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Bildschirme, Handys und die Spähindustrie
Regierungen weltweit nutzen die Überwachungstechnik der Firma NSO-Group, um Menschen weltweit auszuspähen, zu überwachen und in der Folge auch physisch anzugreifen oder zu töten.
© Howie Shia
Markus N. Beeko, Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion, über die Überwachungssoftware Pegasus.
1988 in Köln: Ein Freund erzählt von der älteren Dame, die er als Zivildienstleistender betreut und mit der er oft angeregt über Gott und die Welt diskutiert. Neulich lief bei ihr der Fernseher. Als er wie üblich das Weltgeschehen kommentierte, fiel sie ihm ins Wort: "Pst! Wer weiß, ob die uns nicht hören!" Und machte den Fernseher aus. Wir amüsierten uns über die scheinbar naive Sorge einer Frau, die sich verhielt, als lebten wir nicht 1988 in der BRD, sondern in George Orwells "1984". Darin empfangen Menschen in ihren Wohnungen die Propaganda des "Großen Bruders" über "Teleschirme" und werden gleichzeitig überwacht. Wir wussten, dass ein gewöhnlicher Fernseher damals weder Kamera noch Sender hatte. Wir ahnten aber, dass für jemanden, der die Nazi-Herrschaft überlebt hatte, das Misstrauen gegenüber "den herrschenden Verhältnissen" überlebenswichtig gewesen sein dürfte.
Heute benutzen wir mit dem Internet verbundene Smart-TVs und Spielekonsolen mit Mikrofonen und Kameras. Alexas, Siris und Teslas erfassen Bild und/oder Ton, werten sie aus, übertragen sie an Server und Datenbanken. Nur wenn bekannt wird, dass Geheimdienste über Sicherheitslücken bei Smart-TVs in Wohnzimmer vordringen oder Alexa & Co von kriminellen Hackern genutzt werden, scheint dies für kurze Zeit von gesellschaftlichem Interesse zu sein.
Wie alarmiert wir sein sollten, zeigen aktuelle Veröffentlichungen des "Pegasus-Projektes": Ein Rechercheverbund von Amnesty und internationalen Medien hat offenbart, wie (autoritäre) Regierungen die Überwachungstechnik der Firma NSO-Group nutzen, um Menschen weltweit auszuspähen, zu überwachen und in der Folge auch physisch anzugreifen oder zu töten. Zu den Staaten, in denen die Spähsoftware "Pegasus" gegen Journalist_innen, Oppositionelle, Anwält_innen, missliebige Bürger_innen und Kinder angewendet wurde, gehören Ägypten, Bahrain, Saudi-Arabien, Aserbaidschan, die Vereinigten Arabischen Emirate, Marokko, Mexiko und mit Ungarn auch ein EU-Staat. Sicherheitsexpert_innen von Amnesty überprüften die Smartphones von Personen, die auf einer Liste von 50.000 potenziellen Überwachungszielen standen. Zu den Opfern gehörten Regierungschefs, das Umfeld des ermordeten saudischen Journalisten Jamal Kashoggi und Frauenrechtsaktivistinnen.
Markus N. Beeko, Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion.
© Bernd Hartung
Eine gute Nachricht mag sein, dass Pegasus in Deutschland keine offizielle Anwendung findet. Das Grundgesetz, unsere parlamentarische Kontrolle, das Bundesverfassungsgericht und eine aktive Zivilgesellschaft haben gezielter Überwachung rechtsstaatliche Grenzen gesetzt. Doch die werden weiter aufgeweicht. Auch Geheimdienste dürfen neuerdings "Staatstrojaner" einsetzen, ohne einen konkreten Verdacht oder eine richterliche Genehmigung zu brauchen. Das zeigt, wie wichtig die Diskussion um "Staatstrojaner" und Sicherheitslücken ist. Und wie überfällig weltweite Exportregeln für Überwachungssoftware sind.
Hundertprozentig sicher fühlen vor unrechtmäßiger Überwachung kann sich indes hierzulande niemand: Auch Überwachungsziele in Deutschland waren in der NSO-Zielliste zu finden, etwa die eines Aktivisten, der vor dem syrischen Regime zu uns fliehen konnte.
Markus N. Beeko ist Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion.