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Constanze Kurz über die Freiheitssphäre des Einzelnen (Artikel 12)

Constanze Kurz, Datenschutzaktivistin
© Amnesty International, Foto: Heiko Richard
Wie fühlt sich Überwachung an? Wenn ich an meine Kindheit in der DDR zurückdenke, dann erinnere ich mich vor allem an ein Gefühl der Repression. Damals haben wir schon als Kinder gelernt, bestimmte Dinge gegenüber bestimmten Personen nicht zu erwähnen. Man konnte beispielsweise zu Hause "West-Fernsehen" schauen, aber gesprochen hat man darüber nicht. Die Überwachungsmaßnahmen der Stasi beruhten auf einem Netz an Personen und Informanten, die ihr zugearbeitet haben. Das Gefühl des "Überwachtwerdens" war spürbar.
Heute sind wir in einer komplett anderen Situation: Wir werden aus technischer Sicht sehr viel intensiver überwacht, spüren das aber kaum. Mit unseren Smartphones tragen wir buchstäblich Ortungswanzen in unserer Hosentasche, ohne uns daran zu stören. Wir kommunizieren sehr viel mehr. Die Digitalisierung befördert vielfältige Kommunikationsformen, gleichzeitig aber auch die Möglichkeiten durch Regierungen und Geheimdienste überwacht zu werden.
Wenn wir nicht mehr Stift und Papier nutzen, um unser Tagebuch zu schreiben, sondern die Diktierfunktion unseres Smartphones, ist außerdem nicht mehr nur unsere Privatsphäre, sondern auch der intimste, persönlichste Bereich betroffen. Viele technische Geräte haben heute sensorische Funktionen, um beispielsweise unsere Gesundheit zu überwachen. Solche "Fitness-Tracker" dokumentieren alles, vom einzelnen Schritt bis zum Herzschlag.
In diesem Video spricht Constanze Kurz über dein Recht auf Privatsphäre
Die Technik wächst also einerseits in uns hinein, andererseits sind wir immer offener dafür, Persönliches und Intimes an die Technik auszulagern. Die Gründe dafür sind durchaus verständlich, zum Beispiel der Wunsch, sich zu erinnern. Etwa an die Geburt unserer Kinder, die wir auch mit dem Rest unserer Familie teilen möchten. Wir sind kommunikative Wesen, wir können gar nicht anders. Das macht uns erst zum Menschen.
Wir haben ein natürliches Gefühl für Privatsphäre: Wenn uns jemand auf der Straße folgt und auf das Smartphone starrt, wir im Café sitzen und vom Nachbartisch aus belauscht werden, fällt uns das in den meisten Fällen auf – wir können uns dagegen wehren. Im Gegensatz dazu sind digitale Eingriffe in die Privatsphäre kaum spürbar, sie bleiben abstrakt, selbst wenn wir wissen, dass Daten gesammelt werden.
Sie speichern nicht nur einzelne Gespräche, sondern die Gesamtheit unserer Kommunikation, quasi ein Abbild unseres sozialen Netzwerks, mit dem wir agieren. Die Eingriffe gehen zudem weit über die Kommunikation hinaus: Mittlerweile werden europaweit Passagierdaten auf Vorrat gespeichert. Derzeit debattiert die Europäische Union darüber, ob man alle Personen, sozusagen vom Kind bis zum Greis, verpflichten soll, biometrische Daten abzugeben. Der Deutsche Bundestag hat sich bereits dazu entschieden, diese Daten automatisch für Polizei und Geheimdienste zugänglich zu machen.
Die Überwachungsmaßnahmen werden mit einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis gerechtfertigt. Entweder Sicherheit oder Privatsphäre. Dieser vermeintliche Zusammenhang ist konstruiert und für viele Bereiche nicht belegt. Was mich sehr beunruhigt: Unsere Kritik an ansatzlosen Überwachungsmaßnahmen gerät immer mehr in die Defensive. Wir müssen uns vorwerfen lassen, nicht um die Sicherheit der Bevölkerung besorgt zu sein. Wir würden Täter schützen. Eine fatale Rolle spielt hier die Politik, wenn diese Ängste in der Bevölkerung ausnutzt und dadurch Hass und Ablehnung schürt. Klar muss sein: In einer freiheitlichen Gesellschaft kann es nie die totale Sicherheit geben.
Ich wünsche mir, dass sich die politischen Verantwortlichen stärker für das Recht auf Privatsphäre einsetzen. Gleichzeitig sollte ein größerer Teil der Gesellschaft eine Haltung zu Grund- und Menschenrechten entwickeln und wissen, warum sie wichtig sind. Ich bin kein Technikfeind, im Gegenteil. Technik kann unglaublich praktisch für viele alltägliche Probleme sein. Wenn wir sie jedoch in unser Leben integrieren, sollten wir dies mit einer kritischen Haltung tun und unsere Rechte kennen – vor allem dort, wo wir privat kommunizieren und Persönliches teilen.