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Buchhändler zu 10 Jahren Haft verurteilt
© Amnesty International, Foto: Norbert Ketter
Am 24. Februar wurde der Buchhändler Gui Minhai wegen "illegaler Weitergabe von sensiblen Informationen an ausländische Einrichtungen" zu zehn Jahren Haft verurteilt. Außerdem werden ihm für fünf Jahre seine politischen Rechte entzogen. Gui Minhai hat weder Kontakt zu seiner Familie noch Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl oder zu konsularischer Unterstützung. Daher besteht große Sorge, dass Gui Minhai Folter und andere Formen der Misshandlung drohen. Auch sein Gesundheitszustand ist besorgniserregend.
Appell an
Präsident
Xi Jinping
Zhongnanhai
Xichangan'jie
Xichengqu, Beijing Shi 10017
VOLKSREPUBLIK CHINA
Sende eine Kopie an
Botschaft der Volksrepublik China
S. E. Herrn Ken Wu
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: chinaemb_de@mfa.gov.cn oder presse.botschaftchina@gmail.com
Amnesty fordert:
- Lassen Sie Gui Minhai bitte frei, es sei denn, es existieren glaubwürdige und zulässige Beweise dafür, dass er eine international als Straftat anerkannte Handlung begangen hat, und er ein Verfahren erhält, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.
- Gewähren Sie ihm bitte umgehend den regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu der von ihm benötigten medizinischen Versorgung.
- Sorgen Sie dafür, dass er uneingeschränkten Zugang zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl erhält.
- Klären Sie bitte die Umstände seines angeblich freiwilligen Staatsbürgerschaftswechsels und gewähren Sie Gui Minhai bis dahin Zugang zu konsularischer Unterstützung.
Sachlage
Am 24. Februar wurde Gui Minhai wegen "illegaler Weitergabe von Informationen an ausländische Einrichtungen" zu zehn Jahren Haft verurteilt. Außerdem werden ihm für fünf Jahre seine politischen Rechte entzogen. Das Verfahren gegen den Buchhändler scheint im Geheimen verhandelt worden zu sein, was ihm jede Chance auf einen fairen Prozess verwehrte. Die Behörden behaupten, dass Gui Minhai in Gewahrsam "Informationen" übergeben habe, auf denen seine Verurteilung basiere. Tatsächlich scheint diese jedoch in erster Linie auf seinem Versuch zu beruhen, 2018 gemeinsam mit zwei schwedischen Diplomaten nach Peking zu reisen.
Außerdem hieß es in einer Mitteilung des Gerichts, dass Gui Minhai 2018 wieder die chinesische Staatsbürgerschaft beantragt habe. Nähere Informationen über diesen Punkt gibt es nicht. Die Behörden stellen damit in den Raum, dass Gui Minhai nicht mehr schwedischer Staatsbürger sei, womit der damit verbundene Schutz für ihn wegfallen würde. Da Gui Minhai seit 2015 in Gewahrsam ist, können die Hintergründe dieses Sachverhalts nicht überprüft werden.
Auch der Umstand, dass Gui Minhai seit 2018 weder Kontakt zu seiner Familie noch Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl oder zu konsularischer Unterstützung hat, ist sehr beunruhigend. Angesichts seines Gesundheitszustands, der eine regelmäßige medizinische Versorgung erfordert, sorgen sich die Angehörigen von Gui Minhais insbesondere um sein Wohlergehen.
Hintergrundinformation
Gui Minhai war einer von fünf in Hongkong ansässigen Verlegern und Buchhändlern, die 2015 verschwanden, nachdem sie Bücher gedruckt hatten, in denen die chinesische Regierung kritisiert wurde.
Mighty Current Media und Gui Minhais Buchladen Causeway Bay Bookstore verlegten und verkauften Bücher über chinesische Politiker_innen und über politische Skandale, die auf dem chinesischen Festland verboten waren, aber bei Tourist_innen aus dem chinesischen Festland in Hongkong beliebt waren. Die Inhaftierung und das "Verschwinden" von Gui Minhai und seinen Kolleg_innen hatten eine zerstörerische Wirkung auf die Meinungsfreiheit und das Verlagswesen in Hongkong und der chinesischsprachigen Welt.
Der Fall von Gui Minhai erregte bereits vor einigen Jahren internationales Interesse, als er am 17. Oktober 2015 in Thailand "verschwand" – und zwar zum selben Zeitpunkt, als auch drei seiner Kolleg_innen plötzlich vermisst wurden. Ein weiterer Kollege von ihm, Lee Bo, wurde am 30. Dezember 2015 in Hongkong abgeführt. Gui Minhai tauchte im Januar 2016 im chinesischen Staatsfernsehen wieder auf und legte ein "Geständnis" ab, das allem Anschein nach inszeniert war. Dabei ging es um einen Vorwurf von Trunkenheit am Steuer aus dem Jahr 2003. Man geht davon aus, dass dieser Vorwurf von den Behörden als Vorwand genutzt wurde, um Gui Minhai festzunehmen und seinen Verlag zu schließen.
Gui Minhai wurde im Oktober 2017 "freigelassen", nachdem er gemäß den Angaben des chinesischen Außenministeriums "die Strafe für ein Verkehrsdelikt vollständig verbüßt" hatte. Allerdings berichtet seine Tochter, dass ihr Vater seither von staatlichen Stellen überwacht wird.
Am 20. Januar 2018 wurde Gui Minhai von etwa zehn Sicherheitskräften in Zivil festgenommen, als er mit zwei schwedischen Diplomat_innen mit dem Zug auf dem Weg von Ningbo nach Peking war. Dort wollte er sich seine Verdachtsdiagnose für eine neurologische Erkrankung fachärztlich bestätigen lassen, bei der es sich vermutlich um Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) handelt, eine nicht heilbare degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems. Wegen seiner Beschwerden braucht Gui Minhai dringend medizinische Versorgung. Er wurde seitdem nicht mehr gesehen.