Amnesty Journal 12. Oktober 2021

Frauen im Mittelpunkt

Ein klassisches Ölgemälde zeigt das Porträt einer Frau in einem altertümlichen Gewand, ihr linkes Auge ist rot und blau angelaufen.

Gegen Gewalt an Frauen: Poster aus einer Amnesty-Kampagne, 2004.

60 Jahre Amnesty, 40 Jahre politische Arbeit zu Menschenrechtsverletzungen an Frauen. Wie begann es? Und was wurde erreicht? Ein Überblick.

von Gunda Opfer

Die Arbeit zum Thema Menschenrechtsverletzungen an Frauen ist nicht gerade das Erste, was Unbeteiligten zu Amnesty International einfällt, und selbst unsere Mitglieder verbinden spontan andere Begriffe damit. Schließlich bildete die Befreiung ­politischer Gefangener im Jahr 1961 den Anlass zur Gründung der Bewegung. Amnesty öffnete sich danach für die Arbeit zu anderen Arten von Menschenrechtsverletzungen, um schließlich beim Motto "Amnesty – für die Menschenrechte" anzukommen.

Erst in den 1980er Jahren nahm die Arbeit zu Frauenrechten an Fahrt auf. Ein erster Höhepunkt war die Amnesty-Kampagne "Stop Violence against Women" (2004 bis 2010). Rund 60 Projekte deckten fast alle Arten der Gewalt gegen Frauen in nahezu allen Kontinenten ab. Die deutsche Sektion war mit fast 40 Aktionen dabei.

Täter sind oft Nahestehende

Allen voran stand die meistverbreitete Art der Gewalt gegen Frauen, die häusliche, familiäre. Betroffen sind Frauen jedes Alters, jeder Bevölkerungsschicht und jeder Ethnie. Die Studie "Ending Violence Against Women" der US-amerikanischen Johns Hopkins Universität stellte 2000 fest: "Das größte Risiko für Frauen, Opfer von Gewalt zu werden, geht nicht von einer 'fremden Gefahr' aus, sondern von ihnen bekannten Männern, oftmals von Ehegatten oder anderen männlichen Familienmitgliedern. Was wirklich verblüfft, ist, wie sehr sich das Problem weltweit ähnelt."

Die Bandbreite der Länder unserer damaligen Agenda spricht für sich: Albanien, Armenien, Frankreich, Kenia, Ukraine, Ungarn, Venezuela, Weißrussland. Besonders in Albanien stellten sich sichtbare Fortschritte ein.

Neben einem Leben frei von Gewalt und dem Zugang zu Bildung gehört die Gewährung der "sexuellen und reproduktiven Rechte" zu den wichtigsten Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Frauenleben.

Sie waren das große Thema der Amnesty-Kampagne "My Body, My Rights". Mit wem will ich Sex haben, wen heiraten, wann möchte ich Kinder bekommen?

Darüber kann nur entscheiden, wer Zugang hat zu Aufklärung und Verhütungsmitteln sowie zu bestmöglicher Gesundheitsversorgung. Dazu gehören auch sichere und legale Möglichkeiten des Abbruchs einer ungewollten Schwangerschaft. Mit "My Body, My Rights" haben wir uns gegen Müttersterblichkeit eingesetzt, ein gravierendes Problem besonders in ­vielen afrikanischen Ländern.

Wichtig waren auch unsere Projekte für Frauen in Ländern wie El Salvador, in denen Fehlgeburten als Abtreibungen aus­gelegt werden und somit harten Strafen unterliegen. Amnesty konnte zum Freispruch einer Frau beitragen, die deshalb inhaftiert war, aber 16 andere hoffen noch auf ihre Freilassung. ­Länder mit sehr strengen Gesetzen zum Schwangerschafts­abbruch stehen weiterhin bei uns im Fokus.

Mit der jüngsten Aktion "Die Istanbul-Konvention rettet ­Leben" haben wir gegen den Austritt der Türkei aus diesem ­Abkommen des Europarats gegen häusliche Gewalt protestiert. Und auch unser laufendes Projekt zur Ostukraine "Häusliche Gewalt ist keine Privatsache" knüpft an "Stop Violence against Women" an und hat sogar schon zu Fortschritten beigetragen!

Gunda Opfer ist Sprecherin der Themenkoordinationsgruppe "Menschenrechtsverletzungen an Frauen" der deutschen Sektion von Amnesty ­International.

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