Wer zahlt Therapien für Folteropfer?
Viele EU-Länder wollen Therapien für Folteropfer nicht zahlen. In Deutschland schieben sich Innenministerium und Gesundheitsministerium gegenseitig die Verantwortung zu.
Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAFF) schlägt Alarm. Denn ab 2010 will die Europäische Kommission die finanzielle Förderung der Traumatherapiezentren europaweit auslaufen lassen. In diesen Zentren werden traumatisierten Flüchtlingen Therapien und Beratungen in ihrer Muttersprache angeboten.
Die Europäische Kommission hat jahrelang sowohl innerhalb als auch außerhalb Europas solche Therapiezentren im Rahmen eines Programms für Demokratie und Menschenrechte finanziell unterstützt. Doch nun fordert sie, dass die EU-Mitgliedstaaten diese Aufgaben übernehmen. Gleichzeitig betonen Vertreter der Kommission, dass die Einstellung der finanziellen Förderung nicht zu Lasten der Flüchtlinge gehen soll.
Der in Brüssel ansässige Internationale Zusammenschluss von Therapiezentren IRCT verweist darauf, dass die Mitgliedstaaten die Verpflichtung haben, eine Traumatherapie zur Verfügung zu stellen. "Die Mitgliedstaaten haben aufgrund der 'Direktive über ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem' seit 2003 die Pflicht, Asylsuchenden und Flüchtlingen, die Opfer von Folter wurden, eine Therapiemöglichkeit anzubieten", so Laetitia de Radigues vom IRCT. "Doch viele Regierungen innerhalb der EU kommen dieser Aufgabe nicht oder nur unzureichend nach." So stellen beispielsweise Frankreich, Italien, Rumänien oder Irland überhaupt keine finanzielle Förderung zur Verfügung.
Die deutsche Bundesregierung hat eine Teilförderung für vier der bundesweit 24 Therapiezentren zur Verfügung gestellt. Doch dies ist viel zu wenig, um eine flächendeckende Gesundheitsversorgung nach 2010 zu gewährleisten. Hinter den Kulissen gibt es ein heftiges Kompetenzgerangel. Das Bundesgesundheitsministerium verweist auf das Bundesinnenministerium, das bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen federführend sei.
Das Innenministerium wiederum verweist auf das Gesundheitsministerium zurück, weil es sich um eine gesundheitspolitische Angelegenheit handele. Auch die Arbeitsgemeinschaft der Therapiezentren sieht das Gesundheitsministerium in der Pflicht, denn die Therapiezentren seien kein Teil der Ordnungspolitik, sondern der Gesundheitspolitik. Auch die Krankenkassen sträuben sich, die Kosten der Therapien zu übernehmen. Vor allem die Dolmetscherkosten werden von ihnen nicht getragen, obwohl gerade bei Folteropfern die Möglichkeit, sich in der eigenen Sprache ausdrücken zu können, besondere Bedeutung hat. Die Weigerung der Kostenübernahme für Dolmetscher führt dazu, dass entweder die Therapiezentren oder gar die Folteropfer selbst zahlen müssen.
Laetitia de Radigues vom IRCT verweist darauf, dass schon heute die Nachfrage nach Therapieplätzen größer ist als das Angebot. "2007 sind mehr als 18.000 Männer, Frauen und Kinder in den von der EU geförderten Therapiezentren behandelt worden. Die Einstellung der finanziellen Förderung würde eine große Lücke in der Behandlung gerade jener Opfer von Menschenrechtsverletzungen hinterlassen, die eine Unterstützung am nötigsten haben."
Text: Ali Al-Nasani