Aktuell Deutschland 12. Januar 2010

Amnesty begrüsst BGH-Urteil zum Feuertod von Oury Jalloh

12. Januar 2010 - Der Bundesgerichtshof hat am 7. Januar 2010 entschieden: Der Feuertod von Oury Jalloh im Polizeigewahrsam am 7.1.2005 muss neu verhandelt werden. Das ist gut, denn der Prozess vor dem Landgericht Dessau war davon geprägt, dass die als Zeugen aussagenden Polizisten nicht zur Wahrheitsfindung beitrugen. Im Gegenteil: die meisten Polizisten erklärten, dass sie sich nicht erinnerten oder dass sie nichts gesehen hätten. Noch immer ist ein Verfahren wegen Falschaussage vor Gericht gegen einen Polizisten anhängig.

Verhalten der Polizei ist kein Einzelfall

Leider ist das Verhalten der Polizei bei den Ermittlungen des Todes von Oury Jalloh kein Einzelfall. Amnesty International hat in vielen Fällen recherchiert, dass die strafrechtlichen Ermittlungen bei Anzeigen gegen Polizisten nicht unabhängig, unmittelbar, umfassend und unparteilich erfolgten. Deswegen führen Anzeigen gegen Polizisten wegen rechtswidriger Gewaltanwendung oder anderer Verbrechen viel zu häufig ins Leere und die Polizisten werden nicht zur Verantwortung gezogen.

Deutschland verletzt seine menschenrechtliche Pflicht

Damit verletzt Deutschland seine menschenrechtliche Pflicht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat betont, dass die Staaten die Pflicht haben, Vorwürfe gegen Polizisten wegen einer Misshandlung oder weil ein Mensch in Polizeigewahrsam ums Leben gekommen ist, unmittelbar, umfassend, unabhängig und unparteilich unter Einbeziehung des Opfers zu ermitteln.
Amnesty International fordert deswegen schon seit langem, dass alle Polizeibeamten regelmäßig über Menschenrechte geschult werden sollten. Diese Schulungen sollten auch ein interkulturelles Training, Antidiskriminierungs- und Toleranztrainings beinhalten.

Amnesty fordert unabhängige Polizeikommissionen

Außerdem fordern wir, dass unabhängige Polizeikommissionen auf Länderebene eingerichtet werden. Diese müssen so ausgestattet sein, dass sie Fälle von unverhältnismäßiger Gewaltanwendung und anderem polizeilichen Fehlverhalten ermitteln können. Sie sollen Anlaufstelle für die Opfer von Polizeigewalt sein, die häufig Angst davor haben, ihre Anzeige gegen Polizisten bei der Polizei zu erstatten. Außerdem sollen diese Kommissionen Empfehlungen an die Polizei aussprechen, wie die Arbeit strukturell verbessert und unverhältnismäßige Gewaltanwendung verhindert werden kann.

Schließlich fordert Amnesty International, dass alle Polizeibeamten individuell gekennzeichnet werden, sei es mit ihrem Namen oder mit einer Nummer, die man sich leicht einprägen kann. Immer wieder können Polizisten nicht zur Rechenschaft gezogen werden, weil sie nicht identifiziert werden können, insbesondere bei Übergriffen während Demonstrationen.

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