Deutschland: Afghanische Schutzsuchende aus Pakistan aufnehmen!
Aus Pakistan abgeschoben: Afghanische Schutzsuchende auf einem Laster am Torkham-Grenzübergang auf dem Weg zurück nach Afghanistan, nachdem sie von der pakistanischen Polizei festgenommen wurden (8. April 2025).
© IMAGO / ZUMA Press Wire
Über 2.000 Afghan*innen mit Aufnahmezusage warten in Pakistan immer noch auf ihre sichere Ausreise nach Deutschland. Der Großteil von ihnen sind Frauen und Kinder.
Mehr als 200 Afghan*innen wurden bereits aus Pakistan nach Afghanistan abgeschoben – obwohl sie schon längst sicher hier sein könnten. Die Bundesregierung hätte das verhindern und die Menschen ausfliegen können. Stattdessen hat sie auf Zeit gespielt und gleichzeitig mehr und mehr schutzsuchenden Afghan*innen ihre Aufnahmezusagen für Deutschland entzogen. Dabei hatte Pakistan zuvor wiederholt über seine Abschiebepläne informiert.
Zwar kündigte die Bundesregierung nun an, es könne endlich losgehen mit den Einreisen – das scheint aber nicht für all diese Menschen auch tatsächlich zu gelten. Vielmehr setzt sich die Bundesregierung nur in den Fällen in Bewegung, wo Gerichte Druck machen und Strafgelder androhen. Dies war auch der Fall bei den zehn afghanischen Familien mit Aufnahmezusage, die am 1. September 2025 nach Hannover fliegen konnten, nachdem sie erfolgreich vor deutschen Verwaltungsgerichten geklagt hatten.
Wir fordern daher von Bundesinnenminister Dobrindt und Bundesaußenminister Wadephul:
- Lassen Sie sofort alle schutzsuchenden Afghan*innen mit Aufnahmezusage für Deutschland einreisen, bevor es zu weiteren Abschiebungen kommt!
- Stellen Sie dafür das nötige Budget und Personal bereit, sodass jetzt Visa erteilt, Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt und Unterkünfte für die Wartenden weiterhin bereitgestellt werden können!
- Beschleunigen Sie die Verfahren, bevor es zu weiteren Menschenrechtsverletzungen kommt!
Unterstütze auch du unsere Forderungen und beteilige dich an unserer Online-Aktion an den Bundesinnenminister und den Bundesaußenminister.
Hintergrundinformation
Am 13. August 2025 wurden zum ersten Mal Afghan*innen mit rechtskräftiger Aufnahmezusage für Deutschland aus Pakistan nach Afghanistan abgeschoben. Seither sind besonders gefährdete Afghan*innen – darunter Frauenrechtler*innen, Anwält*innen, ehemalige Ortskräfte, Journalist*innen, LGBTI+* und Angehörige anderer vulnerabler Gruppen – vor Abschiebungen nach Afghanistan trotz deutscher Aufnahmezusage nicht mehr sicher.
Seit der Machtübernahme durch die Taliban sind in Afghanistan insbesondere Frauen und Mädchen massiv in Gefahr. Laut Einschätzung von Amnesty International begehen die Taliban das Verbrechen gegen die Menschlichkeit der geschlechtsspezifischen Verfolgung. Die Zurückweisung von Afghan*innen nach Afghanistan verstößt außerdem gegen das internationale Non-Refoulement-Gebot, da jeder einzelnen Person bei Abschiebung Folter und Misshandlung drohen kann.
Insgesamt sind jetzt schon über 200 Menschen mit Aufnahmezusage für Deutschland nach Afghanistan abgeschoben worden. 450 Personen waren zwischenzeitlich in pakistanischer Abschiebehaft. Betroffene berichteten von Misshandlungen, Schlägen gegen Frauen und Kinder und Familientrennungen durch die pakistanischen Behörden. Rund 2.300 Menschen mit Aufnahmezusage befinden sich insgesamt noch in Afghanistan und Pakistan.
Erst nach positiven Beschlüssen des Berliner Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg und sogar der Androhung von Zwangsgeld hat die Bundesregierung nun angekündigt, Einreisen zu veranlassen – jedoch zunächst nur für ein paar Dutzend Personen, die alle bereits erfolgreich den Rechtsweg bestritten hatten.
Zwar hat Pakistan die Abschiebungen nun bis Ende August gestoppt. Doch es ist faktisch augeschlossen, dass alle Betroffenen bis zur Wiederaufnahme der Abschiebungen sicher nach Deutschland ausreisen können aufgrund der Aussetzung der Prüfverfahren (seit Mai 2025), des fehlenden Personals in Islamabad (zum Beispiel des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge), der unzureichenden Finanzierung der Programme und des voraussichtlichen Auslaufens der GIZ-Unterstützung im September. Laut pakistanischen Behörden sollen bereits ab Anfang September wieder Abschiebungen stattfinden.
Für alle in Islamabad festsitzenden Personen, inklusive derjenigen, die bereits abgeschoben wurden, wurde die Schutzbedürftigkeit bereits festgestellt durch die zuständigen Ministerien (Bundesinnenministerium, Auswärtiges Amt und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) sowie durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Alle diese Menschen haben durch die Bundesregierung eine Aufnahmezusage für eines der deutschen Aufnahmeprogramme erhalten – darunter das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan (BAP) und das Ortskräfteverfahren.
In den vergangenen Wochen haben mindestens 20 Verwaltungsgerichtsbeschlüsse bestätigt, dass es sich um rechtlich bindende Aufnahmezusagen handelt und die Bundesregierung verpflichtet ist, diese umgehend umzusetzen. Das Verwaltungsgericht Berlin droht dem Auswärtigen Amt nun sogar Zwangsgelder an, wenn es Afghan*innen mit Aufnahmezusagen nicht schnellstmöglich Visa erteilt. Sollte die Bundesregierung der Weisung der Gerichte weiterhin keine Folge leisten, macht sie sich strafbar. Das stellt auch ein einschlägiges Rechtsgutachten fest. Unter anderem wegen unterlassener Hilfeleistung wurde nun von ProAsyl und dem Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte sogar Strafanzeige gegen die Minister Dobrindt und Wadephul gestellt.