Einzelhaft und Foltervorwürfe

Schriftzug "Stop Folter", Folter dabei durchgestrichen

Der Menschenrechtsanwalt Ibrahim Metwaly wird in Einzelhaft festgehalten. Nun erhebt er Folter- und Misshandlungsvorwürfe. Der Mitbegründer der ägyptischen Organisation "Familien von Opfern des Verschwindenlassens" ist seit dem 10. September inhaftiert und hat seitdem keinen Kontakt zu seinen Angehörigen.

Appell an

Innenminister

Magdy Abdel Ghaffar

Ministry of Interior 

Fifth Settlement, New Cairo

ÄGYPTEN

Sende eine Kopie an

Stellvertretende Beauftragte für Menschenrechte im Aussenministerium

Laila Bahaa Eldin

Ministry of Foreign Affairs

Corniche el-Nile

Cairo, ÄGYPTEN


Fax: (00 202) 2574 9713

E-Mail: contact.us@mfa.gov.eg

Twitter: @MfaEgypt

 

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN

S. E. Herrn Badr Ahmed Mohamed Abdelatty

Stauffenbergstraße 6-7

10785 Berlin


Fax: 030-477 1049

E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Ibrahim Metwaly bitte umgehend und bedingungslos frei, da er sich lediglich aufgrund der friedlichen Ausübung seiner Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit in Haft befindet.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass er bis zu seiner Freilassung vor Folter oder anderweitiger Misshandlung geschützt ist und regelmäßigen Zugang zu seiner Familie erhält. Sorgen Sie außerdem für menschliche Haftbedingungen und beenden Sie die Einzelhaft.
  • Leiten Sie bitte eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Foltervorwürfe ein.
  • Leiten Sie bitte auch eine unabhängige und unparteiische Untersuchung aller Vorwürfe des Verschwindenlassens ein – einschließlich des Falles von Ibrahim Metwalys Sohn – und unterzeichnen Sie bitte das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen.

Sachlage

Am 20. September erzählte Ibrahim Metwaly seinen Rechtsbeiständen, dass er nach seiner Festnahme am Flughafen von den Sicherheitskräften über Nacht dort festgehalten worden sei. Anschließend wurde er in den Sitz des Geheimdienstes im Kairoer Stadtteil Abasseya überstellt. Außerdem berichtete er, wie er sich vor Geheimdienstangehörigen nackt ausziehen musste und so an verschiedenen Körperteilen mit Elektroschocks gefoltert wurde. Er wurde mit Wasser übergossen und geschlagen. Ohne die Anwesenheit eines Rechtsbeistands wurde Ibrahim Metwaly von den Beamt_innen wiederholt zu seinen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Praxis des Verschwindenlassens in Ägypten verhört. Als Ibrahim Metwaly zwei Tage nach seiner Festnahme der Obersten Anklagebehörde des Geheimdienstes in Kairo vorgeführt wurde, sagte er dem Staatsanwalt, dass er gefoltert wurde. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass die ägyptischen Behörden diese Foltervorwürfe untersuchen würden.

Nach der Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft wurde Ibrahim Metwaly von den ägyptischen Behörden in das Hochsicherheitsgefängnis Tora im Süden von Kairo gebracht, wo er in Einzelhaft festgehalten wird. Der Boden seiner Zelle ist mit Wasser bedeckt, es gibt weder Strom noch Bettwäsche. Seine Rechtsbeistände haben den Gefängnisbehörden diese Zustände gemeldet, erhielten jedoch nie eine Antwort.

Ibrahim Metwaly wird vorgeworfen eine illegale Gruppierung gegründet zu haben, die sich "Organisation der Familien von 'Verschwundenen' in Ägypten" nennt. Zudem wird ihm vorgeworfen "Falschinformationen zu verbreiten" und "mit ausländischen Gruppen zu konspirieren, um der nationalen Sicherheit Ägyptens zu schaden". Amnesty International ist der Ansicht, dass die Anklage gegen Ibrahim Metwaly vollkommen gegenstandslos ist und nur eine Vergeltungsmaßnahme für die friedliche Ausübung seiner Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit darstellt.  Seine Angehörigen versuchten ihn am 25. September zu besuchen. Die Gefängnisbehörde lehnte das Besuchsgesuch jedoch mit der Begründung ab, dass er keinen Besuch empfangen dürfe.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der Menschenrechtsanwalt Ibrahim Metwaly gründete die "Organisation der Familien der Verschwundenen in Ägypten" zusammen mit Hanan Badr el-Din, nachdem sein Sohn Amr am 8. Juli 2013 "verschwunden" war. Er suchte in Polizeistationen, Gefängnissen, Krankenhäusern und Leichenhallen erfolglos nach seinem Sohn. Die ägyptischen Sicherheitskräfte leugnen jegliche Kenntnis über seinen Verbleib.

Am 12. September ordnete die Oberste Anklagebehörde des Geheimdienstes eine 15-tägige Inhaftierung des Menschenrechtsanwalts Ibrahim Metwaly an. Ihm wird vorgeworfen eine illegale Gruppierung gegründet zu haben und zu leiten, die sich "Organisation der Familien von 'Verschwundenen' in Ägypten" nennt. Zudem wird ihm vorgeworfen "Falschinformationen zu verbreiten" und "mit ausländischen Gruppen zu konspirieren, um der nationalen Sicherheit Ägyptens zu schaden". Ibrahim Metwaly ist 52 Jahre alt und leidet an chronischen Rückenschmerzen. Die Behörden haben nun zum zweiten Mal ein Mitglied der Organisation "Familien von Opfern des Verschwindenlassens" ins Visier genommen, nachdem die Mitbegründerin Hanan Badr el-Din am 20. Mai festgenommen wurde.

Amnesty International hat umfassend dokumentiert, wie Sicherheitskräfte in Ägypten gezielt auf die Praxis des Verschwindenlassens zurückgreifen, um gegen politische Aktivist_innen und Protestierende vorzugehen, darunter auch Studierende und Minderjährige. Die Behörden sind dort für die willkürliche Festnahme und das Verschwindenlassen von Hunderten Personen verantwortlich, da sie die Inhaftierung der Betroffenen leugnen bzw. sich weigern, Informationen über deren Schicksal und Verbleib herauszugeben. Personen, die auf diese Weise festgehalten werden, haben weder Zugang zu ihren Familien noch ihren Rechtsbeiständen und werden außerhalb des Justizwesens ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Ägyptischen NGOs zufolge werden in Ägypten pro Tag durchschnittlich drei bis vier Personen Opfer einer Entführung und des Verschwindenlassens. Diese rechtswidrige Praxis wird insbesondere seit März 2015 deutlich, damals ernannte Präsident Abdel Fattah al-Sisi den Generalmajor Magdy Abd el-Ghaffar zum Innenminister. Nähere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Amnesty-Bericht 'Officially, you do not exist’ – Disappeared and tortured in the name of counter-terrorism, 13. Juli 2016: https://www.amnesty.org/en/documents/mde12/4368/2016/en/).

Verschwindenlassen leistet häufig Folter und anderer Misshandlung Vorschub. Opfer des Verschwindenlassens in Ägypten (darunter auch Minderjährige) und ihre Familien haben gegenüber Amnesty International über Folter und Misshandlung durch Angehörige der Abteilung für Innere Sicherheit berichtet, die das Ziel habe, ein "Geständnis" oder die Beschuldigung anderer Personen zu erzwingen. Solche "Geständnisse" wurden dann dazu genutzt, eine anhaltende Untersuchungshaft zu rechtfertigen, oder als belastende Beweise vor Gericht verwendet. In einigen Fällen zeichneten Angehörige der Abteilung für Innere Sicherheit die "Geständnisse" von Häftlingen auf und gaben sie an die lokalen Medien weiter.

Die ägyptischen Behörden leugnen regelmäßig die Praxis des Verschwindenlassens. Erst am 4. Juni erklärte Alaa Abed, der Leiter des Menschenrechtsausschusses des ägyptischen Parlaments, in der Zeitung Parlmany, dass es "keine Fälle des Verschwindenlassens gibt; der Begriff wurde vielmehr von der Muslimbruderschaft und anderen staatsfeindlichen Gruppen erfunden". Im März 2016 sagte der ägyptische Innenminister: "Verschwindenlassen existiert in Ägypten nicht, und die Sicherheitskräfte operieren innerhalb des Rechtsrahmens." Doch ägyptische Menschenrechtsgruppen kritisieren die Aussagen des Innenministeriums als Leugnungen und verweisen auf Hunderte dokumentierte Fälle des Verschwindenlassens.

Ägypten ist kein Vertragsstaat des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen. Angaben der örtlichen Menschenrechtsorganisation Egyptian Commission for Rights and Freedoms wurden zwischen Januar und August 2017 mindestens 165 Personen Opfer des Verschwindenlassens durch die Sicherheitskräfte.