Erneut Haftverlängerung: Sorge um Anwalt

Portrait eines Mannes mittleren Alters, der in die Kamera lacht

Der Menschenrechtsanwalt Ding Jiaxi

Der ehemalige Menschenrechtsanwalt Ding Jiaxi, der seit etwa einem Jahr unter dem Vorwurf "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" in Haft ist, hat weiterhin keinen Kontakt zur Außenwelt. Seine Haftzeit ist nun erneut verlängert worden, da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien – diesmal bis zum 19. Januar 2021. Ding Jiaxi war am 26. Dezember 2019 nach der Teilnahme an einem Treffen in Xiamen von der Polizei festgenommen worden. Er hat weder Kontakt zu seiner Familie noch Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl und ist daher weiterhin in Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.

Appell an

Director Li Dengquan

Linyi Shi Public Security Bureau

7 Shanghai Lu, Lanshan Qu

Linyi Shi, Shandong Sheng

VOLKSREPUBLIK CHINA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Volksrepublik China

S. E. Herrn Ken Wu


Märkisches Ufer 54

10179 Berlin


Fax: 030-27 58 82 21

E-Mail: presse.botschaftchina@gmail.com

 

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Ding Jiaxi bitte umgehend und bedingungslos frei, es sei denn es existieren glaubwürdige und zulässige Beweise dafür, dass er eine international als Straftat anerkannte Handlung begangen hat, und er erhält ein Verfahren, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass er bis zu seiner Freilassung regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu seiner Familie und Rechtsbeiständen seiner Wahl erhält, und dass er nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird.
  • Beenden Sie die Schikane und Festnahme anderer Menschenrechtler_innen, die lediglich friedlich ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit sowie andere Menschenrechte wahrnehmen.

Sachlage

Der ehemalige Menschenrechtsanwalt Ding Jiaxi (丁家喜) ist wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" (颠覆国家政权罪) angeklagt worden, weil er friedlich sein Recht auf Vereinigungsfreiheit wahrgenommen hat. Nachdem er am 26. Dezember 2019 nach einem informellen Treffen mit anderen Menschenrechtler_innen festgenommen worden war, wird er ohne Kontakt zur Außenwelt im Bezirksgefängnis Linyi in Haft gehalten. Die Bewilligung einer weiteren Verlängerung der Ermittlungen bedeutet, dass Ding Jiaxi auch bis zum 19. Januar 2021 keinen Kontakt zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl haben wird.

Die Festnahme und Inhaftierung von Ding Jiaxi und der anderen Menschenrechtsverteidiger_innen, die an dem Treffen in Xiamen teilgenommen hatten, widerspricht internationalen Menschenrechtsnormen und verstößt u. a. gegen die Rechte auf Freiheit und Vereinigungsfreiheit. Am 23. März 2020 zeigten sich Menschenrechtsexpert_innen der Vereinten Nationen äußerst besorgt um Ding Jiaxi und zwei weitere Menschenrechtler, die nach dem Treffen in Xiamen dem Verschwindenlassen zum Opfer fielen. Die UN-Expert_innen sahen es als besorgniserregend an, dass die chinesische Regierung nach wie vor Gesetze über die nationale Sicherheit anwendet, um Menschenrechtler_innen ins Visier zu nehmen, die friedlich von ihrem Recht auf Vereinigungsfreiheit und anderen Rechten Gebrauch machen.

Ding Jiaxi wird jetzt noch weiter ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Seine Familie und sein Rechtsbeistand haben keinerlei Möglichkeit, seinen körperlichen und psychischen Zustand zu überprüfen. Aufgrund fehlender Schutzmechanismen drohen ihm unmittelbar Folter und andere Formen der Misshandlung.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ding Jiaxi, Dai Zhenya und Zhang Zhongshun gehörten zu den vielen Rechtsbeiständen und Aktivist_innen, die im Dezember 2019 an einem informellen Treffen in Xiamen, einer Stadt an der Südostküste, teilnahmen. Viele der Teilnehmer_innen waren aktiv an der Neuen Bürgerbewegung beteiligt, einem Netzwerk, das sich in den 2010er-Jahren friedlich für mehr Transparenz in der Regierung und ein Ende der Korruption einsetzte. Auf dem Treffen wurden das Zeitgeschehen und die aktuelle Lage für die Zivilgesellschaft in China besprochen. Seit dem 26. Dezember 2019 lädt die Polizei im ganzen Land Teilnehmende dieses Treffens vor oder nimmt sie fest.

Dai Zhenya und Zhang Zhongshun wurden am 18. Juni gegen Kaution aus der Haft entlassen. Am 19. Juni erhielt die Familie von Ding Jiaxi einen Haftbefehl von der Polizei von Linyi in der Provinz Shandong, in dem es hieß, dass Ding Jiaxi wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" in Haft genommen worden sei. Amnesty International geht davon aus, dass er weiterhin in der Hafteinrichtung von Linyi festgehalten wird.

Im März 2020 äußerten sich UN-Menschenrechtsexpert_innen besorgt über das Verschwinden von Ding Jiaxi, Dai Zhenya und Zhang Zhongshun.

Im chinesischen Strafverfahrensrecht können Tatverdächtige während der Ermittlungen maximal zwei Monate inhaftiert werden. Wenn eine Untersuchung in diesem Zeitraum nicht abgeschlossen werden kann, ist es nach Bewilligung durch die entsprechenden Behörden jedoch möglich, mehrere Haftverlängerungen zu verhängen. Das Gesetz legt nicht fest, wieviele Haftverlängerungen gestattet sind.

Diese jüngste Verlängerung ist bereits die dritte im Fall von Ding Jiaxi.

Im chinesischen Strafverfahrensrecht haben Inhaftierte auch dann das Recht auf einen Rechtsbeistand während der Ermittlungsphase, wenn sich die Anschuldigungen auf die nationale Sicherheit beziehen. Doch bei Vorwürfen im Zusammenhang mit der nationalens Sicherheit muss der Zugang zu einem Rechtsbeistand von den Behörden genehmigt werden, die mit der Untersuchung betraut sind. Diese Genehmigung wird selten erteilt.

Ding Jiaxi ist ein ehemaliger Menschenrechtsanwalt aus Peking, der aktiv an der Neuen Bürgerbewegung beteiligt war. Er machte sich für die Rechte der Kinder von Arbeitsmigrant_innen stark und forderte Transparenz in der Regierung. Im April 2014 wurde er wegen "Versammlung einer Menschenmenge, um die öffentliche Ordnung zu stören" zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt. Im Jahr 2018 hinderte man ihn daran, einen Flug in die USA anzutreten, wo seine Frau und seine Tochter leben. 2019 verboten ihm die Behörden, nach Hongkong zu reisen, da er "die nationale Sicherheit und die nationalen Interessen gefährden" könnte.

Xu Zhiyong, ein bekannter chinesischer Rechtsgelehrter und Menschenrechtsverteidiger, der auch an dem Treffen in Xiamen teilgenommen hatte, wird ebenfalls von den chinesischen Behörden in Gewahrsam gehalten. Die Volksstaatsanwaltschaft der Provinz Shandong hat auch in seinem Fall die Ermittlungsphase bis zum 19. Januar 2021 verlängert. Wie Ding Jiaxi hat auch Xu Zhiyong keinen Zugang zu seiner Familie oder Rechtsbeiständen seiner Wahl.

Seit 2015 gehen die chinesischen Behörden scharf gegen Rechtsbeistände und Aktivist_innen vor. Sie berufen sich seither systematisch auf Gesetze zum Schutz der nationalen Sicherheit, die äußerst vage Bestimmungen enthalten, um Anwält_innen, Gelehrte, Journalist_innen, Aktivist_innen und NGO-Mitarbeiter_innen strafrechtlich zu verfolgen. Zu den Anklagepunkten zählen zum Beispiel "Untergrabung der Staatsgewalt" und "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt".