Anwalt vor Gericht

Im Mai hat das Verfahren gegen den Anwalt Buzurgmekhr Yorov, der Mitglieder der verbotenen oppositionellen Partei der Islamischen Wiedergeburt Tadschikistans (IRPT) vertritt, begonnen. Das Verfahren findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und entspricht möglicherweise nicht den Standards für faire Verfahren.

Appell an

PRÄSIDENT
Emomali Rakhmon
80 Rudaki Avenue
Dushanbe 734023
TADSCHIKISTAN
(Anrede: Dear President Rakhmon /
Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 992) 372 21 68 00
E-Mail: mail@president.tj

GENERALSTAATSANWALT
Yusuf Rakhmon
126 A. Sino Avenue
Dushanbe 734043
TADSCHIKISTAN
(Anrede: Dear Prosecutor General /
Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 992) 372 21 02 59
E-Mail: secretariat@prokuratura.tj
(Bei Fax oder E-Mail um Weiterleitung an den Generalstaatsanwalt bitten)

Sende eine Kopie an

AUSSENMINISTER
Sirodjidin Aslov
33 Sheroz
Dushanbe 734001
TADSCHIKISTAN
Fax: (00 992) 372 21 02 59
E-Mail: info@mfa.tj

BOTSCHAFT DER REPUBLIK TADSCHIKISTAN
S. E. Herrn Maliksho Nematov
Perleberger Straße 43
10559 Berlin
Fax: 030-3479 3029
E-Mail: info@botschaft-tadschikistan.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Tadschikisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 25. Juli 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Es bereitet mir große Sorge, dass die Vorwürfe gegen Buzurgmekhr Yorov allem Anschein nach politisch motiviert sind.

  • Bitte stellen Sie sicher, dass die strafrechtlichen Verfahren gegen ihn den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren umfassend entsprechen. Dazu zählt unter anderem auch, dass die Öffentlichkeit, Medien und internationale Beobachter_innen an den Gerichtsterminen teilnehmen dürfen.

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass alle Rechtsbeistände in Tadschikistan in Übereinstimmung mit den UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte ihre beruflichen Aufgaben ohne Angst vor Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder unstatthafter Beeinflussung wahrnehmen können.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Expressing concern that the criminal prosecution of Buzurgmekhr Yorov is politically motivated.

  • Urging the authorities to ensure that the criminal proceedings against him fully comply with international fair trial standards, including allowing members of public, media and international monitors to attend court hearings.

  • Calling on them to ensure that all lawyers in Tajikistan are able to perform their professional duties without intimidation, hindrance, harassment or improper interference in accordance with the UN Basic Principles on the Role of Lawyers.

Sachlage

Das Verfahren gegen Buzurgmekhr Yorov hat im Mai begonnen. Ihm wird Betrug, Urkundenfälschung und "Extremismus" vorgeworfen. Bei einem Schuldspruch würde ihm eine langjährige Haftstrafe drohen. Medienvertreter_innen und internationale Beobachter_innen durften dem ersten Gerichtstermin am 10. Mai beiwohnen. Das Verfahren wurde dann jedoch verschoben und findet seitdem unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Buzurgmekhr Yorov wurde am 28. September 2015 von Angehörigen der Polizeieinheit zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens festgenommen. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft. Am 16. und 17. September 2015waren 14 hochrangige Mitglieder der Partei der Islamischen Wiedergeburt Tadschikistans (Islamic Renaissance Party of Tajikistan – IRPT) festgenommen worden, von denen Buzurgmekhr Yorov einige als Anwalt vertreten hatte. Die IRPT wurde im September 2015 willkürlich verboten.

Buzurgmekhr Yorov werden Betrug und Fälschung vorgeworfen. Obwohl diese Vorwürfe nicht mit der IRPT oder ihren Aktivitäten zusammenhängen, beschlagnahmten die Polizist_innen bei seiner Festnahme Dokumente, die mit den von ihm übernommenen IRPT-Fällen zu tun haben. Damit wurde das Anwaltsgeheimnis verletzt. Im Dezember 2015 wurden zusätzliche Vorwürfe wegen "Extremismus" gegen Buzurgmekhr Yorov erhoben. Zu diesem Anklagepunkt sind jedoch bisher keine Informationen bekanntgegeben worden. Amnesty International geht davon aus, dass die gegen Buzurgmekhr Yorov erhobenen Anklagen politisch motiviert sind.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Gemäß Artikel 14 (1) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten auch Tadschikistan gehört, hat jeder das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren. Die Presse und die Öffentlichkeit dürfen nur unter vorgeschriebenen und genau definierten Umständen von einem Verfahren ausgeschlossen werden. In zahlreichen Ländern begründen die Behörden die große Anzahl von Verfahren, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, mit Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit, so zum Beispiel in Verfahren, in denen es um terrorismusbezogene Straftaten geht. Staaten können jedoch nicht uneingeschränkt selbst entscheiden, wann eine Gefahr für die nationale Sicherheit vorliegt. Der UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus hat wiederholt erklärt, dass das Rechts auf ein öffentliches Verfahren nur dann aus Gründen der nationalen Sicherheit eingeschränkt werden darf, wenn dies unabdingbar ist. Um ein faires Verfahren zu garantierten, "müssen sie [die Einschränkungen] mit angemessenen Beobachtungs- oder Überprüfungsmechanismen einhergehen".

Anwält_innen wird in Tadschikistan immer wieder der Zugang zu ihren inhaftierten Mandant_innen verweigert, oft tagelang und meist direkt nach der Festnahme. Zudem laufen Anwält_innen Gefahr, schikaniert, eingeschüchtert und wegen ihrer Arbeit festgenommen zu werden. 2015 wurde der Menschenrechtsanwalt Shukhrat Kudratov wegen Betrugs und Bestechung zu neun Jahren Haft verurteilt. Shukhrat Kudratov ist der Ansicht, dass die Vorwürfe gegen ihn politisch motiviert sind und mit seiner Arbeit als Anwalt zusammenhängen, genauer gesagt mit der Verteidigung von Zaid Saidov, Oppositionsmitglied und ehemaliger Minister für Energie und Industrie. Zaid Saidov war 2013 zu 26 Jahren Haft verurteilt worden. Seit der Festnahme von Buzurgmekhr Yorov sind noch drei weitere Rechtsbeistände festgenommen worden, die IRPT-Mitglieder vertreten.

In den UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte heißt es: "Der Staat stellt sicher, dass der Rechtsanwalt [...] in der Lage ist, alle seine beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder unstatthafte Beeinflussung wahrzunehmen" (Prinzip 16); "Der Rechtsanwalt darf wegen der Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht mit seinen Mandanten oder den Angelegenheiten seiner Mandanten identifiziert werden" (Prinzip 18); und: "Der Staat erkennt an und beachtet, dass jede Kontaktnahme und Beratung zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten innerhalb der beruflichen Beziehung vertraulich ist" (Prinzip 22).

Am 28. August 2015 erhielt die IRPT vom Justizministerium die Anordnung, bis zum 7. September ihre Aktivitäten einzustellen. Das Ministerium begründete dies damit, dass es der IRPT an "ausreichender Unterstützung durch die Öffentlichkeit" fehle, um als registrierte Partei betrachtet werden zu können. Die IRPT war von Ende der 1990er-Jahre bis 2015 eine offiziell registrierte politische Partei, die an Wahlen teilnahm und Sitze im Parlament innehatte. Am 29. September 2015 wurde die IRPT von der Generalstaatsanwaltschaft als "terroristische Organisation" eingestuft. Diese Entscheidung wurde durch den Obersten Gerichtshof des Landes bestätigt. Als Begründung wurde angeführt, dass einige der Mitglieder seit langer Zeit Verbindungen zu Gruppen haben sollen, die "Extremismus" förderten, und dass die Partei die Medien – darunter eine Partei-Zeitung namens "Erlösung" – dazu genutzt habe, um "extremistisches Gedankengut" zu verbreiten und religiösen Hass zu schüren.

Kurze Zeit später wurden 14 hochrangige Mitglieder der IRPT festgenommen. Sie sind im Februar 2016 vor Gericht gestellt worden, weil man ihnen vorwirft, an dem mutmaßlichen Versuch eines ehemaligen tadschikischen Verteidigungsministers, im August 2015 gewaltsam die Macht zu übernehmen, beteiligt gewesen zu sein. Das Verfahren gegen die IRPT-Mitglieder entsprach nicht den internationalen Standards für faire Verfahren. Sie wurden alle schuldig gesprochen und 13 von ihnen erhielten Haftstrafen zwischen 14 Jahren und lebenslänglich. Nur die einzige angeklagte Frau erhielt nur zwei Jahre Haft. Weitere Informationen zu diesem Fall finden Sie in dem englischsprachigen Bericht Tajikistan: 14 high-ranking members of political opposition party sentenced to long prison terms in unfair trial, online unter https://www.amnesty.org/en/documents/EUR60/4214/2016/en/.