Kanada 2011
Amtliche Bezeichnung: Kanada Staatsoberhaupt: Königin Elizabeth II., vertreten durch Generalgouverneur General David Johnston (löste im Oktober Michaëlle Jean im Amt ab) Regierungschef: Stephen Harper Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 33,9 Mio. Lebenserwartung: 81 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 6/6 pro 1000 Lebendgeburten
Die Rechte der indigenen Bevölkerung Kanadas wurden nach wie vor systematisch verletzt. Es gab Befürchtungen, dass ein neues Gesetzesvorhaben zu einer längeren Inhaftierung von Asylsuchenden führen könnte. Anlass zur Sorge gaben weiterhin Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Antiterror- und Sicherheitsmaßnahmen.
Hintergrund
Ein Gesetzentwurf für eine nationale Wohnungsstrategie, die mit internationalen Menschenrechtsstandards im Einklang steht, war Ende 2010 noch nicht verabschiedet.
Im Juni verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit Kolumbien vorsieht. Es enthält allerdings keine glaubwürdige und unabhängige Bewertung der Menschenrechtssituation. Im Oktober wurden ein Gesetzentwurf zur Schaffung nationaler Menschenrechtsstandards für im Ausland tätige kanadische Unternehmen und die entsprechenden Umsetzungsbestimmungen im Parlament (House of Commons) mit knapper Mehrheit abgelehnt.
Im Juni gründete sich eine landesweite Koalition von NGOs unter dem Namen Voices/Voix. Mit dem Zusammenschluss reagierten die zivilgesellschaftlichen Organisationen auf die Kürzung staatlicher Mittel und andere Maßnahmen, die ihre Arbeit z.B. im Bereich Frauenrechte und ihr Engagement für die Rechte der Palästinenser behinderten.
Rechte indigener Völker
Im traditionellen Gebiet der Lubicon-Cree wurden 2010 weiterhin Projekte zur Erdöl- und Erdgasförderung durchgeführt. Die Regierung der Provinz Alberta hatte die Genehmigung dazu erteilt, ohne die freie, auf vorheriger Information begründete Zustimmung der Lubicon-Cree einzuholen. Im September forderte der UN-Sonderberichterstatter über die Situation der Menschenrechte und Grundfreiheiten der Angehörigen indigener Bevölkerungsgruppen erneut "entschiedene Maßnahmen" zum Schutz der Rechte der Lubicon-Cree.
Es herrschte weiterhin Besorgnis darüber, dass die unangemessene Gewaltanwendung der Polizei bei den Landprotesten in und um das Reservat der Tyendinaga Mohawk in Ontario noch immer nicht untersucht wurde. Die Umsetzung von Reformen, wie sie in dem Untersuchungsbericht zur Tötung eines unbewaffneten indigenen Demonstranten (Ipperwash Inquiry Report) 2007 vorgeschlagen worden waren, verlief schleppend.
Vor dem kanadischen Gericht für Menschenrechte (Canadian Human Rights Tribunal) wurde die Anhörung zur finanziellen Benachteiligung der Angehörigen der First Nations fortgesetzt. Dabei geht es um den Vorwurf, die kanadische Regierung würde Gemeinden mit überwiegend indigener Bevölkerung wesentlich weniger Mittel zur Finanzierung sozialer Einrichtungen für Kinder und Familien zur Verfügung stellen als anderen Gemeinden.
Die Interamerikanische Menschenrechtskommission setzte die Prüfung einer Beschwerde der indigenen Gemeinschaft der Hul’qumi’num fort, in der es um die Verletzung der Landrechte der indigenen Bevölkerung auf Vancouver Island in der Provinz British Columbia geht.
Im November 2010 befürwortete Kanada die UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker. Die Organisationen der indigenen Bevölkerungsgruppen forderten die Regierung auf, die Erklärung in verbindlicher Weise umzusetzen.
Frauenrechte
Als Gastgeber des G8-Gipfeltreffens im Juni 2010 kündigte die kanadische Regierung eine weltweite Initiative an, um den Schutz der Gesundheit von Kindern und Müttern zu verbessern. Es gab eine Kontroverse darüber, dass die Initiative nicht umfassend auf sexuelle und reproduktive Rechte einging.
Im September kündigte die Provinzregierung von British Columbia an, sie wolle das Vorgehen der Polizei von Vancouver in den Fällen "verschwundener" und ermordeter indigener Frauen untersuchen. Kritiker befürchteten, dass die Untersuchung nicht die Ursachen analysieren werde, die dazu führen, dass diese Frauen in besonderer Weise gefährdet sind.
Die Bundesregierung hat es bislang versäumt, gemeinsam mit indigenen Frauen einen nationalen Aktionsplan zu erarbeiten, um die Gewalt zu bekämpfen, der diese Frauen ausgesetzt sind. Obwohl die Regierung im Oktober ankündigte, sie wolle Mittel bereitstellen, blieb der Schutz indigener Frauen weiterhin äußerst lückenhaft.
Im Oktober veröffentlichte die Regierung einen Aktionsplan zur Umsetzung der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats über Frauen, Frieden und Sicherheit.
Antiterrormaßnahmen und Sicherheit
Im Januar 2010 befand der Oberste Gerichtshof Kanadas, dass bei der Vernehmung des kanadischen Staatsbürgers Omar Khadr durch Vertreter kanadischer Geheimdienste während seiner Haft in Guantánamo Bay in den Jahren 2003 und 2004 die Rechte des jungen Mannes verletzt worden seien. Omar Khadr war als 15-Jähriger von den US-Streitkräften in Afghanistan festgenommen worden (siehe Länderbericht USA).
Die Anhörungen im Beschwerdeausschuss der Militärpolizei zu den Vorwürfen, kanadische Soldaten hätten in Afghanistan Kriegsgefangene an die afghanischen Behörden überstellt, obwohl dies für die Betroffenen ein ernsthaftes Folterrisiko bedeutete, waren Ende 2010 noch nicht abgeschlossen.
Flüchtlinge und Asylsuchende
Im Juni verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Reform des Flüchtlingswesens (Balanced Refugee Reform Act). Das Gesetz sieht ein Rechtsmittel für abgelehnte Asylantragsteller vor und enthält eine Liste von sicheren Herkunftsländern. Sie soll dazu dienen, das Verfahren in einigen Fällen zu beschleunigen.
Im Oktober legte die Regierung einen Entwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels vor, durch das die "illegale" Einreise von Flüchtlingen zur Straftat würde. Der Gesetzentwurf sieht eine zwingende einjährige Haftstrafe ohne Möglichkeit der Haftprüfung vor.
Polizei und Justiz
Im April 2010 wurden die Bestimmungen der Polizeieinheit Royal Canadian Mounted Police zum Einsatz von Elektroimpulsgeräten (Conducted Energy Devices – CEDs) geändert. Sie dürfen jetzt nur noch im Fall einer "akuten oder unmittelbar drohenden Körperverletzung" eingesetzt werden.
Aron Firman kam im Juni durch eine Taser-Waffe zu Tode, mit der ihn Beamte der Provinzpolizei von Ontario ruhig stellen wollten. Die im Oktober veröffentlichten nationalen Leitlinien für den Einsatz von Elektroimpulswaffen definieren keine Gefährdungsgrenze für die Anwendung von Tasern.
Im Juni wurden in Toronto bei Protesten im Zusammenhang mit den G8- und G20-Gipfeltreffen mehr als 1000 Personen festgenommen. Die Bundesregierung und die Provinzregierung von Ontario wiesen Forderungen nach einer umfassenden öffentlichen Untersuchung zurück.