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Neues Verfahren gegen Menschenrechtler
Diese Urgent Action ist beendet.
Der ägyptische Menschenrechtsverteidiger Ibrahim Ezz El-Din wurde am 26. April nach 34 Monaten willkürlicher Haft endlich freigelassen. Er war ein gewaltloser politischer Gefangener, der sich lediglich aufgrund seiner friedlichen Menschenrechtsarbeit in Haft befand.

Der ägyptische Menschenrechtsverteidiger Ibrahim Ezz El-Din
© Amnesty International
Am 2. Januar musste Ibrahim Ezz el-Din vor der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit erscheinen, da in einem neuen konstruierten Fall Untersuchungen gegen ihn eingeleitet wurden. Ihm wird vorgeworfen, "einer terroristischen Gruppe anzugehören". Am 27. Dezember hatte das Kairoer Strafgericht in einem anderen Fall seine Freilassung angeordnet, und am 28. Dezember wurde er zur Vorbereitung seiner Entlassung auf die Polizeiwache von Samanoud gebracht. Der Menschenrechtler hat bereits 13 Monate in willkürlicher Untersuchungshaft verbracht.
Setzt euch für Ibrahim Ezz el-Din ein!
Appell an
Counsellor
Hamada al-Sawi
Office of the Public Prosecutor
Madinat al-Rehab, Cairo
ÄGYPTEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Aabischen Republik Ägypten
S.E. Herrn Khaled Mohamed Galaleldin Abdelhamid
Stauffenbergstraße 6 – 7, 10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie höflich auf, Ibrahim Ezz El-Din umgehend und bedingungslos freizulassen, da er allein wegen seiner friedlichen Menschenrechtsarbeit inhaftiert ist.
- Stellen Sie bitte sicher, dass er bis zu seiner Freilassung Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung erhält, falls nötig auch zu psychiatrischer Betreuung.
- Bitte leiten Sie sofort eine Untersuchung seines Verschwindenlassens und seiner Foltervorwürfe ein und stellen Sie die Verantwortlichen in fairen Verfahren ohne Rückgriff auf die Todesstrafe vor Gericht.
Sachlage
Der Menschenrechtsforscher Ibrahim Ezz El-Din, der seit Juni 2019 willkürlich in Haft gehalten wird, erschien am 2. Januar 2021 vor der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP). Nur fünf Tage zuvor hatte das Strafgericht von Kairo im Fall Nr. 488/2019 seine Freilassung auf Bewährung angeordnet. Nun wird in einem neuen Fall (Nr. 1018/2020) gegen ihn ermittelt. Die Vorwürfe gegen ihn sind haltlos und lauten auf "Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe". Seit seiner Inhaftierung werden die Verfahrensrechte von Ibrahim Ezz El-Din verletzt, da er nicht die Möglichkeit erhalten hat, die Rechtmäßigkeit seiner Haft wirksam anzufechten. Außerdem hat er keinen Zugang zu angemessener Verteidigung. Die Rechtsbeistände des Menschenrechtlers waren am 2. Januar zwar anwesend, durften sich die Fallakten jedoch nicht ansehen. Dazu gehörte auch ein Bericht der Nationalen Sicherheitsbehörde NSA (eine Spezialeinheit der Polizei), der als einziges Beweismittel gegen ihn vorgelegt wurde. Die SSSP ordnete in diesem neuen Fall eine 15-tägige Untersuchungshaft an, und Ibrahim Ezz El-Din wurde in das Liman-Tora-Gefängnis gebracht.
Am 27. Dezember hatte das Kairoer Strafgericht in einem anderen Fall seine Freilassung angeordnet, und am 28. Dezember wurde er auf die Polizeiwache von Samanoud gebracht. Dies ist das standardmäßige Vorgehen zur Vorbereitung einer Entlassung. Während Ibrahim Ezz El-Din allerdings noch auf die Genehmigung seiner Freilassung durch den NSA wartete, wurde er zum Verhör vor die SSSP bestellt.
Laut informierten Quellen leidet Ibrahim Ezz El-Din aufgrund der schlechten Haftbedingungen an einer Entzündung der Lendenwirbel sowie an chronischen Allergien und einer Pilzinfektion der Zunge. Nach Angaben der medizinischen Fachkräfte, die sich mit seinem Fall beschäftigen, könnte die während seines Verschwindenlassens erlebte Folter zusammen mit der Weigerung der Gefängnisbehörden, ihn angemessen medizinisch zu versorgen, Depressionen ausgelöst haben. Er hat 2020 zwei Suizidversuche unternommen.
Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen, der sich lediglich aufgrund seiner friedlichen Menschenrechtsarbeit in Haft befindet.
Hintergrundinformation
Ibrahim Ezz El-Din arbeitete bis zum Beginn der Untersuchungshaft bei der Ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheiten (ECRF) zum Recht auf Wohnen. Am Abend des 11. Juni 2019 wurde er von Sicherheitskräften in Zivil festgenommen. Er wurde in seinem Wohnviertel Moqattam in Kairo von der Straße abgeführt und "verschwand" daraufhin für 167 Tage. Die Behörden hielten seinen Aufenthaltsort geheim und stritten gegenüber seiner Familie und seinen Rechtsbeiständen ab, dass er sich in ihrem Gewahrsam befand. Am 26. November 2019 wurde Ibrahim Ezz El-Din der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) vorgeführt. Nach Angaben seines Rechtsbeistands hatte er stark an Gewicht verloren und wirkte schwach. Er sagte der Staatsanwaltschaft, dass er während seiner Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gefoltert wurde, um Informationen über seine Verbindungen zu der ECRF und über die Arbeit der Organisation zu erhalten. Seinen Angaben zufolge wurde er an verschiedenen Standorten des Geheimdienstes unter unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen festgehalten.
In den vergangenen Monaten hat die SSSP zunehmend Entscheidungen des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft zur Freilassung von Häftlingen in verlängerter Untersuchungshaft ignoriert und stattdessen neue Haftanordnungen auf der Grundlage ähnlicher Vorwürfe erlassen. Faktisch können die Gefangenen so auf unbestimmte Zeit ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Haft gehalten werden. Dieses Vorgehen wird gemeinhin als "Recycling" bezeichnet und ist bereits gegen zahlreiche Aktivist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen eingesetzt worden, darunter Mahienour el-Masry, Solafa Magdy, Esraa Abdelfattah, Alaa Abdel Fattah und Mohamed el-Baqer.
Im April 2020 wurde Ibrahim Ezz El-Din in das Gefängniskrankenhaus verlegt. Die Gefängnisbehörden gewährten seinen Familienangehörigen jedoch keinen Einblick in die Krankenakte. Sie können deshalb keine Ärzt_innen beauftragen, um die korrekte Medikamentendosis für ihn zu bestimmen. Das Gefängniskrankenhaus verfügt zudem nicht über ein Röntgengerät, welches zur Diagnose seiner Rückenschmerzen benötigt wird. Durch seinen schlechten Gesundheitszustand ist Ibrahim Ezz El-Din bei einer Ansteckung mit Covid-19 in erhöhter Gefahr. Er leidet an Allergien, die ihm Atemprobleme verursachen und gehört damit gemäß der Liste der Weltgesundheitsorganisation zu den durch das Virus besonders gefährdeten Gruppen.
Ibrahim Ezz El-Din ist bereits der fünfte Mitarbeiter der ECRF, der seit 2016 festgenommen wurde. Zuvor wurde der Arbeitsrechtsanwalt Haytham Mohamdeen inhaftiert. Auch er arbeitet bei der ECRF und befindet sich seit dem 13. Mai 2019 in Untersuchungshaft aufgrund eines konstruierten Strafverfahrens wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung". Im Mai 2018 hatten ägyptische Sicherheitskräfte Amal Fathy festgenommen. Die Menschenrechtsverteidigerin ist die Frau des Geschäftsführers der ECRF und ehemaligen Mitarbeiters von Amnesty International, Mohamed Lotfy. Die Sicherheitskräfte begründeten die Festnahme mit einem Video, in dem Amal Fathy das Versagen der Behörden hinsichtlich der grassierenden sexuellen Belästigungen in Ägypten kritisiert. Erst im Dezember 2018 wurde sie unter Auflagen wieder freigelassen. Die SSSP stellte sie bis am 14. März 2020 unter Hausarrest und hob die gegen sie verhängten Auflagen erst an diesem Tag auf. Der Direktor des Programms für Minderheiten Mina Thabet und der Vorstandsvorsitzende Ahmed Abdallah wurden ebenfalls 2016 festgenommen und später ohne Anklagen wieder freigelassen.
Ibrahim Ezz El-Din konnte seine Masterarbeit im Dezember 2019 wegen seiner Inhaftierung nicht wie vorgesehen abschließen. Sein Rechtsbeistand setzte zwar durch, dass sein Mandant im Gefängnis Bücher erhalten konnte, doch die Gefängnisbehörden hinderten ihn daran, die Masterarbeit zu schreiben. Er darf pro Monat einmal einen zehnminütigen Besuch erhalten. Einmal pro Woche darf er Pakete mit Nahrungsmitteln und Medikamenten empfangen.
Ibrahim Ezz El-Dins Festnahme erfolgte im Kontext einer Menschenrechtskrise und eines scharfen Vorgehens gegen die ägyptische Zivilgesellschaft, in dessen Verlauf Hunderte wegen ihrer legitimen Tätigkeit oder friedlicher Meinungsäußerung oder Versammlung festgenommen wurden. Viele der Festgenommenen wurden inhaftiert oder fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer, ehe sie wegen unbegründeter "Terrorvorwürfe" und dann monate- oder gar jahrelang in Untersuchungshaft festgehalten wurden, ohne jemals vor Gericht gestellt zu werden. Weitere Informationen finden Sie in diesem englischsprachigen Bericht: www.amnesty.org/en/documents/mde12/1399/2019/en/
Amnesty International hat dokumentiert, dass Sicherheitskräfte in Ägypten gezielt die Praxis des Verschwindenlassens einsetzen, um gegen politische Aktivist_innen und Protestierende vorzugehen, darunter auch Studierende und Minderjährige (siehe auch: www.amnesty.org/en/documents/mde12/4368/2016/en/). Hunderte von "verschwundenen" Personen wurden willkürlich festgenommen und ohne Kontakt zur Außenwelt in geheimer Haft festgehalten – ohne Zugang zu ihren Familien oder Rechtsbeiständen und ohne Kontrolle durch die Justiz. Die ECRF ist eine der wichtigsten ägyptischen Nichtregierungsorganisationen, die das Thema Verschwindenlassen aufgreifen.