Inhaftierter in lebensbedrohlichem Zustand

Diese Urgent Action ist beendet.

Der ägyptische Menschenrechtsverteidiger Ibrahim Ezz El-Din wurde am 26. April nach 34 Monaten willkürlicher Haft endlich freigelassen. Er war ein gewaltloser politischer Gefangener, der sich lediglich aufgrund seiner friedlichen Menschenrechtsarbeit in Haft befand.

Porträt eines jungen Mannes. Im Hintergrund befinden sich Pflanzen.

Der ägyptische Menschenrechtsverteidiger Ibrahim Ezz El-Din

Der Gesundheitszustand von Ibrahim Ezz El-Din hat sich im Tora-Gefängnis sehr verschlechtert. Das bringt ihn bei einer Erkrankung mit Covid-19 in große Gefahr. Der Akademiker arbeitet zum Recht auf Wohnen und ist seit dem 26. November 2019 in Untersuchungshaft.

Appell an

STAATSANWALT

Hamada al-Sawi

Office of the Public Prosecutor

Madinat al-Rehab

Cairo

ÄGYPTEN

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN

S.E. Herrn 

Khaled Mohamed Galaleldin Abdelhamid

Stauffenbergstraße 6-7


10785 Berlin


Fax:030-477 1049

E-Mail: 
embassy@egyptian-embassy.de

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Ibrahim Ezz El-Din bitte sofort und bedingungslos frei, da er willkürlich aufgrund seiner friedlichen Menschenrechtsarbeit inhaftiert ist. 
  • Durch seine gesundheitlichen Probleme gehört er bei einer Erkrankung an Covid-19 zu den Risikogruppen. Stellen Sie daher bitte sicher, dass er bis zu seiner Freilassung Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung erhält, falls nötig auch zu psychiatrischen Gesundheitsleistungen.
  • Bitte leiten Sie sofort eine Untersuchung seines Verschwindenlassens und seiner Folter ein und stellen Sie die Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht. 

Sachlage

Ibrahim Ezz El-Din wurde nach seiner Festnahme am 11. Juni 2019 und seinem 167 Tage währenden "Verschwinden" am 26. November 2019 der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit vorgeführt. Seither ist er in Untersuchungshaft.

Angesichts der wachsenden Sorge über die Verbreitung der durch das Coronavirus ausgelösten Krankheit Covid-19 in den überfüllten ägyptischen Gefängnissen müssen die Behörden Ibrahim Ezz El-Din umgehend und bedingungslos freilassen. Er leidet an Allergien, die ihm Atemprobleme verursachen. Er gehört damit gemäß der Liste der Weltgesundheitsorganisation zu den durch das Virus besonders gefährdeten Gruppen. Ibrahim Ezz el-Din sollte ohnehin nicht in Haft sein. Und die gut dokumentierten besorgniserregenden Haftbedingungen durch Überfüllung sowie mangelhafte Hygiene- und Sanitäreinrichtungen erhöhen das Risiko für eine Infektion mit Covid-19 erheblich.

Am 20. Februar 2020 beantragte der Rechtsbeistand von Ibrahim Ezz El-Dinbei der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit für seinen Mandanten nach einem Selbstmordversuch eine angemessene psychiatrische Behandlung außerhalb des Gefängnisses, deren Kosten die Familie übernehmen würde. Die Behörden lehnten den Antrag ab. Am 26. Februar versuchte Ibrahim Ezz El-Din erneut, sich das Leben zu nehmen.

Ibrahim Ezz El-Din leidet zusätzlich zu den chronischen Allergien aufgrund der schlechten Haftbedingungen an einer Entzündung der Lendenwirbel und einer Pilzinfektion der Zunge. Er weigert sich, das Gefängniskrankenhaus aufzusuchen, da er gehört hat, dass sich dort andere Gefangene bei der Behandlung mit Hepatitis C angesteckt haben. 

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ibrahim Ezz El-Din arbeitet bei der Ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheiten (ECRF) zum Recht auf Wohnen. Am Abend des 11. Juni 2019 wurde er von Sicherheitskräften in Zivil festgenommen. Er wurde in seinem Wohnviertel Moqattam in Kairo von der Straße abgeführt und "verschwand" daraufhin für 167 Tage. 

Am 26. November 2019 wurde der Wohnrechtsforscher der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit vorgeführt. Nach Angaben seines Rechtsbeistands hatte Ibrahim Ezz El-Din stark an Gewicht verloren und wirkte schwach. Er sagte der Staatsanwaltschaft, dass er in Haft gefoltert wurde, um Informationen über seine Verbindungen zu der ECRF und über die Arbeit der Organisation zu erhalten. Seinen Angaben zufolge wurde er an verschiedenen Standorten des Geheimdienstes unter unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen festgehalten. Der Staatsanwalt ordnet seither alle 15 Tage erneut die Verlängerung der Untersuchungshaft an.

Ibrahim Ezz El-Din ist bereits der fünfte Mitarbeiter der ECRF, der seit 2016 festgenommen wurde. Zuvor wurde der Arbeitsrechtsanwalt Haytham Mohamdeen inhaftiert. Auch er arbeitet bei der ECRF und befindet sich seit dem 13. Mai 2019 in Untersuchungshaft aufgrund eines konstruierten Strafverfahrens wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung". Im Mai 2018 hatten ägyptische Sicherheitskräfte Amal Fathy festgenommen. Die Menschenrechtsverteidigerin ist die Frau des Geschäftsführers der ECRF und ehemaligen Mitarbeiters von Amnesty International, Mohamed Lotfy. Die Sicherheitskräfte begründeten die Festnahme mit einem Video, in dem Amal Fathy das Versagen der Behörden hinsichtlich der grassierenden sexuellen Belästigungen kritisiert. Erst im Dezember 2018 wurde sie wieder freigelassen. Der Direktor des ECRF-Programms für Minderheiten Mina Thabet und der Vorstandsvorsitzende Ahmed Abdallah wurden ebenfalls 2016 festgenommen und später ohne Anklagen wieder freigelassen. 

Ibrahim Ezz El-Din konnte seine Masterarbeit im Dezember 2019 nicht wie vorgesehen abschließen. Sein Rechtsbeistand erhielt zwar die Erlaubnis für ihn, im Gefängnis Bücher zu erhalten, doch die Gefängnisbehörden hinderten seinen Mandanten daran die Masterarbeit zu schreiben.

Ibrahim Ezz El-Dins Festnahme erfolgte im Kontext einer Menschenrechtskrise und eines scharfen Vorgehens gegen die ägyptische Zivilgesellschaft, in dessen Verlauf Hunderte wegen ihrer legitimen Tätigkeit oder friedlicher Meinungsäußerung oder Versammlung festgenommen wurden. Dies betrifft Journalist_innen, Fußballfans, Kritiker_innen, Politiker_innen und Mitglieder von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Viele der Festgenommenen wurden inhaftiert oder fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer, ehe sie wegen unbegründeter "Terrorvorwürfe" mit Bezug zu ihrer Tätigkeit angeklagt und dann monate- oder gar jahrelang in Untersuchungshaft festgehalten wurden, ohne jemals vor Gericht gestellt zu werden. Weitere Informationen finden Sie in diesem englischsprachigen Bericht: www.amnesty.org/en/documents/mde12/1399/2019/en/

Amnesty International hat detailliert dokumentiert, dass Sicherheitskräfte in Ägypten gezielt die Praxis des Verschwindenlassens einsetzen, um gegen politische Aktivist_innen und Protestierende vorzugehen, darunter auch Studierende und Minderjährige (siehe auch: www.amnesty.org/en/documents/mde12/4368/2016/en/). Hunderte von "verschwundenen" Personen wurden willkürlich festgenommen und ohne Kontakt zur Außenwelt in geheimer Haft festgehalten, ohne Zugang zu ihren Familien oder Rechtsbeiständen und ohne Kontrolle durch die Justiz. Diese rechtswidrige Praxis ist seit März 2015 besonders ausgeprägt. Damals ernannte Präsident Abdel Fattah al-Sisi den Generalmajor Magdy Abd el-Ghaffar zum Innenminister. Die ECRF ist eine der wichtigsten ägyptischen Nichtregierungsorganisationen und arbeitet zum Thema des Verschwindenlassens.