, Hinrichtungen durchzuführen. Schon die allerersten Fälle weisen dieselben grundlegenden Fehler auf, die seit langem in vielen Fällen auf bundesstaatlicher Ebene vorhanden sind. Dass diese Probleme so schnell aufgetaucht sind, deutet darauf hin, dass nicht eine bestimmte Rechtsprechung oder die Arbeit eines bestimmten Gerichts, eines_r bestimmten Staatsanwält_in, oder eines bestimmten Rechtsbeistands fehlerhaft ist, sondern die Strafe an sich. Ein modernes Strafjustizsystem muss hinreichend genau, gerecht, menschlich und zeitgemäß sein. Unsere letzten Erfahrungen mit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen durch die US-Regierung machen deutlich, dass die Todesstrafe nicht mit diesen Werten vereinbar ist. Ich bleibe der Überzeugung, dass es wichtig ist, die Verfassungskonformität der Todesstrafe an sich zu überdenken."