Turkmenistan 2011
Amtliche Bezeichnung: Turkmenistan Staats- und Regierungschef: Gurbanguly Berdimuhammedow Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 5,2 Mio. Lebenserwartung: 65,3 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 72/56 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 99,5%
Die Rechte auf freie Meinungsäußerung sowie auf Vereinigungs-, Religions- und Bewegungsfreiheit waren nach wie vor eingeschränkt. Zahlreiche nach unfairen Gerichtsverfahren zu Freiheitsstrafen verurteilte Personen blieben in Haft, viele von ihnen ohne Kontakt zur Außenwelt. Mindestens acht Militärdienstverweigerer verbüßten Gefängnisstrafen.
Unterdrückung abweichender Meinungen
Die Behörden ließen abweichende Meinungen auch 2010 nicht zu. Journalisten mit Kontakten zu Vertretern ausländischer Medien, in denen Kritik an der Regierung geübt wurde, waren Schikanen und Einschüchterungen ausgesetzt. Unabhängige Bürgerrechtler konnten sich in Turkmenistan nicht offen politisch betätigen. Befürchtungen um die Sicherheit Andersdenkender nahmen weiter zu, nachdem Präsident Gurbanguly Berdimuhammedow im September 2010 das Ministerium für Nationale Sicherheit (MNS) aufgefordert hatte, gegen Personen vorzugehen, die laut der Website der Regierung "unseren demokratischen säkularen Rechtsstaat diffamieren sowie Einheit und Solidarität unserer Gesellschaft zerstören wollen".
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Die mit der NGO Turkmenistan Helsinki Foundation in Verbindung stehenden gewaltlosen politischen Gefangenen Annakurban Amanklychev und Sapardurdy Khadzhiev verbüßten weiterhin Haftstrafen wegen "illegalen Erwerbs, Besitzes oder Verkaufs von Munition oder Schusswaffen". Die Strafen waren 2006 nach einem unfairen Verfahren gegen sie verhängt worden. Die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen prüfte den Fall und kam im August zu Schluss, dass die beiden Männer willkürlich inhaftiert wurden, um sie für die Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit sowie ihre Menschenrechtsaktivitäten zu bestrafen. Die Arbeitsgruppe erklärte, dass man den beiden Angeklagten kein faires Gerichtsverfahren gewährt hatte, und forderte die Behörden auf, die Männer umgehend freizulassen und ihnen eine angemessene finanzielle Entschädigung zu zahlen.
- Im September 2010 sendete der Satelliten-Fernsehsender K+, der in Zentralasien empfangen wird, ein Interview mit Farid Tukhbatullin, dem im Exil lebenden Direktor der Turkmenischen Initiative für Menschenrechte (Turkmen Initiative for Human Rights – TIHR). Damit erhielten die Menschen in Turkmenistan die seltene Gelegenheit, von einer regierungsunabhängigen Quelle über die Menschenrechtssituation in ihrem Land informiert zu werden. Später wurde die TIHR-Website durch einen Angriff anonymer Hacker lahmgelegt, bis die Organisation ihre Website von einem Moskauer Server auf einen Server in einem anderen Land verlegte. Im Oktober wurden Farid Tukhbatullin glaubwürdige Informationen zugespielt, wonach Beamte des MNS darüber gesprochen hatten, ihn möglichst spurlos "heimlich zu beseitigen".
Religionsfreiheit und Recht auf Wehrdienstverweigerung
Religiöse Aktivitäten wurden streng kontrolliert. In einem Bericht an den UN-Menschenrechtsausschuss erklärte Turkmenistan im Januar, dass die "Tätigkeit nicht registrierter religiöser Organisationen verboten ist". Vielen religiösen Minderheiten blieb die Registrierung nach wie vor verwehrt, häufig ohne jede Begründung. Das Fehlen der Registrierung ließ diese Gruppierungen immer wieder zu Opfern von Razzien und anderen Schikanen vonseiten der Behörden werden.
- Im Oktober 2010 wurde der protestantische Pastor Ilmurad Nurliev wegen "Betrugs" zu vier Jahren Haft verurteilt. Seine Anhänger glauben, dass er wegen seiner religiösen Aktivitäten ins Visier der Behörden geraten ist und die Beweise gegen ihn gefälscht waren. Dem Vernehmen nach ordnete das Gericht an, den Geistlichen wegen Drogenabhängigkeit, die seine Anhänger bestritten, einer Zwangsbehandlung zu unterziehen.
Die Weigerung, den Militärdienst abzuleisten, wurde nach wie vor strafrechtlich geahndet. Mindestens acht Zeugen Jehovas verbüßten wegen Wehrdienstverweigerung Haftstrafen, während drei weitere auf Bewährung freikamen.
- Dovleet Byashimov wurde im August 2010 festgenommen und wegen seiner auf Gewissensgründen beruhenden Weigerung, Militärdienst zu leisten, vom Stadtgericht Türkmenabat zu 18 Monaten Haft verurteilt. Nach seiner Festnahme soll er ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert und brutal verprügelt worden sein.
»Verschwindenlassen«
Die Behörden hielten nach wie vor Informationen über den Verbleib zahlreicher Personen zurück, die im Zusammenhang mit dem angeblichen Mordanschlag vom November 2002 auf den früheren Präsidenten Saparmurad Nijasow festgenommen und verurteilt worden waren. Aufforderungen an die Behörden, Angaben über die in Gewahrsam Verstorbenen zu machen, blieben unbeantwortet.
Bewegungsfreiheit
Personen, die abweichende Meinungen vertraten, sowie Anhänger bestimmter Glaubensrichtungen wurden auf Grundlage einer "schwarzen Liste" in vielen Fällen daran gehindert, ins Ausland zu reisen.
Von Juli 2010 an hinderten Staatsbedienstete zahlreiche Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft an der Ausreise aus Turkmenistan, wenn sie nicht einen ihrer zwei Pässe abgaben und – falls sie ihre turkmenische Staatsbürgerschaft behalten wollten – ein Ausreisevisum beantragten. Der Versuch, Menschen ohne korrektes juristisches Verfahren und ohne die Möglichkeit, Rechtsmittel vor einem unabhängigen Gericht einzulegen, die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, könnte eine Verletzung des Menschenrechts bedeuten, nicht willkürlich seiner Staatsbürgerschaft beraubt zu werden.
Propiska – das System, den ständigen Wohnort zu registrieren – schränkte nach wie vor das Recht der Menschen auf Bewegungsfreiheit innerhalb Turkmenistans ein und beeinträchtigte den Zugang zu Wohnraum, einem Arbeitsplatz, Sozialleistungen, Gesundheitsfürsorge und Bildung. Die Drohung, eine Propiska abzuerkennen, wurde von Polizei und Sicherheitsdiensten dazu benutzt, Menschen daran zu hindern, sich über Misshandlungen durch die Polizei zu beschweren.
Amnesty International: Berichte
Turkmenistan: Severe restrictions on freedom of movement remain (EUR 61/002/2010)
Turkmenistan: Activist at serious risk of harm (EUR 61/003/2010)