Menschenrechtler und Journalisten inhaftiert

Aktivist_innen wurden willkürlich inhaftiert

Der Menschenrechtsverteidiger und Mitbegründer des Ägyptischen Koordinierungsbüros für Rechte und Freiheiten, Ezzat Ghoniem, ist bereits seit Anfang März aufgrund haltloser Vorwürfe in Haft. Neben ihm sind auch die Journalisten Mostafa al-Aassar, Hassan al-Banna und Moataz Wadnan, sowie der Anwalt Azzoz Mahgoub inhaftiert.

Appell an

Staatsanwalt

Nabil Sadek

Office of the Public Prosecutor

Dar al-Qada al-Ali

Down Town, Cairo 

ÄGYPTEN

Sende eine Kopie an

Stellvertretender Beauftragter für Menschenrechte im Aussenministerium

Ahmed Ihab Gamal-Eldin

Ministry of Foreign Affairs

Corniche el-Nile, Cairo

ÄGYPTEN


Fax: (00 202) 2574 9713

E-Mail:
contact.us@mfa.gov.eg

Twitter: @MfaEgypt

Botschaft der Arabischen Republik Ägypten

S. E. Herrn Badr Ahmed Mohamed Abdelatty

Stauffenbergstraße 6-7

10785 Berlin


Fax: 030-477 1049

E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Ezzat Ghoniem, Mustafa al-Aassar, Hassan al-Banna Mubarak, Moataz Wadnan, Hisham Genena und Azzoz Mahgoub umgehend und bedingungslos frei, da sie lediglich aufgrund ihrer friedlichen Menschenrechtsarbeit und der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert wurden.
  • Untersuchen Sie bitte sämtliche Vorwürfe des Verschwindenlassens, einschließlich Ezzat Ghoniem, Mostafa al-Assar und Hassan al-Bana, veröffentlichen Sie die Ergebnisse und stellen Sie diejenigen, die mutmaßlich die strafrechtliche Verantwortung tragen, vor Gericht.

Sachlage

Ezzat Ghoniem, Menschenrechtsverteidiger und Mitbegründer des Ägyptischen Koordinierungsbüros für Rechte und Freiheiten (Egyptian Coordination for Rights and Freedoms, ECRF), war am 1. März gerade auf dem Heimweg, als er von ägyptischen Sicherheitskräften festgenommen wurde. Er wurde inhaftiert und drei Tage lang durch die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand verhört. Die Behörden hielten Informationen über seinen Verbleib zurück, was dem Verschwindenlassen gleichkommt. Angehörige des Geheimdienstes NSA filmten Ezzat Ghoniem ohne dessen Einverständnis. Ausschnitte aus diesem Video erschienen später auf der Facebook-Seite des Innenministeriums, auf der Ezzat Ghoniem außerdem beschuldigt wurde, Teil einer organisierten "Menschenrechts-Terrorismus-Verschwörung" zu sein. Er befindet sich zurzeit im Tora-Gefängnis in Südkairo. Gegen ihn wird wegen der Mitgliedschaft in einer verbotenen Gruppierung, Verbreitung von Falschmeldungen sowie Fehlinformation von internationalen Einrichtungen ermittelt.

Am 4. Februar wurden die beiden Journalisten Mustafa al-Aassar und Hassan al-Banna Mubarak festgenommen, als sie von ihrer Wohnung auf dem Weg nach Gizeh zur Arbeit waren. Die beiden Männer blieben 13 Tage lang "verschwunden". Am 16. Februar nahmen die Behörden den Journalisten Moataz Wadnan fest, nachdem dieser ein Interview mit dem ehemaligen Vorsitzenden der Zentralen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Egyptian Central Auditing Organization, CAO), Hisham Genena, geführt hatte. Auch Hisham Genena wurde verhaftet. Dieser hatte den potentiellen Präsidentschaftskandidaten Sami Anan öffentlich unterstützt. Sami Anan war nach seiner Ankündigung, bei der Wahl gegen Präsident Abdelfatah al-Sisi antreten zu wollen, selbst inhaftiert worden. Auch Mustafa al-Aassar, Hassan al-Banna Mubarak und Moataz Wadnan befinden sich zurzeit im Tora-Gefängnis. Gegen sie wird wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen Gruppierung sowie wegen Verbreitung von Falschmeldungen zum Schaden der nationalen Sicherheit im selben Fall wie Ezzat Ghoniem ermittelt.

Am 1. März nahmen die ägyptischen Behörden außerdem den Anwalt Azzoz Mahgoub fest. Azzoz Mahgoub ist der Rechtsbeistand von Mona Mahmoud (auch bekannt als "Om Zubida", s. u.), die sich seit der Veröffentlichung eines BBC-Beitrags in Haft befindet, in dem sie die Folter und das Verschwindenlassen ihrer Tochter schilderte. Auch Azzoz Mahgoub befindet sich zurzeit im Tora-Gefängnis und sieht sich mit denselben Anschuldigungen konfrontiert wie die anderen: Mitgliedschaft in einer verbotenen Gruppierung, Verbreitung von Falschmeldungen sowie Fehlinformation internationaler Einrichtungen. Bei einer Verurteilung drohen den Angeklagten bis zu 15 Jahre Haft. Amnesty International ist der Ansicht, dass sie lediglich aufgrund ihrer friedlichen Menschenrechtsarbeit und der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert wurden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

In den letzten vier Monaten nahmen die ägyptischen Sicherheitskräfte im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen zahlreiche potentielle Kandidat_innen, Journalist_innen, Menschenrechtsverteidiger_innen und sonstige Aktivist_innen fest. Bis März 2018 zensierten die Behörden mindestens 496 Webseiten, unter anderem von NGOs, Medienunternehmen und deren Vertreter_innen.

Bis heute haben die ägyptischen Sicherheitskräfte zahlreiche Aktivist_innen und Personen des öffentlichen Lebens festgenommen, weil diese in den Sozialen Medien und/oder in Interviews ihre Meinung vertreten hatten. Zu diesen gehören auch der ehemalige Präsidentschaftskandidat Abdel Moneim Aboul Fotouh, der potentielle Präsidentschaftskandidat Sami Anan, der ehemalige Vorsitzende der Zentralen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (CAO) Hisham Genena, der Social Media-Aktivist Islam Refai, die Aktivisten Hassan Hussein und Gamal Abdelfath, ein ganzes Schauspielensemble und viele weitere Personen.

Im Zuge dieses aktuellen verschärften Vorgehens nahmen die Behörden außerdem mindestens 13 Journalist_innen fest. Damit befinden sich nun insgesamt 26 Journalist_innen in Gewahrsam. Unter diesen befindet sich auch Mahmoud Abu Zeid (auch als "Shawkan" bekannt), der seit mehr als vier Jahren im Rahmen eines summarischen Verfahrens mit 738 Mitangeklagten inhaftiert ist. Vor kurzem wurde der Cutter Ahmed Tarek Opfer des Verschwindenlassens durch die Behörden und befindet sich nun in Haft.

Außerdem haben die ägyptischen Behörden versucht, auch die Berichterstattung ausländischer Medien zu unterbinden: Am 20. Februar wurde der britische Journalist Bel Trew festgenommen, der in Ägypten für den Guardian tätig war. Anschließend wurde er abgeschoben. Ein weiteres Beispiel für die versuchte Einschränkung der Berichterstattung ist der Fall eines BBC-Beitrags, in dem die Folter in ägyptischen Haftanstalten angeprangert wurde und der Interviews mit Menschenrechtsverteidiger_innen sowie Folteropfern zeigte. Nach der Ausstrahlung griffen die ägyptischen Behörden sowohl den Beitrag selbst als auch die BBC scharf an. Außerdem wurde eine der Interviewpartnerinnen, Om Zubida, wegen der "Verbreitung von Fehlinformationen" festgenommen. Der ägyptische Staatsanwalt verunglimpfte in diesem Zusammenhang die "Kräfte des Bösen", womit er diejenigen meinte, die das Vorgehen der ägyptischen Behörden kritisierten. Auch zwei der Anklagepunkte, die Ezzat Ghoniem und Azzoz Mahgoub zur Last gelegt werden, stehen im Zusammenhang mit dem BBC-Beitrag.

Außerdem gerieten in den letzten zwei Jahren zivilgesellschaftliche Organisationen ins Visier der ägyptischen Behörden, so auch das Ägyptische Koordinierungsbüro für Rechte und Freiheiten (ECRF). Diese NGO wurde im August 2014 von Ezzat Ghoniem mitbegründet und dokumentiert Menschenrechtsverletzungen durch den ägyptischen Staat. Sie setzt sich gegen unterschiedliche Praktiken wie die Todesstrafe, Folter, außergerichtliche Hinrichtungen oder das Verschwindenlassen ein. Neben Ezzat Ghoniem halten die ägyptischen Behörden auch den Journalisten und Vorsitzenden des Palästinensischen Zentrums für Entwicklung und Pressefreiheiten (Palestinian Center for Development and Media Freedoms – MADA), Hisham Gaafar, seit mehr als zwei Jahren fest.

Das Verschwindenlassen von Personen bedeutet die Festnahme, den Entzug der Freiheit oder die Entführung von Personen, durchgeführt, unterstützt oder gebilligt durch einen Staat und gefolgt von der Weigerung, diese Freiheitsberaubung anzuerkennen oder Auskunft über das Schicksal oder den Verbleib dieser Personen zu erteilen, in der Absicht, sie dem Schutz des Gesetzes zu entziehen. Das Verschwindenlassen ist ein Verbrechen nach dem Völkerrecht.