Wohnrechtsaktivist freilassen!
Diese Urgent Action ist beendet.
Der ägyptische Menschenrechtsverteidiger Ibrahim Ezz El-Din wurde am 26. April nach 34 Monaten willkürlicher Haft endlich freigelassen. Er war ein gewaltloser politischer Gefangener, der sich lediglich aufgrund seiner friedlichen Menschenrechtsarbeit in Haft befand.

Amnesty International protestiert anlässlich des Staatsbesuches des ägyptischen Präsidenten Al-Sisi in Berlin am 29. Oktober 2018 vor dem Brandenburger Tor
© Amnesty Internationl, Foto: Henning Schacht
Am 26. November wurde Ibrahim Ezz El-Din, Wohnrechtsforscher bei der ägyptischen Nichtregierungsorganisation ECRF, der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit in Kairo vorgeführt. Er war am 11. Juni im Kairoer Wohnviertel Moqattam festgenommen worden und "verschwand" daraufhin für 167 Tage. Er wird derzeit im Tora-Gefängnis festgehalten.
Appell an
Hamada al-Sawi
Office of the Public Prosecutor
Madinat al-Rehab
Cairo, ÄGYPTEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Arabischen Republik Ägypten
S. E. Herrn Khaled Ahmed Farouk Nazmy
Gesandter (Geschäftsträger a.i.)
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de
Amnesty fordert:
- Lassen Sie Ibrahim Ezz El-Din bitte sofort und bedingungslos frei, da er willkürlich aufgrund seiner friedlichen Menschenrechtsarbeit inhaftiert ist.
- Stellen Sie zudem sicher, dass er bis zu seiner Freilassung Zugang zu seinem Rechtsbeistand und seiner Familie hat, unter angemessenen Bedingungen festgehalten wird und weder gefoltert noch anderweitig misshandelt wird.
- Bitte leiten Sie eine Untersuchung seines Verschwindenlassens und seiner Folter ein und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.
Sachlage
Am 26. November 2019 wurde der Wohnrechtsforscher Ibrahim Ezz El-Din der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit vorgeführt, nachdem er 167 Tage lang "verschwunden" war. Der Staatsanwalt vernahm Ibrahim Ezz El-Din im Beisein seiner Rechtsbeistände zu den Vorwürfen "Förderung der Ziele einer terroristischen Vereinigung" und "Veröffentlichung falscher Informationen zur Untergrabung der nationalen Sicherheit". Sein Fall wurde der Fallnummer 488/2019 zugeordnet, unter der die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit Personen verfolgt, die mit den regierungskritischen Demonstrationen im März 2019 in Verbindung gebracht werden. Im selben Fall sind auch die Menschenrechtsanwältin Mahienour el-Masry und die Journalistin Esraa Abdelfattah angeklagt. Man befragte Ibrahim Ezz El-Din auch zu seiner Menschenrechtsarbeit. Es wurden keine Beweise gegen ihn vorgelegt. Weder Ibrahim Ezz El-Din noch seine Rechtsbeistände erhielten Zugriff auf seine geheimdienstliche Untersuchungsakte. Obwohl er sich seit dem 11. Juni 2019 in Gewahrsam befindet, gibt die Abteilung für Innere Sicherheit an, er sei am 25. November festgenommen worden und streitet ab, dass er Opfer des Verschwindenlassens geworden ist. Die Rechtsbeistände von Ibrahim Ezz El-Din weisen dieses Datum als falsch zurück und geben den 11. Juni als Festnahmedatum an.
Berichten zufolge hat Ibrahim Ezz El-Din stark an Gewicht verloren und wirkte schwach. Er sagte der Staatsanwaltschaft, dass er in Haft gefoltert wurde, um Informationen über seine Verbindungen zu der Ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheiten (ECRF) und über die Arbeit der Organisation zu erhalten. Seinen Angaben zufolge wurde er an verschiedenen Standorten des Geheimdienstes unter unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen festgehalten. Der Staatsanwalt ordnete 15 Tage Untersuchungshaft an. Ibrahim Ezz El-Din wird derzeit im Tora-Gefängnis festgehalten.
Hintergrundinformation
Ibrahim Ezz El-Din arbeitet bei der Ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheiten (ECRF) zum Recht auf Wohnen. Er forscht zum Thema sicherer und bezahlbarer Wohnraum und dokumentiert Zwangsräumungen sowie die ägyptischen Stadtplanungsmaßnahmen. Am Abend des 11. Juni 2019 wurde er von Sicherheitskräften in Zivil festgenommen. Er wurde in seinem Wohnviertel Moqattam in Kairo von der Straße abgeführt und "verschwand" daraufhin. Nach seiner Festnahme erkundigte sich die Familie gemeinsam mit Anwält_innen auf der Polizeiwache von Moqattam nach seinem Verbleib, doch die Behörden bestritten, ihn in Gewahrsam zu halten. Darüber hinaus schickte die Familie zusammen mit Anwält_innen ein Telegramm an die Staatsanwaltschaft und erstattete hinsichtlich seines Verschwindens Anzeige.
Er ist bereits der fünfte Mitarbeiter der ECRF, der seit 2016 festgenommen wurde. Zuvor wurde der Arbeitsrechtsanwalt Haytham Mohamdeen inhaftiert. Auch er arbeitet bei der ECRF und befindet sich seit dem 13. Mai 2019 in Untersuchungshaft aufgrund eines konstruierten Strafverfahrens wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung". Im Mai 2018 hatten ägyptische Sicherheitskräfte Amal Fathy festgenommen. Die Menschenrechtsverteidigerin ist die Frau des Geschäftsführers der ECRF und ehemaligen Mitarbeiters von Amnesty International, Mohamed Lotfy. Die Sicherheitskräfte begründeten die Festnahme mit einem Video, in dem Amal Fathy das Versagen der Behörden hinsichtlich der grassierenden sexuellen Belästigungen kritisiert. Erst im Dezember 2018 wurde sie wieder freigelassen. Die Direktorin des Programms für Minderheiten Mina Thabet und der Vorstandsvorsitzende Ahmed Abdallah wurden ebenfalls 2016 festgenommen und später ohne Anklagen wieder freigelassen.
Ibrahim Ezz El-Dins Festnahme erfolgte im Kontext einer Menschenrechtskrise und eines scharfen Vorgehens gegen die ägyptische Zivilgesellschaft, in dessen Verlauf Hunderte wegen ihrer legitimen Tätigkeit oder friedlicher Meinungsäußerung oder Versammlung festgenommen wurden. Dies betrifft Journalist_innen, Fußballfans, Kritiker_innen, Politiker_innen und Mitglieder von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Viele der Festgenommenen wurden inhaftiert oder fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer, ehe sie wegen unbegründeter "Terrorvorwürfe" mit Bezug zu ihrer Tätigkeit angeklagt und dann monate- oder gar jahrelang in Untersuchungshaft festgehalten wurden, ohne jemals vor Gericht gestellt zu werden. Weitere Informationen finden Sie in diesem englischsprachigen Bericht: www.amnesty.org/en/documents/mde12/1399/2019/en/
Amnesty International hat detailliert dokumentiert, dass Sicherheitskräfte in Ägypten gezielt die Praxis des Verschwindenlassens einsetzen, um gegen politische Aktivist_innen und Protestierende vorzugehen, darunter auch Studierende und Minderjährige (siehe auch: www.amnesty.org/en/documents/mde12/4368/2016/en/). Hunderte von "verschwundenen" Personen wurden willkürlich festgenommen und ohne Kontakt zur Außenwelt in geheimer Haft festgehalten, ohne Zugang zu ihren Familien oder Rechtsbeiständen und ohne Kontrolle durch die Justiz. Diese rechtswidrige Praxis ist seit März 2015 besonders ausgeprägt. Damals ernannte Präsident Abdel Fattah al-Sisi den Generalmajor Magdy Abd el-Ghaffar zum Innenminister. Die ECRF ist eine der wichtigsten ägyptischen Nichtregierungsorganisationen, die das Thema Verschwindenlassens aufgreifen.