Haiti: Morddrohungen gegen Menschenrechtsverteidiger

Das Bild zeigt Personen auf einem Feld, bei der Ernte

Milostène Castin setzt sich für die Rechte von Kleinbäuer_innen im Nordosten von Haiti ein, die von Landnahme, Vertreibung, Korruption und gewalttätigen Angriffen betroffen sind. Der Aktivist wurde aufgrund seines Einsatzes mehrfach angegriffen und eingeschüchtert. Ende des Jahres 2020 gaben Bewaffnete mehrere Schüsse auf ihn ab und zerschlugen die Fensterscheiben seines Hauses. Ein Unbekannter versuchte zudem eines der Kinder von Milostène Castin zu entführen. Am 12. Mai 2021 erhielt Milostène Castin eine Morddrohung.

Appell an

Jovenel Moïse

President of the Republic of Haiti

1, Rue de la République

Palais National

Port-au-Prince

HAITI

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Haiti

S.E. Herrn Frantz Bataille

Uhlandstraße 14, 10623 Berlin

Fax: 030-8862 4279

E-Mail: amb.allemagne@diplomatie.ht

Amnesty fordert:

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass die Regierung und die haitianische Nationalpolizei umgehend umfangreiche und wirksame Schutzmaßnahmen entsprechend den Wünschen von Milostène Castin ergreift. Damit soll erreicht werden, dass Milostène Castin sich sicher fühlt, er wieder nach Hause zurückkehren kann und er weiter seinen legitimen Aktivitäten als Menschenrechtsverteidiger nachgehen kann.
  • Leiten Sie bitte umgehend eine unabhängige Untersuchung ein, um die Verantwortlichen für die Einschüchterungsversuche gegen ihn und seine Familie zu ermitteln und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.
  • Es ist Ihre Pflicht zu garantieren, dass Menschenrechtsverteidiger_innen ihre Arbeit ohne Angst vor Repressalien ausüben können, wie es in der UN-Erklärung über Menschenrechtsverteidiger von 1998 festgelegt ist.

Sachlage

Milostène Castin ist ein Menschenrechtsaktivist und Koordinator der Action pour la Reforestation et la Défense de L’Environments (AREDE), einer Umweltorganisation in Trou-du-Nord, einer Stadt im Nordosten von Haiti. Die Organisation setzt sich für die Rechte von Kleinbäuer_innen ein, die von illegaler Landnahme, Vertreibung und Angriffen bedroht sind.



Seit fast zehn Jahren wird Milostène Castin immer wieder angegriffen und eingeschüchtert, weil er sich für die Rechte der Kleinbäuer_innen einsetzt. Im November und Dezember 2020 kam es zu verschärften Angriffen: Eine Gruppe bewaffneter Männer tauchte mehrmals vor seinem Haus auf und schoss um sich. Zwei Mal zerschlugen sie die Fensterscheiben seines Hauses. Dabei wurde eines seiner Kinder verletzt. Zudem erschien ein unbekannter Mann vor der Schule des Kindes von Milostène Castin – allem Anschein nach ein Entführungs- oder Einschüchterungsversuch. Der Aktivist und seine Familie fürchten um ihre Sicherheit und waren daher gezwungen ihr zu Hause zu verlassen.



Obwohl diese Vorfälle an die haitianischen Behörden gemeldet wurden, erhielt der Aktivist keinen Schutz, sodass er diesen Angriffen weiterhin ausgesetzt ist. Am 12. Mai 2021 teilte man Milostène Castin mit, dass die Behörden ihn "tot sehen" wollen, weil er die Rechte von Bäuer_innen verteidigt, die von Enteignung bedroht sind.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Seit 2013 organisiert die Organisation AREDE Kampagnen gegen die Landnahme, Einschüchterung und Vertreibung von Kleinbäuer_innen durch bewaffnete Gruppen, die unter Verdacht stehen, Unternehmensinteressen durchsetzen zu wollen und mit der Regierung von Haiti in Verbindung zu stehen. Bewaffnete Banden griffen Milostène Castin mehrmals wegen seines Einsatzes für die Rechte von haitianischen kleinbäuerlichen Gemeinschaften an und versuchten ihn zu töten. So wurde er 2019 bei friedlichen Protesten gegen Korruption und Straflosigkeit, welche im ganzen Land gewaltsam unterdrückt wurden, Opfer einer Messerstecherei.



2020 sahen sich immer mehr haitianische Kleinbäuer_innen von Enteignungen und Gewalt bedroht und erhielten Drohungen. Milostène Castin unterstützte die Kleinbäuer_innen, in dem er ihre Fälle dokumentierte und für sie eintrat. Darüber hinaus organisierte er friedliche Proteste. Am 10. Oktober 2020 wurde Milostène Castin zu Hause von sechs Männern aufgesucht, die sich mehrere Stunden lang vor dem Haus des Aktivisten positionierten und begannen um sich zu schießen. Währenddessen wurde eine Fensterscheibe seines Hauses zerschlagen, in dem sich der Aktivist und seine Familie zu diesem Zeitpunkt aufhielten. Zudem suchte ein unbekannter Mann mehrmals die Schule eines Kindes des Aktivisten auf und fragte dort nach dem Namen des Kindes – scheinbar ein Entführungs- oder Einschüchterungsversuch. Aus Sicherheitsgründen durfte das Kind die Schule nicht mehr besuchen.



Im November und Dezember 2020 erschienen bewaffnete Männer regelmäßig vor Milostène Castins Haus und schossen um sich. Am 31. Dezember erschienen die bewaffneten Männer erneut, schossen um sich und schlugen zudem die Fensterscheiben des Hauses mit Steinen und Flaschen ein. Dabei wurde erneut eines der Kinder von Milostène Castin verletzt. Der Aktivist rief die Polizei, doch diese unternahm nichts, um die Familie zu schützen oder die Angreifer zu verhaften.



Aufgrund dieser Angriffe und Einschüchterungen sahen Milostène Castin und seine Familie sich gezwungen ihr Haus zu verlassen. Seine Kinder dürfen die Schule aus Sicherheitsgründen nicht mehr besuchen. Nachdem die Familie ihr Haus verlassen hatte, kam die bewaffnete Gruppe erneut dort hin und suchte nach Milostene Castin.



Am 12. Mai 2021 teilte ein Mitglied der Regierungspartei Milostène Castin mit, dass Regierungsangehörige den Aktivisten "tot sehen wollen". Aufgrund von Informationen, die der Aktivist von vertrauenswürdigen Kontakten erhielt, glaubt er, dass er angegriffen wird, weil er sich für die Rechte der von Enteignung bedrohten Bauern einsetzt. Offenbar stehen die Angreifer_innen mit der Regierung und Unternehmen in Verbindung.