Amnesty Report 22. Mai 2013

Afrika 2013

Die Krise in Mali beherrschte in den vergangenen Monaten die internationalen Schlagzeilen. Doch der Konflikt, der in dem westafrikanischen Land wütet, spiegelt tiefgreifende Probleme wider, unter denen die gesamte Region leidet: Armut und Gewalt prägen auf dem afrikanischen Kontinent weiterhin die Lebenswirklichkeit unzähliger Menschen. Dies ist auch ein Versagen der internationalen Politik: Ihr ist es noch immer nicht gelungen, effektive Mechanismen zu etablieren, um Frieden, Stabilität und Menschenrechte in der Region zu gewährleisten.

In Mali kämpfen Tuareg seit Jahrzehnten gegen Armut, Diskriminierung und Marginalisierung. So auch im Januar 2012, als sich Tuareg-Kämpfer mit bewaffneten Islamisten verbündeten, um gegen die malische Staatsmacht zu rebellieren. Im März putschte in der Hauptstadt Bamako das Militär. Dadurch zerbrach Mali de facto in zwei Teile. Bewaffnete Gruppen kontrollierten bis Jahresende den Norden des Landes. Kämpfer der Tuareg und Islamisten machten sich dabei schwerer Menschenrechtsverstöße schuldig: Sie vergewaltigten Mädchen und Frauen, töteten gefangengenommene Soldaten, steinigten Menschen und verhängten Amputationsstrafen. Doch auch die Sicherheitskräfte machten sich in Mali schuldig: Sie richteten Gefangene außergerichtlich hin und beschossen Tuareg-Gebiete ohne Rücksicht auf Zivilpersonen. Zudem rekrutierten nicht nur die bewaffneten Gruppen im Norden, sondern auch die von der malischen Regierung finanzierten Milizen Kindersoldaten. Aufgrund der blutigen Kämpfe befanden sich in Mali mehr als 400000 Menschen auf der Flucht.

Im Osten der Demokratischen Republik Kongo rissen die Kämpfe zwischen Armee und bewaffneten Gruppierungen auch 2012 nicht ab. Die Konfliktparteien verübten schwere Menschenrechtsverstöße, wobei insbesondere Zivilpersonen die Leidtragenden waren. Vor allem in der ostkongolesischen Provinz Nordkivu, die reich an Bodenschätzen ist, spitzte sich die Lage zu.

Auch der Konflikt zwischen Sudan und Südsudan verschärfte sich 2012 weiter. Seit der Südsudan im Juli 2011 seine Unabhängigkeit vom Sudan erklärt hatte, kam es in der erdölreichen Grenzregion immer wieder zu blutigen Kämpfen. Die beiden Staaten sind sich über den Verlauf ihrer gemeinsamen Grenze uneinig. Insbesondere in der Region Darfur und in den sudanesischen Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile war die Menschenrechtslage angespannt. Ende 2012 nahmen die Kampfhandlungen zu, in deren Folge viele zivile Opfer zu beklagen waren. Mehr als 200000 Menschen flohen in angrenzende Staaten. Darüber hinaus kam es im Sudan zu Massenprotesten gegen die Sparmaßnahmen der Regierung. Bei der Niederschlagung der Proteste begingen die Sicherheitskräfte Menschenrechtsverletzungen.

Aber auch in anderen Staaten der Region gingen Polizei und Sicherheitskräfte mit großer Brutalität gegen die Bevölkerung vor. So etwa in Nigeria: In dem westafrikanischen Staat waren seit Mitte 2009 mehr als 1000 Menschen durch Anschläge der islamistischen Gruppe Boko Haram ums Leben gekommen. Die nigerianischen Behörden reagierten darauf mit schweren Menschenrechtsverletzungen: Sie ließen Menschen "verschwinden", führten außergerichtliche Hinrichtungen durch, brannten Häuser nieder und nahmen Menschen rechtswidrig in Gewahrsam.

In Südafrika ereignete sich im August 2012 einer der schlimmsten Fälle von Polizeigewalt seit dem Ende der Apartheid: In einer Platin-Mine des LONMIN–Konzerns, 100 km nordwestlich von Johannesburg, waren Bergarbeiter in Streik getreten, um für höhere Löhne zu kämpfen. Die südafrikanischen Behörden stationierten daraufhin mit Sturmgewehren bewaffnete Polizisten in der Region, um den Streik aufzulösen. Bei der Niederschlagung des Streiks starben mehr als 30 Bergleute. Es gibt Hinweise darauf, dass die meisten Opfer erschossen wurden, als sie versuchten, zu fliehen oder sich zu ergeben. Die blutigen Unruhen stießen nicht nur die südafrikanische Bergbauindustrie, sondern das gesamte Land in eine tiefe Krise.

In vielen afrikanischen Staaten wurden Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Oppositionelle massiv unterdrückt: In Äthiopien mussten Regierungskritiker beispielsweise mit langen Haftstrafen rechnen, in Gambia wurden Dissidenten willkürlich festgenommen, schikaniert und mit dem Tod bedroht. In Côte d’Ivoire führten Anschläge unbekannter Kämpfer zur Unterdrückung von Menschen aufgrund ihrer vermeintlichen ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer politischen Überzeugungen. In mehreren afrikanischen Ländern wurden Todesurteile verhängt, vollstreckt wurden sie aber in nur wenigen Staaten. Gambia ist einer dieser Staaten: Das westafrikanische Land hat im August 2012 nach fast 30 Jahren erstmals wieder Gefangene hingerichtet.

Frauen und Mädchen wurden in der Region besonders häufig Opfer von Diskriminierung und geschlechtsspezifischer Gewalt – und zwar sowohl in den eigenen vier Wänden als auch in bewaffneten Konflikten. In vielen Krisengebieten, darunter Mali, Tschad, Sudan und die Demokratische Republik Kongo, wurde sexuelle Gewalt gegen Frauen systematisch als Kriegswaffe von Soldaten und bewaffneten Oppositionsgruppen eingesetzt. Im Sudan mussten sich einige Frauen, die an Protestveranstaltungen teilgenommen hatten, sogenannten Jungfräulichkeitstests unterziehen. In anderen Ländern wurde der blutige Brauch der Genitalbeschneidung weiterhin durchgeführt.

Kurz vor dem des 50. Jahrestags der Afrikanischen Union im Jahr 2013 stellen die auf dem Kontinent grassierende Korruption und die vielen Konfliktherde große Herausforderungen dar. Doch es gibt auch Grund zur Hoffnung, denn in ganz Afrika protestierten 2012 Menschen friedlich für soziale Gerechtigkeit und die Achtung ihrer Menschenrechte.

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