Glossar für diskriminierungssensible Sprache

Demonstration gegen Rassismus im August 2019 in Dresden
© Amnesty International, Foto: Jarek Godlewski
Die mit * gekennzeichneten Definitionen stammen aus dem Glossar Formulierungshilfen für die Berichterstattung im Einwanderungsland der Neuen deutschen Medienmacher, 2015.
https://glossar.neuemedienmacher.de/
Bei Zitaten aus dem Amnesty-Glossar bitten wir darum, die Originalquelle anzugeben.
Ausländer_in ist als Bezeichnung für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft korrekt. Als Synonym für Einwanderer_innen ist er dagegen falsch, da die meisten Migranten und ihre Nachkommen keine Ausländer_innen mehr sind, sondern Deutsche. Grundsätzlich verortet "Ausländer_in" Menschen im Ausland und klingt nicht nach jemandem, der/die den Lebensmittelpunkt in Deutschland hat.*
Farbige/farbig ist ein kolonialistischer Begriff und negativ konnotiert. Eine Alternative ist die Selbstbezeichnung People of Color (PoC, Singular: Person of Color). Begriffe wie "Farbige" oder "Dunkelhäutige" lehnen viele People of Color ab. Die Initiative "der braune mob e. V." schreibt: "Es geht nicht um 'biologische' Eigenschaften, sondern gesellschaftspolitische Zugehörigkeiten." Um das deutlich zu machen, plädieren sie und andere dafür, die Zuschreibungen Schwarz und Weiß groß zu schreiben.*
Eine alternative Schreibweise ist, weiß klein und kursiv zu schreiben.
Institutioneller Rassismus liegt vor, wenn eine Institution in ihrer Gesamtheit Menschen aufgrund ihrer phänotypischen Merkmale, ihres kulturellen Hintergrunds oder ihrer tatsächlichen oder angenommenen ethnischen Herkunft unangemessen oder gar rassistisch behandelt. Institutioneller Rassismus kann in Abläufen, Einstellungen und Verhaltensweisen sichtbar werden, die durch unbewusste Vorurteile, Nichtwissen, Gedankenlosigkeit und rassistische Stereotype zu Diskriminierung und einer Benachteiligung von Personen oder Gruppen führen.[1]
Menschen mit Migrationshintergrund sind nach statistischer Definition in Deutschland lebende Ausländer_innen, eingebürgerte Deutsche, die nach 1949 in die Bundesrepublik eingewandert sind, sowie in Deutschland geborene Kinder mit deutschem Pass, bei denen sich der Migrationshintergrund von mindestens einem Elternteil ableitet. Zunächst wurde "Personen mit Migrationshintergrund" in der Verwaltungs- und Wissenschaftssprache verwendet. Doch als durch Einbürgerungen und das neue Staatsangehörigkeitsrecht von 2000 der Begriff Ausländer/in nicht mehr funktionierte, um Einwanderer_innen und ihre Nachkommen zu beschreiben, ging die Formulierung auch in die Umgangssprache ein. Inzwischen wird der Begriff von manchen als stigmatisierend empfunden, weil damit mittlerweile vor allem (muslimische) "Problemgruppen" assoziiert werden.*
Zudem erfasst der Begriff nicht alle People of Color, da der Definition zufolge der Migrationshintergrund verschwinden kann, Menschen jedoch teilweise weiterhin rassistisch markiert werden.
Migranten und Migrantinnen werden vom Statistischen Bundesamt als Menschen definiert, die nicht auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik, sondern im Ausland geboren sind. Rund die Hälfte davon sind Deutsche, die andere Hälfte hat eine ausländische Staatsangehörigkeit. Im Diskurs wird dieser Begriff häufig irrtümlich als Synonym für Menschen mit Migrationshintergrund verwendet.*
People of Color / Menschen of Color ist "eine internationale Selbstbezeichnung von/für Menschen mit Rassismuserfahrungen. Der Begriff markiert eine politische gesellschaftliche Position und versteht sich als emanzipatorisch und solidarisch. Er positioniert sich gegen Spaltungsversuche durch Rassismus und Kulturalisierung sowie gegen diskriminierende Fremdbezeichnungen durch die weiße Mehrheitsgesellschaft." [2]
Der Begriff "Rasse" ist – insbesondere im deutschen Sprachgebrauch – problematisch, da er mit einem wissenschaftlich nicht haltbaren biologistischen Konzept verbunden und nicht als soziale Konstruktion verstanden wird.[3] Biologisch unterschiedliche "Menschenrassen" aufgrund von äußeren Merkmalen herzuleiten entsagt jeglicher wissenschaftlichen Basis. Der Begriff steht für eine lange Geschichte rassistischer Vernichtung und Gewalt. Die UNESCO hat bereits 1950 festgestellt, dass er für ein gesellschaftliches Konstrukt steht, das unermessliches Leid verursacht hat. [4]
Roma ist sowohl eine Selbstbeschreibung als auch der Oberbegriff für eine heterogene Gruppe von Menschen, die vor über 1.000 Jahren, vermutlich aus Indien, nach Europa ausgewandert ist. Da sie sich durch verschiedene Sprachen, Religionen und Gewohnheiten voneinander unterscheiden, sprechen Experten häufig von Romagruppen oder Angehörigender Roma-Minderheiten. Im männlichen Singular spricht man von Rom (Plural: Roma), im weiblichen Singular von Romni (Plural: Romnja). Bis in die 70er war die verunglimpfende Bezeichnung "Zigeuner" in Deutschland gängig.*
Schwarze Menschen ist eine Selbstbezeichnung und beschreibt eine von Rassismus betroffene gesellschaftliche Position. "Schwarz wird großgeschrieben, um zu verdeutlichen,dass es sich um ein konstruiertes Zuordnungsmuster handelt und keine reelle' Eigenschaft', die auf die Farbe der Haut zurückzuführen ist. So bedeutet Schwarz-Sein in diesem Kontext nicht, einer tatsächlichen oder angenommenen 'ethnischen Gruppe' zugeordnet zu werden, sondern ist auch mit der gemeinsamen Rassismuserfahrung verbunden, auf eine bestimmte Art und Weise wahrgenommen zu werden." [5]
Sinti ist die Bezeichnung für Nachfahren der Romagruppen, die bereits seit dem 15. Jahrhundert in den deutschsprachigen Raum eingewandert sind. Sie wird nur in Deutschland, Österreich und Teilen Norditaliens verwendet. Der weibliche Singular ist Sintiza (Plural Sintize), der männliche Singular ist Sinto (Plural Sinti).*
Türkischstämmige (Bürger_innen) ersetzt oftmals die früher gängige Bezeichnung Türken und berücksichtigt, dass fast die Hälfte davon inzwischen deutsche Staatsbürger_innen sind. Korrekter ist allerdings die Bezeichnung türkeistämmige Menschen, da viele Einwanderer(-kinder) aus der Türkei Kurden oder Angehörige anderer Minderheiten sind und sich nicht als "türkisch" verstehen.*
"Weiß" und "Weißsein" bezeichnen ebenso wie "Schwarzsein" keine biologische Eigenschaft und keine reelle Hautfarbe, sondern eine politische und soziale Konstruktion. Mit Weißsein ist die dominante und privilegierte Position innerhalb des Machtverhältnisses Rassismus gemeint, die sonst zumeist unausgesprochen und unbenannt bleibt. Weißsein umfasst ein unbewusstes Selbst- und Identitätskonzept, das weiße Menschen in ihrer Selbstsicht und ihrem Verhalten prägt und sie an einen privilegierten Platz in der Gesellschaft verweist, was z.B. den Zugang zu Ressourcen betrifft. Eine kritische Reflexion von Weißsein besteht in der Umkehrung der Blickrichtung auf diejenigen Strukturen und Subjekte, die Rassismus verursachen und davon profitieren, und etablierte sich in den 1980er Jahren als Paradigmenwechsel in der englischsprachigen Rassismusforschung. Anstoß hierfür waren die politischen Kämpfe und die Kritik von People of Color. [6]
[1] The Stephen Lawrence Inquiry. Report of an inquiry by Sir William Macpherson of Cluny, Februar 1999, Kapitel 6.34
[2] Amadeu-Antonio-Stiftung, Glossar: Antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit, 2014, www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/juan-faecher.pdf, S. 15
[3] Hendrik Cremer, "… und welcher Rasse gehören Sie an?" Zur Problematik des Begriffs "Rasse" in der Gesetzgebung, hrsg. vom Deutschen Institut für Menschenrechte, 2. Aufl., 2010, www.institut-fuer-menschenrechte.de
[4] UNESCO, Statement on Race, Paris 1950
[5] Jamie Schearer, Hadija Haruna, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), Über Schwarze Menschen in Deutschland berichten, Blogbeitrag, 2013, http://isdonline.de/uber-schwarze-menschen-indeutschland-berichten
[6] Wer anderen einen Brunnen gräbt … Rassismuskritik // Empowerment // Globaler Kontext, Glossar, Blogbeitrag, https://weranderneinenbrunnengraebt.wordpress.com/glossar/
Weitere Informationen zum Thema Rassismus in Deutschland findest du hier.