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"Wenn ich von Friedensverhandlungen mit den Taliban höre, wird mir schlecht"
Die Suchthelferin Laila Haidari.
© Theresa Breuer
Laila Haidari (40) arbeitet als Suchthelferin in Afghanistan. Sie erzählt von Perspektivlosigkeit und Armut in einem endlosen Krieg.
Protokoll: Theresa Breuer
Seit 40 Jahren leben wir im Krieg. Die ständige Gewalt führt zu Arbeitslosigkeit, die Armut zu Perspektivlosigkeit und die wiederum zu Drogensucht.
Als ich 15 Jahre alt war, habe ich das erste Mal bemerkt, dass mit meinem Bruder etwas nicht stimmt. Damals war er Soldat im Bürgerkrieg. Dass er drogensüchtig war, ist mir aber erst klar geworden, als ich vor zehn Jahren aus dem Exil im Iran zurück nach Kabul kam. Ich sah ihn unter einer Brücke. Abgemagert. Schmutzig. Er war nicht allein. Unter der Brücke lebten Dutzende Männer, die Opium und Heroin konsumierten. In jedem einzelnen von ihnen sah ich meinen Bruder. Ich wusste, dass ich etwas tun musste. Mit einem Bekannten aus den USA beschloss ich, eine Unterkunft für Süchtige aufzubauen.
Es hat lange gedauert, bis wir einen Ort fanden. Niemand wollte an uns vermieten. Unsere Gesellschaft stigmatisiert Suchtkranke. Die Menschen denken, dass Drogenabhängige ins Gefängnis gehören. Auch die Süchtigen waren anfangs misstrauisch. Als ich das erste Mal unter die Brücke gegangen bin und den Menschen meine Hilfe angeboten habe, sagten sie: "Wenn du eine Politikerin bist, denk ja nicht, dass wir dich wählen werden." Aber einige kamen mit. Ich habe sie gewaschen, rasiert und ihnen frische Kleidung gegeben. Langsam haben sie Vertrauen gefasst.
Von Sucht hatte ich allerdings keine Ahnung. Ich dachte, wenn ich ihnen genug Informationen gebe, werden sie verstehen, wie schädlich Drogen für sie sind. Wahrscheinlich hängt das mit meiner eigenen Biografie zusammen. Ich bin mit zwölf Jahren zwangsverheiratet worden. Mein Mann hat mich kontrolliert: Er bestimmte, was ich essen musste, was ich anziehen durfte. Ich habe heimlich Bücher gelesen und gelernt, wie es Frauen anderswo auf der Welt geht. Mit 21 Jahren habe ich mich scheiden lassen. Weil mir bewusst geworden war, welches Unrecht mir angetan wurde.
Ich dachte, so könne ich auch das Suchtproblem lösen: indem ich Bewusstsein schaffe. Am Anfang haben mir die Süchtigen versprochen, weniger zu nehmen. Ich war naiv genug, das zu glauben. Sogar Geld habe ich ihnen gegeben, damit sie sich Drogen kaufen konnten. Schnell ist mir klargeworden, dass das so nicht funktioniert. Also habe ich ihnen die Drogen weggenommen. Beim kalten Entzug haben sie sich übergeben, sich beschmutzt. Trotzdem habe ich mich gekümmert. Seitdem nennen sie mich Mama.
5.200 Suchtkranke habe ich in den vergangenen zehn Jahren behandelt. Ungefähr 1.000 von ihnen sind über ein Jahr lang clean geblieben. Natürlich sehe ich einen Zusammenhang zwischen Krieg und Drogensucht in Afghanistan. Natürlich will ich Frieden. Aber wenn ich von Friedensverhandlungen mit den Taliban höre, wird mir schlecht. Die Ideologie der Taliban ist grundsätzlich frauenfeindlich – und steht damit im Widerspruch zu einem echten Frieden.
Ich bin selbstständig, geschieden und trage kein Kopftuch. Auch in meiner Familie gibt es noch genug Leute, die meinen Lebensstil nicht akzeptieren. Diese Denkweise ist gefährlich und darf nicht mehr staatlich unterstützt werden.