Amnesty Report Irak 09. Mai 2011

Irak 2011

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Irak Staatsoberhaupt: Jalal Talabani Regierungschef: Nuri al-Maliki Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 31,5 Mio. Lebenserwartung: 68,5 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 43/38 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 77,6%

Bewaffnete Gruppen, die in Opposition zur Regierung standen, verübten zahlreiche Selbstmordattentate und andere Anschläge, bei denen Hunderte von Zivilpersonen ums Leben kamen. Milizen waren auch für gezielte Tötungen verantwortlich. Sowohl die irakischen Sicherheitskräfte als auch die US-Truppen begingen schwere Menschenrechtsverletzungen: Tausende von Personen waren ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert, viele von ihnen schon seit mehreren Jahren. Es gab jedoch auch Freilassungen. Mitte Juli wurden alle Gefängnisse, die bis dahin unter der Kontrolle der US-Truppen gestanden hatten, mit den Inhaftierten an die irakischen Behörden übergeben. Lediglich rund 200 Gefangene verblieben im Gewahrsam der US-Streitkräfte im Irak. Folter und andere Misshandlungen an Gefangenen durch Angehörige der irakischen Sicherheitskräfte waren an der Tagesordnung. Einige Inhaftierte wurden in geheimen Gefängnissen gefoltert, andere starben im Gewahrsam unter ungeklärten Umständen. Die Gerichte verhängten Todesurteile nach unfairen Verfahren. Mindestens 1300 Gefangene befanden sich dem Vernehmen nach in den Todeszellen. Es gab eine bestätigte Hinrichtung, die tatsächliche Zahl der Hinrichtungen dürfte jedoch wesentlich höher liegen. Rund 3 Mio. Iraker lebten als Binnenvertriebene im Land oder als Flüchtlinge im Ausland. Frauen waren nach wie vor Diskriminierungen und Gewalt ausgesetzt.

Hintergrund

Die Parlamentswahlen im März 2010 führten zu einer politischen Pattsituation. Erst im November einigte man sich auf eine neue Regierung unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki. Während der Übergangszeit verübten bewaffnete Gruppen, die in Opposition zur Regierung standen, vermehrt Selbstmordattentate und andere Anschläge, bei denen Hunderte von Zivilpersonen starben oder verletzt wurden.

Mitte August zogen die USA ihre letzten Streitkräfte aus dem Irak ab. Rund 50000 US-Soldaten blieben jedoch im Land stationiert; sie sollen laut Berichten als Unterstützer und Ausbilder dienen.

Im Juli schlossen die US-Streitkräfte die Übergabe von Gefangenen und Gefängnissen an die irakische Regierung ab, wie dies in der 2008 zwischen der irakischen Regierung und den USA abgeschlossenen Statusvereinbarung für die Streitkräfte (Status of Forces Agreement – SOFA) vorgesehen war. Mehrere tausend Gefangene wurden an die irakischen Behörden überstellt. Etwa 200 Häftlinge, bei denen es sich überwiegend um Anführer bewaffneter Gruppen sowie um führende Mitglieder der ehemaligen regierenden Ba’ath-Partei zu Zeiten Saddam Husseins handelte, verblieben im Gewahrsam der US-Streitkräfte, offenbar auf Wunsch der irakischen Behörden. Sie waren im Camp Cropper inhaftiert, das die irakische Regierung im Juli in al-Karkh-Gefängnis umbenannte. Die SOFA-Vereinbarung beinhaltete keine Klauseln zum Schutz der Menschenrechte, obwohl bekannt war, dass Angehörige der irakischen Sicherheitskräfte Häftlinge folterten und misshandelten.

Ein Großteil der Iraker lebte nach wie vor in Armut. Wasserknappheit und Stromausfälle waren an der Tagesordnung. Die Arbeitslosenquote lag bei über 50%. Die weiterhin höchst prekäre Sicherheitslage hielt ausländische Unternehmen davon ab, im Land zu investieren. In staatlichen Einrichtungen war Korruption weit verbreitet. Im Juli stellte eine offizielle Finanzprüfung der US-Regierung fest, dass das Pentagon die Verwendung von über 95% der für den Wiederaufbau des Irak zur Verfügung gestellten 9,1 Mrd. US-Dollar nicht belegen kann.

Im Februar 2010 bewertete der UN-Menschenrechtsrat im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) die Lage der Menschenrechte im Irak.

Im August verabschiedete der UN-Sicherheitsrat einstimmig die Resolution Nr. 1936, wonach das Mandat der UN-Hilfsmission für den Irak (United Nations Assistance Mission for Iraq – UNAMI) für ein weiteres Jahr verlängert wurde.

Im November 2010 unterzeichnete der Irak das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen, allerdings mit Vorbehalten bezüglich individueller Entschädigungsansprüche.

Übergriffe bewaffneter Gruppen

Bewaffnete Gruppen, die die irakische Regierung und die Anwesenheit der US-Truppen im Land bekämpften, begingen schwere Menschenrechtsverstöße wie Entführungen, Folter und Mord. Sie waren für Selbstmordattentate auf belebten Plätzen sowie andere groß angelegte willkürliche Angriffe auf Zivilpersonen verantwortlich, töteten aber auch gezielt Einzelpersonen. Viele Anschläge wurden von Al-Qaida im Irak und von verbündeten sunnitischen bewaffneten Gruppen verübt. Zwei der Anführer von Al-Qaida kamen im April bei einer Razzia der irakischen und der US-Streitkräfte ums Leben.

Im Oktober 2010 gingen Berichte ein, wonach viele ehemalige Mitglieder der Awakening Councils zu Al-Qaida übergelaufen seien. Es handelte sich dabei um sunnitische Milizen, die von den US-Streitkräften rekrutiert worden waren, um Al-Qaida im Irak zu bekämpfen. Die Gründe für den Übertritt waren Drohungen, aber auch die Enttäuschung darüber, dass die US-Streitkräfte sie ihrer Meinung nach im Stich gelassen hatten.

Auch schiitische Milizen, allen voran die Mitglieder der Liga der Gerechten (Asa’ib Ahl al-Haq), einer Splittergruppe der Mahdi-Armee, waren für schwere Menschenrechtsverstöße wie Entführungen und Morde verantwortlich.

Viele Opfer der Anschläge waren Zivilisten, darunter Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten, Beamte lokaler Behörden, Rechtsanwälte und Richter, Journalisten und Mitglieder anderer Berufsgruppen. Unter den Todesopfern befanden sich auch Frauen und Kinder.

  • Am 25. Januar 2010 detonierten kurz nacheinander drei Autobomben von Selbstmordattentätern im Zentrum von Bagdad. Mindestens 41 Menschen starben, mehr als 75 Passanten erlitten Verletzungen. Zu dem Anschlag bekannte sich die Gruppe Islamischer Staat Irak, ein Ableger von Al-Qaida im Irak.

  • Am 2. Februar 2010 zündete eine Frau inmitten schiitischer Pilger in Bagdad einen Sprengstoffgürtel. Bei dem Anschlag kamen mindestens 54 Menschen ums Leben, mehr als 100 weitere wurden verletzt.

  • Am 14. Mai 2010 wurden bei drei Selbstmordanschlägen rund 25 Menschen getötet. Die Zahl der Verletzten ging in die Hunderte. Die Attentate ereigneten sich auf einem Fußballplatz in einem schiitischen Viertel von Tal-Afar, einer vor allem von Turkmenen bewohnten Stadt zwischen Mosul und der syrischen Grenze.

  • Am 31. Oktober 2010 verloren mehr als 40 Gläubige in einer katholischen Kirche in Bagdad ihr Leben. Zu dem Anschlag bekannte sich die Gruppe Islamischer Staat Irak. Bei dem Angriff auf das Gotteshaus wurden zunächst mehr als 100 Gläubige als Geiseln genommen. Nach einer dreistündigen Belagerung stürmten irakische Sicherheitskräfte die Kirche. Die Geiselnehmer sollen die Gläubigen mit Granaten getötet haben und durch Sprengstoffgürtel, die Selbstmordattentäter zündeten.

Inhaftierungen ohne Gerichtsverfahren

Tausende Menschen blieben 2010 weiterhin ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert. Einige von ihnen wechselten vom Gewahrsam der US-Streitkräfte in den Gewahrsam der irakischen Behörden, als Mitte Juli das letzte noch unter US-amerikanischer Verwaltung stehende Gefängnis Camp Cropper unter irakische Kontrolle gestellt wurde. Vielen Inhaftierten wurde der Zugang zu einem Rechtsbeistand und zu ihren Familien verweigert. Einige Gefangene saßen in geheimen Gefängnissen in Haft, die dem Innen- und dem Verteidigungsministerium unterstanden. Folter und andere Misshandlungen waren an der Tagesordnung. Die meisten der Inhaftierten waren Sunniten, die im Verdacht standen, sunnitische bewaffnete Gruppen unterstützt zu haben. Viele der Häftlinge befanden sich bereits seit mehreren Jahren im Gewahrsam.

  • Der Polizeibeamte Qusay Abdel-Razaq Zabib blieb nach wie vor ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Haft. Er war am 17. Juli 2008 an seinem Arbeitsplatz, einer Polizeiwache in der Nähe von Tikrit, von US-Soldaten verhaftet worden. Offenbar wurde er verdächtigt, bewaffnete Gruppen unterstützt zu haben. Seitdem wurde er in einer Reihe von US-geführten Gefängnissen festgehalten, zuletzt in Camp Taji, das mit allen Gefangenen den irakischen Behörden überstellt wurde. Mitte November verlegte man ihn aus dem Gefängnis in eine Polizeistation in Tikrit. Am 30. Dezember 2010 wurde er freigelassen.

Folter und andere Misshandlungen

Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren insbesondere in den vom Innen- und vom Verteidigungsministerium kontrollierten Gefängnissen an der Tagesordnung. Zu den Foltermethoden zählten Schläge mit Kabeln und Schläuchen, das Aufhängen an Armen oder Beinen über lange Zeiträume, Elektroschocks und das Brechen von Armen oder Beinen. Häftlinge berichteten auch davon, vergewaltigt oder mit Vergewaltigung bedroht und mit Plastiktüten fast erstickt worden zu sein. Die Folter sollte die Gefangenen dazu bringen, Informationen preiszugeben und "Geständnisse" abzulegen, um diese vor Gericht gegen sie verwenden zu können. Im Oktober veröffentlichte Wikileaks geheime Dokumente der US-Streitkräfte im Irak, die deutlich machten, dass US-Soldaten ihren Vorgesetzten bis Ende 2009 viele Male gemeldet hatten, es gebe Beweise dafür, dass die irakischen Sicherheitskräfte Folter anwendeten. Diese Meldungen führten aber offenbar nicht zu einer Untersuchung der Vorfälle.

  • Im April 2010 gab es Berichte über die Entdeckung eines bisher unbekannten Haftzentrums am ehemaligen Muthanna-Flughafen im Zentrum von Bagdad. Dort wurden mehr als 400 Häftlinge festgehalten. Die meisten von ihnen waren Sunniten, die Ende 2009 in Mosul festgenommen worden waren. Fast alle Häftlinge des geheimen Gefängnisses gaben an, Opfer von Folter geworden zu sein. Die Einrichtung unterstand dem Vernehmen nach dem Büro des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki. Die Regierung ließ etwa 95 Gefangene frei und verlegte die anderen Häftlinge in das al-Rusafa-Gefängnis in Bagdad. Obwohl die Behörden bestritten, dass es sich um ein geheimes Haftzentrum handelte, wurde es dennoch geschlossen. Drei Offiziere der für das Gefängnis zuständigen Militäreinheit wurden verhaftet.

Tod im Gewahrsam

Mehrere Häftlinge kamen 2010 im Gewahrsam ums Leben, wahrscheinlich als Folge von Folter und anderen Misshandlungen.

  • Der ehemalige Armeeoffizier Riyadh Mohammad Saleh al-Uqaibi starb am 12. oder 13. Februar im Gefängnis am Muthanna-Flughafen. Er war im September 2009 festgenommen und Berichten zufolge während der Verhöre so schwer geschlagen worden, dass er Rippenbrüche, eine Leberverletzung und innere Blutungen davontrug. Seine Leiche wurde einige Wochen später seiner Familie übergeben. Die Sterbeurkunde gab Herzversagen als Todesursache an.

  • Zwei namentlich nicht bekannte Häftlinge kamen am 27. März und am 12. April während ihrer Haft im US-geführten Camp Cropper ums Leben, noch bevor dieses Gefängnis an die irakischen Behörden übergeben wurde. Die US-Streitkräfte im Irak kündigten in beiden Fällen eine Autopsie an. Bis zum Jahresende waren jedoch keine Informationen über die Todesursache und die genauen Umstände des Todes der beiden Häftlinge veröffentlicht worden.

Gerichtsverfahren gegen ehemalige Mitglieder der Ba’ath-Partei

Das Oberste Irakische Strafgericht (Supreme Iraqi Criminal Tribunal – SICT) setzte die strafrechtliche Verfolgung ehemaliger führender Mitglieder der Ba’ath-Partei und anderer Personen aus dem Umkreis des früheren Präsidenten Saddam Hussein fort, der 2003 gestürzt worden war. Ihnen wurden Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwere Straftaten zur Last gelegt. Die Prozesse entsprachen nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Das SICT war nicht unabhängig, und dem Vernehmen nach sollen die Rechtsanwälte und Richter von Politikern beeinflusst worden sein.

  • Im Oktober 2010 ergingen Todesurteile gegen zwei ehemalige Minister, den 74-jährigen ehemaligen Außenminister Tarik Aziz und gegen den ehemaligen Innenminister Sadoun Shakir. Außerdem wurde Saddam Husseins Privatsekretär Abed Hamoud vom SICT zum Tode verurteilt. Sie waren für schuldig befunden worden, an der Eliminierung religiöser schiitischer Parteien beteiligt gewesen zu sein.

Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der US-Streitkräfte

Angehörige der US-Streitkräfte im Irak waren für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, darunter widerrechtliche Tötungen von Zivilpersonen.

  • Omar Abdullah und seine Frau kamen am 10. März ums Leben, als US-amerikansiche Truppen im Bagdader Stadtteil al-Iskan das Feuer auf ihr Auto eröffneten. In einer Stellungnahme der US-Streitkräfte soll davon die Rede gewesen sein, dass das Ehepaar bei einem gemeinsamen Einsatz mit irakischen Sicherheitskräften getötet wurde und es eine gemeinsame Untersuchung geben werde. Weitere Einzelheiten wurden nicht bekannt. Wikileaks veröffentlichte Tausende von geheimen Akten. Sie belegten u.a., dass die US-Streitkräfte in den vergangenen Jahren viele irakische Zivilisten an Sicherheitskontrollpunkten erschossen. Entgegen allen Dementis versuchten die US-amerikansichen Militärbehörden, das Ausmaß der zivilen Todesopfer während des Irakkonflikts zu dokumentieren. Jüngste Schätzungen gehen für 2004–09 von insgesamt 66081 getöteten Zivilpersonen aus.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Frauen waren das Ziel gewalttätiger Angriffe bewaffneter Gruppen und erhielten Drohungen, wenn sie sich nicht an die strikten Bekleidungsvorschriften hielten. Sie wurden außerdem Opfer von familiärer Gewalt, da die irakischen Gesetze diesbezüglich unzureichend waren und es in der Praxis an Schutzmöglichkeiten mangelte. Viele Frauen und Mädchen mussten sich schädlichen Praktiken fügen wie Zwangs- und Frühverheiratungen.

Im Oktober 2010 gab das Ministerium für Menschenrechte bekannt, dass 2009 mindestens 84 Frauen sogenannten Tötungen aus Gründen der "Familienehre" zum Opfer gefallen waren. Dabei waren die Tötungen von Frauen in der Region Kurdistan nicht mitgerechnet. Das Ministerium forderte erneut Gesetzesänderungen, insbesondere eine Reform von Artikel 409 des Strafgesetzbuchs. Er sieht eine Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis vor, wenn ein Mann seine Frau oder eine weibliche Verwandte tötet, die er auf frischer Tat dabei ertappt, Ehebruch zu begehen. Das Gesetz wurde bislang nicht geändert.

Flüchtlinge und Binnenvertriebene

Dem Vernehmen nach hielten sich 1,5 Mio. irakische Flüchtlinge in Syrien, Jordanien, dem Libanon, der Türkei und anderen Ländern der Region auf. Weitere 1,5 Mio. Menschen lebten weiterhin als Binnenvertriebene im eigenen Land, darunter rund 500000 Obdachlose, die in Siedlungen oder Lagern unter äußerst schwierigen Bedingungen lebten. Tausende von Binnenflüchtlingen kehrten an ihre Wohnorte zurück in der Annahme, die Sicherheitslage habe sich gebessert. Die Rückkehrer standen jedoch vor großen Problemen.

Mehrere europäische Staaten schoben abgelehnte Asylbewerber in den Irak ab und missachteten damit anderslautende Empfehlungen des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge.

Todesstrafe

2010 wurden mindestens 279 Menschen zum Tode verurteilt, es war von mindestens 1300 Gefangenen in den Todeszellen die Rede. Die Behörden machten allerdings grundsätzlich keine Angaben zur Todesstrafe. Eine Hinrichtung wurde öffentlich bekannt, es ist jedoch davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl der Hinrichtungen erheblich höher liegen dürfte.

Das Zentrale Irakische Strafgericht (Central Criminal Court of Iraq) verhängte die meisten Todesurteile gegen Angeklagte, die wegen bewaffneter Anschläge schuldig gesprochen worden waren. Die Prozesse genügten durchweg nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Viele Angeklagte beschwerten sich, dass sie keinen Verteidiger ihrer Wahl benennen konnten und dass man sie gezwungen habe, "Geständnisse" zu unterzeichnen, die während ihrer Untersuchungshaft ohne Kontakt zur Außenwelt unter Folter und Einschüchterungen erzwungen worden seien. Auch der SICT sprach Todesurteile aus.

  • Ali Hassan al-Majid, ein Cousin von Saddam Hussein und ehemaliger leitender Beamter, wurde am 25. Januar 2010 hingerichtet. Er war zuvor vier Mal zum Tode verurteilt worden, zuletzt am 17. Januar.

Im Dezember 2010 gehörte der Irak zu den wenigen Staaten, die gegen die Resolution der UN-Generalversammlung für ein weltweites Hinrichtungsmoratorium stimmten.

Region Kurdistan

Das kurdische Autonomiegebiet im Norden des Irak blieb von der politisch motivierten Gewalt im Rest des Landes weitgehend verschont. Bezüglich der Menschenrechte war weiterhin eine allgemeine Verbesserung festzustellen, es gingen dennoch viele Berichte über Verstöße ein.

Im Mai 2010 wurde ein Gesetz zur Schaffung einer Menschenrechtskommission für die Region Kurdistan verabschiedet. Im Juni verlängerte das Parlament von Kurdistan die Anwendung des Antiterrorgesetzes aus dem Jahr 2006 für weitere zwei Jahre. Im November folgte ein Gesetz zur Einschränkung von Demonstrationen.

Aus Anlass des Opferfestes Eid al-Adha im November ordnete der Präsident der kurdischen Regionalregierung eine Amnestie an. Berichten zufolge sollen 207 Gefangene freigekommen sein. Unter den Freigelassenen waren auch einige Personen, die Haftstrafen verbüßten, weil sie Verbrechen im Namen der "Familienehre" begangen hatten. Frauenrechtlerinnen kritisierten diese Freilassungen.

Gewalt gegen Oppositionelle

Mitglieder und Anhänger oppositioneller politischer Gruppen wurden bedroht, schikaniert, angegriffen oder verhaftet.

  • Am 14. Februar 2010 griffen unbekannte bewaffnete Männer das Büro der Islamischen Union Kurdistans in Sulaimaniya an. Verletzt wurde jedoch niemand. Vier Tage später nahmen die Regierungsbehörden etliche Mitglieder der Islamischen Union in Dohuk fest.

  • Am 16. Februar 2010 unterbrachen bewaffnete Männer in Sulaimaniya gewaltsam eine Versammlung der Oppositionsgruppe Goran (Wandel). Die Angreifer standen Berichten zufolge der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) nahe, einer der Parteien der Regionalregierung. Die Behörden nahmen elf Goran-Aktivisten fest. Gegen die Personen, die die Versammlung gestört hatten, wurde nicht ermittelt.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Mehrere unabhängige Journalisten wurden angegriffen.

  • Am 4. Mai 2010 wurde der Student und Journalist Sardasht Osman in Erbil von unbekannten bewaffneten Männern entführt. Zwei Tage später fand man seine Leiche in Mosul in einer Gegend, die nicht von der kurdischen Regionalregierung verwaltet wird. Meldungen zufolge hatte er zuvor anonyme Drohungen erhalten, weil er in Artikeln führende Politiker der Regionalregierung kritisiert hatte. Eine von der Regionalregierung eingesetzte Untersuchungskommission teilte jedoch am 15. September mit, Sardasht Osman sei von Ansar al-Islam, einer kurdischen sunnitischen bewaffneten Gruppe, getötet worden. Die Behörden gaben an, einer der mutmaßlichen Täter sei festgenommen worden. Sardasht Osmans Familie wies das Ergebnis der Untersuchung zurück.

Gewalt gegen Frauen

Frauen wurden weiterhin Opfer von Diskriminierung und Gewalt. Es gingen Berichte über Tötungen von Frauen durch männliche Familienmitglieder ein. Zahlreiche Frauen sollen infolge von Verbrennungen gestorben sein, die sie sich selbst zugefügt hatten. Weibliche Genitalverstümmelung war dem Vernehmen nach weit verbreitet. Offiziellen kurdischen Angaben zufolge wurden im ersten Halbjahr 2010 mindestens 671 Frauen Opfer "schwerer häuslicher Gewalt" und mindestens 63 Frauen wurden sexuell missbraucht.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Delegierte von Amnesty International besuchten die Region Kurdistan in den Monaten Mai und Juni. Sie machten sich ein Bild über die Lage der Menschenrechte und führten Gespräche mit der Regierung. Die Delegation wurde vom Innenminister sowie anderen hochrangigen Vertretern empfangen und konnte auch mit einigen Gefangenen sprechen. Reisen in andere Regionen des Irak wurden als zu unsicher eingestuft.

Iraq: Civilians under fire (MDE 14/002/2010)

Iraq: Human rights briefing (MDE 14/004/2010)

New order, same abuses: Unlawful detentions and torture in Iraq (MDE 14/006/2010)

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