Drohende Abschiebung

Diese Urgent Action ist beendet.

Am 15. Februar wurde Ali Feruz freigelassen und kam wenige Stunden später in Deutschland an. Der Oberste Gerichtshof Russlands hatte am 25. Januar entschieden, die Rechtsmittel des Aktivisten zu akzeptieren und die Entscheidung von 2017 zu revidieren, ihn nach Usbekistan abzuschieben. Ali Feruz war seit August 2017 in Haft, weil er gegen die Richtlinien seines Aufenthalts in Russland verstoßen haben soll.

Der Journalist und LGBTI-Aktivist Ali Feruz

Dem Journalisten und LGBTI-Aktivisten Ali Feruz droht die Abschiebung

Am 1. August entschied das Bezirksgericht Basmanny in Moskau, dass der offen schwul lebende Journalist und Aktivist Khudoberdi Nurmatov (auch bekannt als Ali Feruz) von Russland nach Usbekistan abgeschoben werden soll. Bei einer Abschiebung drohen ihm in Usbekistan Folter und die Inhaftierung aufgrund seiner sexuellen Orientierung. Er hat nun neun Tage Zeit, um Rechtsmittel gegen die geplante Abschiebung einzulegen.

Appell an

Generalstaatsanwalt

Yuriy Yakovlevich Chaika

Prosecutor General’s Office

ul. B. Dmitrovka, d.15a

125993 Moskau GSP -3

RUSSISCHE FÖDERATION

Sende eine Kopie an

Ombudsfrau für Menschenrechte der Russischen Föderation

Tatiana Nikolaevna Moskalkova

ul. Miasnitskaia, 47

107084 Moskau

RUSSISCHE FÖDERATION

Fax: (00 7) 495 607-7470 / -3977

Botschaft der Russischen Föderation

S. E. Herrn Vladimir M. Grinin

Unter den Linden 63-65

10117 Berlin

Fax: 030-2299 397

Amnesty fordert:

  • Bitte schieben Sie Khudoberdi Nurmatov, der auch als Ali Feruz bekannt ist, nicht nach Usbekistan ab, da ihm dort Folter und andere Misshandlungen sowie die Inhaftierung aufgrund seiner sexuellen Orientierung drohen.
  • Ergreifen Sie bitte alle notwendigen Schritte, um ihn wirksam vor einer Entführung nach Usbekistan zu schützen.
  • Gewähren Sie Khudoberdi Nurmatov bitte den Flüchtlingsstatus in Russland.

Sachlage

Khudoberdi Turgunalievich Nurmatov, Aktivist und Journalist der Zeitung Novaya Gazeta, besser bekannt unter seinem Pseudonym Ali Feruz, wurde am 1. August von der Polizei zur vermeintlichen Identitätsfeststellung aufgehalten. Der offen schwul lebende Journalist zeigte seinen Presseausweis, aber der Polizist nahm ihn fest und brachte ihn zum Polizeirevier des Basmanny-Bezirks. Dort wurde ihm nach Paragraf 18.8 Punkt 3.1 des Russischen Ordnungswidrigkeitsgesetzbuches "ein Verstoß gegen die Regelung für die Einreise in die und den Aufenthalt in der Russischen Föderation für Ausländer" vorgeworfen. Anschließend wurde er zum Moskauer Basmanny-Gericht gebracht. Der Richter verhängte eine Geldstrafe von 5000 Rubel (etwa 68 Euro) gegen Khudoberdi Nurmatov und ordnete seine Abschiebung nach Usbekistan an. Der Journalist wurde noch im Gerichtssaal festgenommen und in Abschiebehaft genommen. Ihm wurden zehn Tage gegeben, um Rechtsmittel einzulegen. Bei einer Abschiebung nach Usbekistan drohen Khudoberdi Nurmatov schwere Menschenrechtsverletzungen, unter anderem Folter, zudem Verfolgung und – im Falle einer Verurteilung – Haft aufgrund seiner sexuellen Orientierung (einvernehmlicher Geschlechtsverkehr zwischen Männern gilt in Usbekistan als Straftat).

Bei der Anhörung versicherte der Journalist, dass er das Russische Einwanderungsgesetz nicht verletzt habe, sondern während der vergangenen drei Jahre immer wieder versucht habe, in Russland Asyl zu erhalten, und dass er Rechtsmittel gegen die letzte Ablehnung eingelegt habe. Khudoberdi Nurmatov ist in Russland geboren und aufgewachsen. Nachdem er in Russland seinen Schulabschluss gemacht hatte, ging er nach Usbekistan und erhielt die usbekische Staatsangehörigkeit. Kurze Zeit später ging er jedoch zurück nach Russland und schrieb sich an der Universität ein. Er sagt, dass sein Aufenthalt in Russland rechtmäßig sei und dass seine Mutter sowie seine Schwester und sein Bruder russische Staatsangehörige sind. Die Polizei macht hingegen geltend, dass sich der Journalist seit dem Jahr 2011 unrechtmäßig im Land befindet und dass die Rechtsmittel, welche Khudoberdi Nurmatov gegen die letzte Ablehnung seines Asylantrages eingelegt hatte, vom Gericht nicht angenommen wurden. Darüber, so stellte sich heraus, war Khudoberdi Nurmatov nicht informiert worden.

Amnesty International hat zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Migrant_innen aus Russland nach Usbekistan abgeschoben wurden, einschließlich Fällen von Entführung und Verschwindenlassen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Khudoberdi Nurmatov wurde im Februar 1986 geboren. Er schreibt unter dem Pseudonym Ali Feruz für die unabhängige Zeitung Novaya Gazeta und behandelt Themen wie die Rechte von Menschen mit Behinderungen und die Rechte von Flüchtlingen und Migrant_innen aus Zentralasien. Er besitzt die usbekische Staatsangehörigkeit, wurde aber in Russland geboren und verbrachte dort auch seine Kindheit. 2008 sah er sich gezwungen, Usbekistan zu verlassen, nachdem er von Angehörigen des usbekischen Geheimdienstes inhaftiert und gefoltert worden war, als er sich weigerte, als Informant für den Geheimdienst tätig zu sein.

Seiner Arbeitskollegin Elena Kostiuchenko zufolge wurde Khudoberdi Nurmatov in der Nähe der Musikschule festgenommen, an der er Gesangsstunden nahm und wo die Polizei auf ihn zu warten schien.

Er wurde dort am 16. März von der Polizei festgenommen und wegen Verwaltungsstraftaten im Zusammenhang mit seinem Einwanderungsstatus in Russland angeklagt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich sein Antrag auf vorübergehendes Asyl in Russland noch in Bearbeitung. Er hatte daher bis zu einer Entscheidung über seinen Status und bis zur Ausschöpfung aller Rechtsmittel das Recht, sich in Russland aufzuhalten und wurde wieder freigelassen. Später erfuhr er, dass sein Antrag auf vorübergehendes Asyl abgelehnt wurde und legte beim Gericht des Stadtbezirks Zamoskvoretsky Rechtsmittel ein. Das Gericht lehnte diese ab, benachrichtigte Khudoberdi Nurmatov allerdings nicht an seiner Postadresse. Von der Ablehnung erfuhr Khudoberdi Nurmatov erst durch die Polizei bei seiner Anhörung am 1. August.

Bei einer Rückführung nach Usbekistan drohen Khudoberdi Nurmatov, wie schon vielen Menschen vor ihm, Haft ohne Kontakt zur Außenwelt, Folter und andere Misshandlungen sowie ein unfaires Gerichtsverfahren. Sollte er in Usbekistan ins Gefängnis kommen, müsste er eine lange Haftstrafe unter grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen verbüßen.

Recherchen von Amnesty International haben ergeben, dass seit 2014 Hunderte Asylsuchende, Geflüchtete und Arbeitsmigrant_innen unter Verletzung der menschenrechtlichen Verpflichtungen Russlands von dort nach Usbekistan entführt oder dahin abgeschoben wurden. Die Verwicklung der russischen Behörden in die Entführungen von Personen ähnelt einer Mittäterschaft. Zudem suchen die Behörden nach anderen Wegen, um ihre internationalen Verpflichtungen zu umgehen. Sie haben verwaltungstechnische Mittel eingesetzt und Personen wegen Verwaltungsstraftaten nach Usbekistan abgeschoben, obwohl ihnen dort Folter droht. Die Zahl der aus Russland nach Usbekistan abgeschobenen Menschen beläuft sich auf mehrere Hundert. Viele dieser Personen haben sich in Russland erfolglos um Asyl bemüht.

Die russischen Behörden akzeptieren nach wie vor ohne Überprüfung die Zusagen der usbekischen Behörden, dass Personen bei der Rückkehr nach Usbekistan nicht gefoltert werden, und haben keinen einzigen Entführungsfall usbekischer Staatsangehöriger in Russland, der ihnen gemeldet wurde, zielführend untersucht. Für weitere Informationen siehe den englischsprachigen Bericht Usbekistan: Fast-track to torture: abductions and forcible returns from Russia to Uzbekistan (https://www.amnesty.org/en/documents/eur62/3740/2016/en/) und Amnesty Internationals englischsprachige Vorlage beim Ministerausschuss des Europarates:  Garabayev V. Russian Federation (No.38411/02) Group of Cases (https://www.amnesty.org/en/documents/eur62/5839/2017/en/).