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Der chinesische Menschenrechtsverteidiger Zhen Jianghua hinter Gittern auf einer Polizeiwache
© privat
Ibrahim Metwaly, Menschenrechtsanwalt und Mitbegründer der Organisation "Familien von Opfern des Verschwindenlassens", wurde am 10. September festgenommen. Er war auf dem Weg nach Genf, um dort vor der UN-Arbeitsgruppe zur Frage des Verschwindenlassens von Personen zu sprechen. Nachdem er von den ägyptischen Sicherheitskräften für zwei Tage ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten wurde, verlängerte die Staatsanwaltschaft seine Untersuchungshaft um 15 Tage.
Appell an
Innenminister
Magdy Abdel Ghaffar
Ministry of Interior
Fifth Settlement
New Cairo, ÄGYPTEN
Sende eine Kopie an
Stellvertretende Beauftragte für Menschenrechte im Aussenministerium
Laila Bahaa Eldin
Ministry of Foreign Affairs
Corniche el-Nile
Cairo, ÄGYPTEN
Fax: (00 202) 2574 9713
Twitter: @MfaEgypt
Botschaft der Arabischen Republik Ägypten
S. E. Herrn Badr Ahmed Mohamed Abdelatty
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
Amnesty fordert:
- Lassen Sie Ibrahim Metwaly bitte umgehend und bedingungslos frei, da er sich lediglich aufgrund der friedlichen Ausübung seiner Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit in Haft befindet.
- Sorgen Sie bitte dafür, dass er vor Folter oder anderweitiger Misshandlung geschützt ist und regelmäßigen Zugang zu seiner Familie, einem Rechtsbeistand seiner Wahl und der nötigen medizinischen Versorgung erhält.
- Leiten Sie bitte eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Vorwürfe des Verschwindenlassens ein und unterzeichnen Sie bitte das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen.
Sachlage
Am 12. September verlängerte die Staatsanwaltschaft die Untersuchungshaft des Menschenrechtsanwalts Ibrahim Metwaly um 15 Tage. Ihm wird vorgeworfen eine illegale Gruppierung gegründet zu haben, die sich "Organisation der Familien von 'Verschwundenen' in Ägypten" nennt. Zudem wird ihm vorgeworfen "Falschinformationen zu verbreiten" und "mit ausländischen Gruppen zu konspirieren, um der nationalen Sicherheit Ägyptens zu schaden". Ibrahim Metwaly leidet an chronischen Rückenschmerzen.
Er sollte am 10. September um 9:45 Uhr, auf Einladung der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zur Frage des Verschwindenlassens von Personen nach Genf fliegen, um über die Praxis des Verschwindenlassens in Ägypten zu sprechen. Um 9:05 Uhr kam er am Kairoer Flughafen an. Er wurde von einer Person angesprochen, die behauptete, sie arbeite für EgyptAir und ihn an einen unbekannten Ort im Flughafen brachte. Die ägyptischen Sicherheitskräfte hielten ihn dann zwei Tage lang ohne Kontakt zur Außenwelt an diesem Ort fest. Am 12. September tauchte er wieder auf als er der Obersten Anklagebehörde des Geheimdienstes in Kairo vorgeführt wurde. Die Polizei durchsuchte und plünderte sein Haus in Kafr asch-Schaich.
Als Beweis wird gegen Ibrahim Metwaly unter anderem das Einladungsschreiben der UN-Arbeitsgruppe zur Frage des Verschwindenlassens von Personen vorgelegt. Amnesty International ist der Ansicht, dass die Anklage gegen Ibrahim Metwaly vollkommen gegenstandslos ist und nur eine Vergeltungsmaßnahme für die friedliche Ausübung seiner Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit darstellt. Die Behörden haben nun zum zweiten Mal ein Mitglied der Organisation "Familien von Opfern des Verschwindenlassens" ins Visier genommen, nachdem die Mitbegründerin Hanan Badr el-Din am 20. Mai festgenommen wurde.
Laut der örtlichen Menschenrechtsgruppe "Ägyptische Kommission für Rechte und Freiheiten" haben Sicherheitskräfte zwischen Januar und August des Jahres 2017 mindestens 165 Menschen "verschwinden" lassen.
Hintergrundinformation
Der Menschenrechtsanwalt Ibrahim Metwaly gründete die "Organisation der Familien der Verschwundenen in Ägypten" zusammen mit Hanan Badr el-Din, nachdem sein Sohn Amr am 8. Juli 2013 "verschwunden" war. Er suchte in Polizeistationen, Gefängnissen, Krankenhäusern und Leichenhallen erfolglos nach seinem Sohn. Die ägyptischen Sicherheitskräfte leugnen jegliche Kenntnis über seinen Verbleib.
Die Mitbegründerin der Organisation, Hanan Badr el-Din, wurde bereits am 20. Mai 2017 von ägyptischen Sicherheitskräften festgenommen. Sie befindet sich noch immer in Untersuchungshaft. Sie wurde im Qanatar-Gefängnis im Ballungsraum Kairo festgenommen, als sie dort einen Gefangenen besuchte. Sie wollte von dem ehemaligen Opfer des Verschwindenlassens etwas über ihren Mann in Erfahrung bringen, der ebenfalls seit dem 27. Juli 2013 "verschwunden" ist. Die Gefängniswärter_innen warfen ihr vor, nicht genehmigte Waren in das Gefängnis geschmuggelt zu haben. Diese Anklage ließ die Staatsanwaltschaft inzwischen fallen und wirft ihr nun stattdessen vor, einer verbotenen Gruppe anzugehören. Die Staatsanwaltschaft verlängert ihre Haft alle zwei Wochen seit sie im Gefängnis festgenommen wurde.
Amnesty International hat umfassend dokumentiert, wie Sicherheitskräfte in Ägypten gezielt auf die Praxis des Verschwindenlassens zurückgreifen, um gegen politische Aktivist_innen und Protestierende vorzugehen, darunter auch Studierende und Minderjährige. Die Behörden sind dort für die willkürliche Festnahme und das Verschwindenlassen von Hunderten Personen verantwortlich, da sie die Inhaftierung der Betroffenen leugnen bzw. sich weigern, Informationen über deren Schicksal und Verbleib herauszugeben. Personen, die auf diese Weise festgehalten werden, haben weder Zugang zu ihren Familien noch ihren Rechtsbeiständen und werden außerhalb des Justizwesens ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Ägyptischen NGOs zufolge werden in Ägypten pro Tag durchschnittlich drei bis vier Personen Opfer einer Entführung und des Verschwindenlassens. Diese rechtswidrige Praxis wird insbesondere seit März 2015 deutlich, damals ernannte Präsident Abdel Fattah al-Sisi den Generalmajor Magdy Abd el-Ghaffar zum Innenminister. Weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Amnesty-Bericht 'Officially, you do not exist’ – Disappeared and tortured in the name of counter-terrorism, 13. Juli 2016: https://www.amnesty.org/en/documents/mde12/4368/2016/en/).
Verschwindenlassen leistet häufig Folter und anderer Misshandlung Vorschub. Opfer des Verschwindenlassens in Ägypten (darunter auch Minderjährige) und ihre Familien haben gegenüber Amnesty International über Folter und Misshandlung durch Angehörige der Abteilung für Innere Sicherheit berichtet, die das Ziel habe, ein "Geständnis" oder die Beschuldigung anderer Personen zu erzwingen. Solche "Geständnisse" wurden dann dazu genutzt, eine anhaltende Untersuchungshaft zu rechtfertigen, oder als belastende Beweise vor Gericht verwendet. In einigen Fällen zeichneten Angehörige der Abteilung für Innere Sicherheit die "Geständnisse" von Häftlingen auf und gaben sie an die lokalen Medien weiter.
Folterüberlebende und Augenzeug_innen berichten u. a. über folgende Foltermethoden: Elektroschocks, z. B. an empfindlichen Körperteilen wie den Genitalien, Lippen und Ohren; Aufhängen an den Gliedmaßen, während die betroffene Person nackt und mit Handschellen gefesselt ist; sexueller Missbrauch wie z. B. Vergewaltigung; sowie Schläge und Drohungen.
Die ägyptischen Behörden leugnen regelmäßig die Praxis des Verschwindenlassens. Erst am 4. Juni erklärte Alaa Abed, der Leiter des Menschenrechtsausschusses des ägyptischen Parlaments, in der Zeitung Parlmany, dass es "keine Fälle des Verschwindenlassens gibt; der Begriff wurde vielmehr von der Muslimbruderschaft und anderen staatsfeindlichen Gruppen erfunden". Im März 2016 sagte der ägyptische Innenminister: "Verschwindenlassen existiert in Ägypten nicht, und die Sicherheitskräfte operieren innerhalb des Rechtsrahmens." Doch ägyptische Menschenrechtsgruppen kritisieren die Aussagen des Innenministeriums als Leugnungen und verweisen auf Hunderte dokumentierte Fälle des Verschwindenlassens.
Ägypten ist kein Vertragsstaat des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen.