Ägypten: Drei Jahre Haft wegen Anti-Folter-T-Shirt

Ein junger Mann mit kurzen, lockigen, schwarzen Haaren lächelt. Es ist Mahmoud Hussein. Im Hintergrund Bäume.

Der ägyptische Anti-Folter-Aktivist Mahmoud Hussein (undatiertes Foto)

Am 26. Juni verurteilte das ägyptische Staatssicherheitsgericht (ESSC) den Anti-Folter-Aktivisten Mahmoud Hussein zu drei Jahren Haft, nur weil er ein T-Shirt mit einem Slogan gegen Folter trug. Der als "T-Shirt-Häftling" bekannt gewordene junge Mann wurde nach dem Gerichtsurteil zur Verbüßung seiner Reststrafe festgenommen. Er hatte bereits zwei Jahre und 10 Monate in Untersuchungshaft verbracht. Er wird derzeit auf der Polizeiwache El Marg in Kairo festgehalten, wo den Gefangenen Besuche von Angehörigen oder Rechtsbeiständen untersagt sind.

Appell an

President Abdelfattah al-Sisi
Office of the President
Al Ittihadia Palace 
Cairo, ÄGYPTEN 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Arabischen Republik Ägypten
S. E. Herrn Khaled Galal Abdelhamid
Stauffenbergstraße 6 – 7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie dringend auf, Mahmoud Husseins ungerechtfertigte Verurteilung und Strafe aufzuheben und ihn sofort aus der willkürlichen Haft freizulassen.
  • Bis zu seiner Freilassung muss ihm umgehend Zugang zu seiner Familie, seinen Rechtsbeiständen und jeder benötigten medizinischen Versorgung gewährt werden. Er muss vor Folter und anderer Misshandlung geschützt werden und seine Haftbedingungen müssen überdies den internationalen Standards für die Behandlung von Gefangenen genügen.
  • Berichte, wonach er bei seiner ersten Festnahme im Jahr 2014 gefoltert und anderweitig misshandelt wurde, müssen wirksam, unabhängig und unparteiisch untersucht werden.

Sachlage

Mahmoud Hussein wurde von einem ägyptischen Staatssicherheitsgericht (ESSC) zu drei Jahren Haft verurteilt. Verfahren vor den Staatssicherheitsgerichten sind grundsätzlich nicht fair, denn ihre Urteile können nicht vor einem höheren Gericht angefochten werden. Doch sie müssen durch den Präsidenten ratifiziert werden.

Die Sicherheitskräfte nahmen den damals 18-jährigen Mahmoud Hussein erstmalig am 25. Januar 2014 fest, im Anschluss an die Proteste anlässlich des dritten Jahrestags der Revolution vom 25. Januar. Er trug ein T-Shirt mit dem Slogan "Eine Nation ohne Folter" und einen Schal mit dem Emblem der Revolution vom 25. Januar. Anschließend verbrachte er zwei Jahre in willkürlicher Untersuchungshaft, bevor er 2016 nach Protesten von Aktivist*innen und Unterstützer*innen gegen Kaution freigelassen wurde. 2018 sprach ein Gericht ihn in Abwesenheit schuldig und verurteilte ihn zu lebenslanger Haft. Am 30. August 2023 wurde Mahmoud Hussein erneut festgenommen. Er sollte in Untersuchungshaft auf eine Neuverhandlung warten. Am 23. April 2024 ordnete das Kairoer Strafgericht seine Freilassung gegen Kaution an, doch die Behörden hielten ihn bis zum 26. Mai 2024 fest, bevor sie ihn schließlich freiließen. Erst dann konnte er seine Lieben wiedersehen. Nach dem Urteil vom 26. Juni wurde er erneut inhaftiert. Er wird derzeit auf der Polizeiwache El Marg in Kairo festgehalten, wo den Gefangenen Besuche untersagt sind.

Mahmoud Husseins körperlicher und geistiger Gesundheitszustand hat sich während seiner Haftzeit massiv verschlechtert. Amnesty International dokumentierte bereits, wie er nach seiner Festnahme im Jahr 2014 von Angehörigen des Geheimdienstes gefoltert und auf andere Weise misshandelt wurde. Er leidet unter chronischen Gesundheitsschäden, die bereits zwei Hüftoperationen erforderlich machten. Im November 2023 musste er im Badr-Gefängniskrankenhaus eine Analfistel operativ behandeln lassen. Seine Familie ist äußerst besorgt um sein Wohlergehen, da sein Gesundheitszustand eine regelmäßige Überwachung durch medizinische Fachkräfte erfordert.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Sicherheitskräfte nahmen den damals 18-jährigen Mahmoud Hussein erstmalig am 25. Januar 2014 fest, im Anschluss an die Proteste anlässlich des dritten Jahrestags der Revolution vom 25. Januar. Sie hielten ihn an einem Kontrollpunkt im Stadtteil El-Marg im Norden Kairos an, als er mit einem Bus von Protesten nach Hause fuhr, und nahmen ihn willkürlich fest, nur weil er ein T-Shirt mit dem Slogan "Eine Nation ohne Folter" und einen Schal mit dem Emblem der Revolution vom 25. Januar trug. Amnesty International dokumentierte, wie er nach seiner Festnahme im Jahr 2014 von Angehörigen des Geheimdienstes gefoltert und auf andere Weise misshandelt wurde, darunter mit Schlägen und Elektroschocks an Händen, Rücken und Hoden. Durch die Folter wurde er dazu gebracht, die Mitgliedschaft in einer verbotenen Gruppe, den Besitz von Molotowcocktails und Handgranaten sowie die Teilnahme an nicht genehmigten Protesten zu "gestehen". Dieses erzwungene "Geständnis" wurde auf Video aufgezeichnet. Einen Tag, nachdem er vor der Kamera "gestanden" hatte, wurde Mahmoud Hussein von der Obersten Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) verhört. Er stritt alle Vorwürfe ab und sagte, er sei gefoltert worden, um zu "gestehen". Dennoch ordnete die Staatsanwaltschaft weder eine gerichtsmedizinische Untersuchung noch Ermittlungen zu seinen Foltervorwürfen an.

Mahmoud Hussein blieb sechs Tage lang im Polizeirevier El-Marg und wurde später in das Gefängnis Abu Zaabal verlegt. Dort wurde er bei seiner Ankunft geschlagen. Im Mai 2014 wurde er in das Kairoer Tora-Berufungsgefängnis verlegt, wo er ebenfalls mindestens zweimal geschlagen wurde. Dann wurde er in das Tora-Untersuchungsgefängnis in Kairo verlegt. Er blieb schließlich unter dem Aktenzeichen 715/2014 in El-Marg im Nordosten Kairos in Untersuchungshaft und wurde am 31. Januar 2016 vor Gericht gestellt. Am 24. März 2016 kam er gegen eine Kaution in Höhe von 1.000 Ägyptischen Pfund (etwa 30 Euro) frei. Aufgrund von Folter und anderen Misshandlungen leidet er unter chronischen Gesundheitsproblemen. Seit der Freilassung aus dem Gefängnis ist Mahmoud Hussein beim Gehen auf einen Krückstock angewiesen und hatte schon zwei Hüftoperationen.

Mahmoud Hussein wird derzeit auf der Polizeiwache El Marg in Kairo festgehalten. Seine Zelle ist überfüllt, es gibt keine Betten und keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Allen hier Inhaftierten werden Besuche verweigert.

Die erneute Festnahme von Mahmoud Hussein erfolgt vor dem Hintergrund einer weiteren Festnahmewelle von Kritiker*innen und Angehörigen von im Ausland lebenden Dissident*innen. Im August 2023 nahmen die Behörden die Väter des in Belgien lebenden Journalisten Ahmed Gamal Ziada und des in Deutschland lebenden deutsch-ägyptischen Aktivisten Fagr al-Adly fest. Mahmoud Hussein ist einer von Tausenden, die in Ägypten willkürlich inhaftiert wurden – allein wegen der Wahrnehmung ihrer Menschenrechte oder nach Verfahren, die gegen internationale Standards für faire Gerichtsverfahren verstoßen oder jeder rechtlichen Grundlage entbehren. Zu den Inhaftierten gehören Menschenrechtsverteidiger*innen, politische Aktivist*innen, Oppositionelle, Gewerkschaftsmitglieder, Arbeiter*innen, friedlich Protestierende, Journalist*innen, Social-Media-Influencer*innen sowie Angehörige religiöser Minderheiten und Beschäftigte im Gesundheitswesen. 2013 wurden 834 Gefangene, die sich aus politischen Gründen in Haft befanden, freigelassen, doch war die Zahl der Personen, die von den Behörden festgenommen wurden, drei Mal so hoch. Die Oberste Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) verhörte mindestens 2.504 verdächtigte Kritiker*innen oder Oppositionelle wegen Beschuldigungen wie der Beteiligung an terrorismusbezogenen Straftaten, Internetkriminalität oder Protesten sowie der "Verbreitung von Falschnachrichten". Staatsanwält*innen und Richter*innen der SSSP verlängern routinemäßig die Untersuchungshaft von Tausenden von Gefangenen, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung anzufechten.

Amnesty International hat außerdem dokumentiert, wie Staatsanwält*innen der SSSP routinemäßig neue Ermittlungen wegen ähnlicher falscher Anschuldigungen wie bereits bestehende gegen inhaftierte Personen einleiten und so immer neue Fälle eröffnen. Diese Praxis, die gemeinhin als "Rotation" bezeichnet wird, ermöglicht die unbefristete Inhaftierung von Personen, die ihre Strafe bereits verbüßt haben, von Gerichten freigelassen wurden oder länger als zwei Jahre - der nach ägyptischem Recht zulässigen Höchstdauer - in Untersuchungshaft sind.

Nach seiner Freilassung aus der Haft im Jahr 2016 hatte Mahmoud Hussein versucht, sein Leben wieder aufzubauen. Er eröffnete ein kleines Unternehmen, das T-Shirts herstellt, und machte seiner Freundin einen Heiratsantrag. Außerdem hatte er sich in medizinische und therapeutische Behandlung begeben.