Arzt durfte nicht zu Gefangenem
Einem schwedischen Arzt ist laut einer Erklärung der schwedischen Außenministerin der Zugang zu Gui Minhai verweigert worden. Der inhaftierte Hongkonger Buchhändler, der die schwedische Staatsangehörigkeit besitzt, benötigt dringend medizinische Versorgung. Außerdem ist unklar, ob er Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl hat und ob seine Familienangehörigen ihn seit seiner erneuten Festnahme im Januar 2018 besuchen konnten.
Appell an
Ren Jianwei
Ningboshi Kanshousuo
256 Qinyuanjie, Haishuqu
Ningbo Shi, Zhejiangsheng
VOLKSREPUBLIK CHINA
Sende eine Kopie an
Präsident
Xi Jinping
Zhongnanhai
Xichang’anjie
Xichengqu Beijing Shi 10017
VOLKSREPUBLIK CHINA
Fax: (00 86) 10 630 709 00
Botschaft der Volksrepublik China
S. E. Herrn Mingde Shi
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: de@mofcom.gov.cn
Amnesty fordert:
- Lassen Sie Gui Minhai bitte frei, es sei denn, es existieren glaubwürdige und zulässige Beweise dafür, dass er eine international als Straftat anerkannte Handlung begangen hat, und er ein Verfahren erhält, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.
- Gewähren Sie ihm bitte umgehend den regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu der von ihm benötigten medizinischen Versorgung.
- Sorgen Sie dafür, dass er uneingeschränkten Zugang zu konsularischer Unterstützung, seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl erhält.
Sachlage
Laut einer Erklärung der schwedischen Außenministerin Margot Wallström wurde dem Gefangenen Gui Minhai am 7. März die Wahrnehmung seines Termins mit einem schwedischen Arzt verweigert. Sie sagte, dieses Verhalten der chinesischen Behörden sei "inakzeptabel" und breche vergangene Zusicherungen, dass Gui Minhai Zugang zu einem schwedischen Arzt erhalten solle.
In einem bisher fast beispiellosen Vorgehen arrangierte Chinas Ministerium für Staatssicherheit am 9. Februar ein Treffen für Gui Minhai mit einigen Journalist_innen aus dem chinesischen Festland, Hongkong und Taiwan im Gefängnis von Ningbo in der Zhejiang-Provinz in Ost-China, wo er derzeit inhaftiert ist.
Mit zwei Polizist_innen im Hintergrund gab Gui Minhai vor laufender Kamera an, dass ihn schwedische Diplomat_innen dazu überredet hätten, nach Peking zu fahren. Außerdem würde ihn die schwedische Regierung als "Schachfigur" benutzen, um Peking Probleme zu machen. Das Interview dauerte 20 Minuten. Danach veröffentlichte das Ministerium für Staatssicherheit eine Stellungnahme, in der Gui Minhai verdächtigt wird, Staatsgeheimnisse an Dritte im Ausland verraten zu haben. Deshalb hätten die Behörden Zwangsmaßnahmen gegen ihn erlassen.
Am 20. Januar wurde Gui Minhai von etwa zehn Sicherheitskräften in Zivil festgenommen, als er mit zwei schwedischen Diplomat_innen mit dem Zug auf dem Weg von Ningbo nach Peking war. Dort wollte er sich seine Verdachtsdiagnose für eine neurologische Erkrankung fachärztlich bestätigen lassen, bei der es sich vermutlich um Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) handelt, eine nicht heilbare degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems. Wegen seiner Beschwerden braucht Gui Minhai dringend medizinische Versorgung. Laut Angaben seiner Tochter kann Gui Minhai die Finger seiner linken Hand nicht mehr kontrollieren und hat nun auch Probleme mit seiner rechten Hand und beim Gehen.
Hintergrundinformation
Gui Minhai leitete in der Vergangenheit den chinesischsprachigen Verlag Mighty Current Media in Hongkong, der für skandalaufdeckende Bücher über chinesische Politiker_innen bekannt war. Ihm wurde der Zugang zu Rechtsbeiständen und konsularischer Unterstützung versagt.
Der Fall von Gui Minhai erregte bereits vor einigen Jahren internationales Interesse, als er am 17. Oktober 2015 in Thailand "verschwand" – und zwar zum selben Zeitpunkt, als auch drei seiner Kolleg_innen plötzlich vermisst wurden. Ein weiterer Kollege von ihm, Lee Bo, wurde am 30. Dezember 2015 in Hongkong abgeführt. Gui Minhai tauchte im Januar 2016 im chinesischen Staatsfernsehen wieder auf und legte ein "Geständnis" ab, das allem Anschein nach inszeniert war. Dabei ging es um einen Vorwurf von Trunkenheit am Steuer aus dem Jahr 2003. Man geht davon aus, dass dieser Vorwurf von den Behörden als Vorwand genutzt wurde, um Gui Minhai festzunehmen und seinen Verlag zu schließen.
Gui Minhai wurde im Oktober 2017 "freigelassen", nachdem er gemäß den Angaben des chinesischen Außenministeriums "die Strafe für ein Verkehrsdelikt vollständig verbüßt" hatte. Allerdings berichtet seine Tochter, dass ihr Vater seither von staatlichen Stellen überwacht wird.
Mighty Current Media und Gui Minhais Buchladen Causeway Bay Bookstore verlegten und verkauften Bücher über chinesische Politiker_innen und über politische Skandale, die auf dem chinesischen Festland verboten waren, aber bei Tourist_innen aus dem chinesischen Festland in Hongkong beliebt waren. Die Inhaftierung und das "Verschwinden" von Gui Minhai und seinen Kolleg_innen hatten eine zerstörerische Wirkung auf die Meinungsfreiheit und das Verlagswesen in Hongkong und der chinesischsprachigen Welt.
Die neuerliche Inhaftierung von Gui Minhai wird von der internationalen Gemeinschaft mit großer Sorge betrachtet. Die schwedische Außenministerin Margot Wallström forderte in einer Stellungnahme die "sofortige Freilassung unseres Landsmannes sowie den Kontakt mit schwedischen Diplomat_innen und schwedischem Ärztepersonal". Der Europäische Auswärtige Dienst der Europäischen Union hat Schweden in seiner Forderung nach der Freilassung von Gui Minhai unterstützt und die chinesischen Behörden aufgefordert, ihm gemäß seiner Menschenrechte den Kontakt zu seiner Familie sowie konsularische Unterstützung und medizinische Betreuung zu gewähren. Die USA riefen die chinesischen Behörden auf, "die Begründung und Rechtsgrundlage für die Festnahme und Inhaftierung von Herrn Gui vorzubringen, seinen Verbleib offenzulegen und ihm das Recht auf Freizügigkeit zu gewähren und damit auch das Recht, China zu verlassen".