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Inhaftierung wegen Kritik
Die ägyptische Menschenrechtsverteidigerin Amal Fathy
Die ägyptischen Behörden haben insgesamt 30 Tage Untersuchungshaft für die feministische Menschenrechtsverteidigerin Amal Fathy angeordnet, nachdem sie ein Video auf ihre Facebook-Seite hochgeladen hatte, in dem sie über die von ihr erlebte sexualisierte Belästigung berichtet und die Regierung kritisiert, weil sie sich dieses Problems nicht annimmt.
Appell an
Präsident
Abdel Fattah al-Sisi
Office of the President
Al Ittihadia Palace, Cairo
ÄGYPTEN
Sende eine Kopie an
Stellvertretender Außenminister für Menschenrechte
Ahmed Ihab Gamal-Eldin
Ministry of Foreing Affairs
Corniche el-Nile, Cairo
ÄGYPTEN
Fax: (00 202) 2574 9713
E-Mail: contact.us@mfa.gov.eg
Twitter: @MfaEgypt
Botschaft von Ägypten
S. E. Herrn Badr Ahmed Mohamed Abdelatty
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de
Amnesty fordert:
- Bitte lassen Sie Amal Fathy umgehend und bedingungslos frei, da sie eine gewaltlose politische Gefangene ist, die sich nur deshalb in Haft befindet, weil sie friedlich ihre Meinung geäußert hat.
- Erkennen Sie bitte die Rechtmäßigkeit der Arbeit von Menschenrechtsverteidiger_innen wie Amal Fathy an, insbesondere ihr Recht, ihre Aktivitäten uneingeschränkt und ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen ausüben zu können, wie es in der UN-Erklärung über Menschenrechtsverteidiger_innen von 1998 festgeschrieben ist.
Sachlage
Am 9. Mai stellte Amal Fathy ein Video auf ihrer Facebook-Seite ein, in dem sie die von ihr erlebte sexualisierte Belästigung thematisierte, die Dringlichkeit dieses Problems in Ägypten betonte und die Regierung kritisierte, weil sie die Frauen in Ägypten nicht davor schützt. Zudem kritisierte sie das scharfe Vorgehen der Regierung gegen die Menschenrechte, die sozioökonomischen Bedingungen und die Missstände im öffentlichen Dienstleistungssektor. Daraufhin durchsuchte die Polizei am 11. Mai gegen 2:30 Uhr die Wohnung von Amal Fathy und inhaftierte sie in der Polizeiwache Maadi in Kairo zusammen mit ihrem Ehemann Mohamed Lotfy, einem früheren Mitarbeiter von Amnesty International und aktuellen Direktor der Menschenrechtsorganisation Ägyptische Kommission für Rechte und Freiheiten (Egyptian Commission for Rights and Freedoms – ECRF) und ihrem dreijährigen Kind. Mann und Kind wurden nach drei Stunden wieder freigelassen.
Am 11. Mai prüfte die Staatsanwaltschaft Maadi Amal Fathys Fall und ordnete 15 Tage Haft für die Dauer der Ermittlungen zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen an – unter anderem "Veröffentlichung eines Videos, das Falschinformationen enthält, die den öffentlichen Frieden beeinträchtigen könnten". Am folgenden Tag verhörte die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit sie in einem weiteren Fall zu ihrer angeblichen Verbindung zur Jugendbewegung 6. April. Für die Dauer der Ermittlungen wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen Gruppe ordnete sie weitere 15 Tage Untersuchungshaft an.
Internet-Trolle kopierten das Video und Fotos von Amal Fathy von ihren Sozialen Medien-Seiten und posteten sie auf Facebook und Twitter zusammen mit geschlechtsspezifischen Beschimpfungen und der Forderung nach ihrer Festnahme. Mehrere regierungsfreundliche und staatliche Medien veröffentlichten Artikel über das Video und behaupteten fälschlich, dass sie eine Aktivistin der Jugendbewegung 6. April sei und bei der ECRF arbeite. Darüberhinaus schrieben sie, dass sie mit dem Direktor der ECRF verheiratet sei und verstießen damit gegen ihr Recht auf Privatsphäre.
Hintergrundinformation
Amal Fathy ist eine ägyptische Aktivistin, die insbesondere auf Fälle von Personen aufmerksam macht, die wegen ihrer Beteiligung an Protesten oder wegen ihrer Aktivitäten in den Sozialen Medien inhaftiert sind. Sie prangert Menschenrechtsverletzungen in Ägypten an, insbesondere die willkürliche Inhaftierung von Aktivist_innen. Sie ist mit Mohamed Lotfy, dem ehemaligen Amnesty-International-Mitarbeiter und derzeitigen Direktor der NGO ECRF (Egyptian Commission for Rights and Freedoms) verheiratet.
Seit der Gründung der ECRF im Jahr 2014 sind ihre Mitglieder schon häufig die Zielscheibe von Regierungsschikane gewesen. Im Juni 2015 wurde Mohamed Lotfy daran gehindert, ein Flugzeug nach Deutschland zu besteigen und die Behörden nahmen ihm den Pass ab, ohne dies zu begründen. Zwei Jahre lang erhielt er keinen neuen Pass. Die ägyptischen Behörden nahmen auch den Vorstandsvorsitzenden der ECRF, Ahmed Abdallah, und die in der ECRF für Minderheiten zuständige Mina Thabet jeweils am 25. April und 19. Mai 2016 zuhause fest. Die Staatsanwaltschaft legte ihnen "Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation" und "versuchter Umsturz" zu Last. Mina Thabet wurde am 20. Juni und Ahmed Abdallah am 10. September 2016 freigelassen, beide gegen Kaution. Im Juli 2015 inhaftierten die Behörden kurzzeitig vier Mitarbeiter_innen der ECRF während sie die Lage in einem Kairoer Slum begutachteten.
Die ECRF ist wegen ihrer Arbeit zu Giulio Regeni weithin bekannt. Der 28-jährige Student der Universität Cambridge war während eines Forschungsaufenthalts in Ägypten entführt und getötet worden. Giulio Regeni verschwand am 25. Januar 2016, als er im Rahmen seiner Doktorarbeit in Kairo zu Gewerkschaften recherchierte. Sein schwer verstümmelter Leichnam wurde am 3. Februar 2016 in einem Graben eines Vororts von Kairo gefunden. Seit Anfang 2015 dokumentiert Amnesty International einen noch nie dagewesenen Anstieg der Fälle des Verschwindenlassens und der Folter in Ägypten. Die ECRF arbeitet zum Fall von Giulio Regeni und dem Verschwindenlassen und hat damit den Unmut der ägyptischen Behörden auf sich gezogen.
Seit November 2017 nehmen die ägyptischen Behörden Aktivist_innen, Journalist_innen, Menschenrechtsverteidiger_innen und sogar Nutzer_innen von Sozialen Medien wegen ihrer Meinungsäußerungen fest. In wenigstens fünf Fällen haben die ägyptischen Behörden diese Personen unter dem Vorwurf "falsche Informationen verbreitet" zu haben, "Missbrauch von sozialen Telekommunikationswerkzeugen" und "Mitgliedschaft in einer verbotenen Vereinigung" in Untersuchungshaft genommen. Diese Anklagen werden normalerweise nur nach Ermittlungen der Staatssicherheitsbehörden erhoben und wenn Beweise gefunden werden, sind dies normalerweise Facebook- oder Twitter-Posts.
Zurzeit laufen zwei Strafverfahren gegen Amal Fathy. Sie sind exemplarisch für diese neuen Gerichtsverfahren. Das erste vor der Staatsanwaltschaft für minderschwere Vergehen in Maadi verhandelt die Vorwürfe "Verbreitung eines Videos in den Sozialen Medien, um öffentlich zum Sturz der Regierung anzustiften", "Veröffentlichung eines Videos, das falsche Informationen enthält, die den öffentlichen Frieden stören könnten" und "Missbrauch von Telekommunikationswerkzeugen". Das zweite Strafverfahren bei der ihr "Mitgliedschaft in einer verbotenen Gruppe", "Nutzung einer Website, um Ideen zu verbreiten, die zu Terrorakten aufrufen" und "absichtliche Verbreitung von Falschinformationen, die der öffentlichen Sicherheit und dem öffentlichen Interesse schaden könnten" wird von der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit verhandelt. Die Staatsanwaltschaft legte keinerlei Beweise vor und verließ sich stattdessen völlig auf den Bericht des Geheimdienstes, den die Rechtsbeistände nicht durchsehen durften. Neben Amal Fathy werden mindestens vier weitere Personen strafrechtlich verfolgt, darunter ein Video-Produzent, ein ehemaliger Politiker der liberalen Partei Dostour, ein Blogger und ein Mitglied der Jugendbewegung 6. April, die eine Bewegung junger Aktivist_innen ist, die 2011 wesentlich an den Protesten zur Absetzung von Hosni Mubarak beteiligt war. Seit 2013 gehen die ägyptischen Behörden mit Festnahmen und Strafbewährungsmaßnahmen gegen die Führung der Jugendbewegung 6. April vor.