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Venezuela 2011
Amtliche Bezeichnung: Bolivarische Republik Venezuela Staats- und Regierungschef: Hugo Chávez Frías Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 29 Mio. Lebenserwartung: 74,2 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 24/19 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 95,2%
Gegen Personen, die in Opposition zur Politik der Regierung standen, wurden politisch motivierte Anklagen erhoben. Menschenrechtsverteidiger waren Angriffen und Einschüchterungen ausgesetzt. Berichte über von Sicherheitskräften begangene Menschenrechtsverletzungen trafen ein. Es gab nur geringe Fortschritte im Kampf gegen die Gewaltanwendung gegenüber Frauen.
Hintergrund
Bei den im September 2010 durchgeführten Parlamentswahlen verlor die Regierungspartei ihre Zweidrittelmehrheit.
Das ganze Jahr über fanden Demonstrationen statt, deren Auslöser in den meisten Fällen Unzufriedenheit mit Arbeitnehmerrechten und öffentlichen Dienstleistungen waren.
Im Januar stellte die Regierung den Sendebetrieb von sechs Fernsehkanälen ein. Die Maßnahme weckte die Besorgnis, dass damit das Recht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt werden sollte. Fünf der Kanäle konnten ihren Sendebetrieb wieder aufnehmen. Über den Einspruch des sechsten Kanals, RCTV International, war zum Jahresende noch nicht entschieden worden.
Menschenrechtsverteidiger
Menschenrechtsverteidiger waren nach wie vor Angriffen und Bedrohungen ausgesetzt, ohne dass die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden.
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Im Mai 2010 verfolgten zwei nicht identifizierte Männer in einem Wagen ohne Kennzeichen Rocío San Miguel, die Präsidentin der zivilgesellschaftlichen Organisation Bürgerkontrolle (Control Ciudadano), nachdem sie öffentlich Militärangehörige kritisiert hatte. Später wurde sie darüber informiert, dass es einen Versuch gegeben habe, einen Haftbefehl gegen sie zu erwirken.
- Im Juli 2010 wurde Víctor Martínez auf der Straße von einem nicht identifizierten Mann geschlagen. Víctor Martínez war gerade dabei, Flugblätter zu verteilen, in denen er die Polizei beschuldigte, in den Mord an seinem Sohn Mijail Martínez im Jahr 2009 verwickelt gewesen zu sein. Bis zum Jahresende war niemand für die Tötung von Mijail Martínez noch für den tätlichen Angriff auf seinen Vater zur Verantwortung gezogen worden.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Personen, die sich kritisch über die Politik der Regierung äußerten, wurden mit politisch motivierten Anklagen strafrechtlich verfolgt. Es hatte den Anschein, dass dies ein Versuch war, sie zum Schweigen zu bringen.
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Im März 2010 wurden Oswaldo Álvarez Paz, Mitglied einer Oppositionspartei und ehemaliger Gouverneur des Bundesstaates Zulia, Guillermo Zuloaga, Eigentümer der Fernsehstation Globovisión, und Wilmer Azuaje, ein Oppositionskandidat für das Amt des Gouverneurs des Bundesstaates Barinas, auf der Grundlage fadenscheiniger Anklagen für mehrere Tage festgenommen. Einige dieser Beschuldigungen lauteten: Aufwiegelung, Verbreitung falscher Informationen, Beleidigung eines Regierungsbeamten und Schlagen einer Polizeibeamtin. Am Jahresende waren die Anklagen noch anhängig.
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Richard Blanco, Präfekt von Caracas, wurde im April 2010 nach einem Gefängnisaufenthalt von vier Monaten freigelassen, doch galten weiterhin die gegen ihn erhobenen unbegründeten Anklagen wegen Anstiftung zur Gewalt und Verletzung eines Polizeibeamten während einer Demonstration gegen ein Bildungsgesetz im Jahr 2009.
- Im November 2010 begann das Verfahren gegen den Gewerkschafter Rubén González, den Generalsekretär der Gewerkschaft Sintraferrominera, die die Arbeitnehmer in der vom Staat betriebenen Eisenerzmine CVG Ferrominera Orinoco im Bundesstaat Bolívar vertritt. Er wurde nach seiner Teilnahme an einem Streik wegen Anstiftung zu einer Straftat, Behinderung von Arbeitnehmern bei der freien Ausübung ihrer Arbeit sowie unerlaubten Betretens einer Sicherheitszone angeklagt. Er befand sich länger als ein Jahr in Untersuchungshaft, und die gegen ihn erhobenen Anklagen schienen unverhältnismäßig zu sein.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Geschlechtsspezifische Verbrechen gaben weiterhin Anlass zur Sorge. Im Oktober kündigte der Generalstaatsanwalt die Einrichtung weiterer Büros der Staatsanwaltschaft an, um gegen diese Verbrechen vorzugehen. Zwischen Januar und August erhielt die Staatsanwaltschaft mehr als 65000 Beschwerden wegen geschlechtsspezifischer Gewalt.
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Sechs Jahre nach der Entführung, Vergewaltigung und Folterung von Alexandra Hidalgo durch fünf Männer waren nur zwei von ihnen strafrechtlich verfolgt worden. Obwohl die Behörden zugesagt hatten, das Notwendige zu tun, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, wurden im Jahr 2010 keine Fortschritte in diesem Rechtsfall erzielt.
- Im April 2010 wurde Jennifer Carolina Viera in Valencia von ihrem Ehemann niedergestochen. Er war im März in Mérida festgenommen worden, nachdem Jennifer Viera ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Er kam jedoch gegen Kaution und mit der gerichtlichen Anordnung, sich seiner Frau nicht zu nähern, wieder frei.
Polizei und Sicherheitskräfte
Die öffentliche Sicherheit war weiterhin äußerst besorgniserregend. Nach den letzten vom Institut für Nationale Statistik veröffentlichten Zahlen wurden im Jahr 2009 landesweit mehr als 21000 Personen ermordet. Behauptungen wurden vorgebracht, dass die Polizei in Morde und das "Verschwindenlassen" von Personen verwickelt gewesen sei.
- Im September 2010 wurde Wilmer José Flores Barrios als sechstes Mitglied der Familie Barrios getötet. Die Tat geschah unter Umständen, die Anlass zu der Vermutung geben, dass dabei Angehörige der Polizei des Bundesstaates Aragua involviert waren. Bis Jahresende hatten die Behörden Venezuelas weder Maßnahmen zum Schutz der Familie ergriffen noch eine effektive Untersuchung dieser Straftaten angeordnet.
- Im März 2010 sahen Augenzeugen, wie drei Arbeiter – Gabriel Antonio Ramírez, José Leonardo Ramírez und Nedfrank Xavier Cona – in der Stadt Barcelona im Bundesstaat Anzoátegui von einer Gruppe von 17 bis 20 Polizeibeamten in ein Auto ohne Kennzeichen gepfercht wurden. Zum Jahresende war der Verbleib der Männer noch unbekannt. Sechs Polizeibeamte befanden sich Ende 2010 in Zusammenhang mit dem Vorfall inhaftiert, ein höherrangiger Polizeibeamter blieb auf freiem Fuß.
Unabhängigkeit der Justiz
Die Richterin María Lourdes Afiuni Mora verblieb 2010 im Gefängnis und wartete auf ihr Verfahren. Sie war im Dezember 2009 auf der Basis unbegründeter Anklagen festgenommen worden. Drei UN-Sonderberichterstatter bezeichneten ihre Inhaftierung als einen Schlag gegen die Unabhängigkeit von Richtern und Rechtsanwälten in Venezuela und forderten ihre sofortige und bedingungslose Freilassung. Richterin Afiuni wurde von Gefängnisinsassen bedroht, von denen einige nach Prozessen verurteilt worden waren, bei denen sie den Vorsitz geführt hatte. Sie berichtete auch, dass ihr eine angemessene medizinische Versorgung verweigert worden sei.
Haftbedingungen
Im November 2010 zeigte sich die Interamerikanische Menschenrechtskommission besorgt über die Zahl von Todesfällen und Verletzungen in den Gefängnissen Venezuelas. Nach Angaben venezolanischer Menschenrechtsorganisationen wurden zwischen Januar und November 352 Todesfälle und 736 Verletzungen gemeldet.
Nach einem Aufruhr im März im Gefängnis Yare I in Caracas, der zahlreiche Tote und Verwundete zur Folge hatte, und nach im November eingetroffenen Berichten über gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Insassen im Gefängnis Uribana im Bundesstaat Lara wiederholte die Kommission ihre Besorgnis über die Haftbedingungen.