Menschenrechtler wegen "Diebstahls" in Haft

Der Menschenrechtsverteidiger Aleksei Sokolov wurde in Untersuchungshaft überstellt. Er soll wegen eines im Jahr 2004 begangenen Diebstahls vernommen werden. Amnesty International befürchtet, dass die Anklage gegen Aleksei Sokolov nur erhoben wurde, um ihn an seinem Einsatz für die Menschenrechte zu hindern.

Appell an

GENERALSTAATSANWALT
Prosecutor General of the Russian Federation
Yurii Ya. Chaika
Ul. Bolshaia Dmitrovka, 15a
Moscow GSP-3
125993 RUSSLAND
(korrekte Anrede: Dear Prosecutor General)
Fax: (007) 495 692 17 25

STAATSANWALT DER REGION SVERDLOVSK
Prosecutor of the Sverdlovsk Region
Yurii A. Ponomarev
Ul. Moskovskaia 21, Yekaterinburg,
GSP 1036 Sverdlovsk Region
620219 RUSSLAND
(korrekte Anrede: Dear Prosecutor)
Fax: (007) 343 377 02 41

ABTEILUNG FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN
Department for Internal Affairs
Colonel Marat Kh. Bisinbaev
Ul. Frunze 74, Yekaterinburg
620144 RUSSLAND
(korrekte Anrede: Dear Colonel)

Sende eine Kopie an

OMBUDSMANN FÜR DIE RUSSISCHE FÖDERATION
Vladimir P. Lukin
Ombudsperson for the Russian Federation
Ul. Miasnitskaia 47, Moscow
107048 RUSSLAND
(korrekte Anrede: Dear Mr. Lukin)
Fax: (007) 495 607 74 70

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S.E. Herrn Vladimir Kotenev
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030 2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 29. September 2009 keine Appelle mehr zu verschicken.

RECOMMENDED ACTION: PLEASE SEND APPEALS TO ARRIVE AS QUICKLY AS POSSIBLE, IN RUSSIAN, ENGLISH OR YOUR OWN LANGUAGE:

  • urging the authorities to release Alexei Sokolov to await trial;

  • demanding that they grant Alexei Sokolov a prompt and fair trial;

  • calling on them to demonstrate respect for the lawful work of human rights defenders, and ensure they are free to pursue their lawful activities without fear of repercussions.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE, IN DENEN SIE

  • bei den Behörden darauf drängen, dass Aleksei Sokolov bis zum Prozessbeginn freigelassen wird;

  • von den Behörden fordern, dass Aleksei Sokolov ein umgehendes und faires Verfahren erhält;

  • bei den Behörden darauf dringen, die gesetzesgemäße Arbeit von MenschenrechtsverteidigerInnen zu respektieren und sicherzustellen, dass sie ihrer Arbeit ohne Angst vor Repressalien nachgehen können.

Sachlage

Am 31. Juli 2009 beschloss das zuständige Gericht von Sverdlovsk, den Menschenrechtsaktivisten Aleksei Sokolov, der wegen eines Raubüberfalls im Jahr 2004 festgenommen worden war, aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Anstatt ihn freizulassen, teilte ihm die Polizei jedoch mit, dass er nun wegen des Verdachts auf einen im Jahr 2004 begangenen Diebstahl verhaftet sei. Bei einer Anhörung am 4. August 2009 entschied das zuständige Gericht in Yekaterinburg, dass Aleksei Sokolov bis zum Prozess in Haft bleiben muss.

Die Anhörung am 4. August sollte eigentlich öffentlich sein, sie erfolgte jedoch ohne Begründung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nur die Anwälte des Betroffenen hatten Zutritt. Dabei prüfte das Gericht nicht, ob die Anklage gegen Aleksei Sokolov begründet ist, und berücksichtigte auch nicht die Einwände von Aleksei Sokolovs Anwalt, dass keine ordnungsgemäße Akte über die Inhaftierung seines Mandanten angelegt worden war.

Der Richter stimmte der Staatsanwaltschaft zu, dass Aleksei Sokolov seine Position als Mitglied einer öffentlichen Kommission für die Kontrolle von Hafteinrichtungen genutzt und die wegen des 2004 begangenen Diebstahls Verurteilten beeinflusst haben könnte. Der Richter ordnete an, dass Aleksei Sokolov auch weiterhin in Untersuchungshaft bleiben muss, obwohl seine Mitgliedschaft bei einer öffentlichen Kommission für die Kontrolle von Hafteinrichtungen bereits im Mai 2009 beendet wurde.

Am 17. Dezember 2005 hatte die Polizei ihre Ermittlungen wegen des Diebstahls, an dem Aleksei Sokolov beteiligt gewesen sein soll, eingestellt, da sie keinen Verdächtigen finden konnten. Am 23. Juli 2009, acht Tage vor der Inhaftierung des Menschenrechtsverteidigers, wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Der Staatsanwaltschaft lagen Zeugenaussagen vor, die Aleksei Sokolov hinsichtlich des Diebstahls belasteten. In der Gerichtsakte wurden die Zeugen jedoch nicht näher benannt.

Als Aleksei Sokolov wegen Verdachts auf Raubüberfall festgenommen wurde, erfuhr Amnesty International von anderen Menschenrechtsorganisationen, die in der Region Sverdlovsk arbeiten, dass die Polizei die Aussagen gegen Aleksei Sokolov von Gefangenen erpresst hatte. Der Betroffene äußerte schon mehrmals seine Besorgnis darüber, dass die Polizei dies tun könnte, um ihn an seiner Arbeit als Menschenrechtsaktivist zu hindern.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Aleksei Sokolov leitet die Organisation Pravovaia Osnova (Rechtliche Grundlage), die zum Thema Folter und anderen Misshandlungen an Menschen in russischen Gefängnissen und Haftzentren arbeitet.

Im Jahr 2006 veröffentlichte er einen Film über Folter und andere Misshandlungen in der Gefängniskolonie IK-2 in Yekaterinburg. Ein Teil der Gefängniskolonie war dazu benutzt worden, Menschen unter Arrest zu halten, und dem Film zufolge wurden darin Menschen gefoltert. Der Film fand weite Verbreitung, sowohl in Russland als auch international, und führte zur Schließung der provisorischen inoffiziellen Hafteinrichtung. Die Arbeit von Pravovaia Osnova führte zu mehreren Ermittlungen gegen Angehörige von Polizei und Gefängniskolonien, denen unter anderem vorgeworfen wurde, Folter eingesetzt zu haben, um Verdächtige zu einem "Geständnis" zu zwingen.

Aleksei Sokolov wurde am 13. Mai 2009 unter dem Verdacht, an einem Diebstahl im Jahr 2004 beteiligt gewesen zu sein, festgenommen. Die Untersuchung dieses Diebstahls war bereits mehrere Male eingestellt worden, weil es keine Verdächtigen gab. Am 23. April 2009 nahm man die Ermittlungen jedoch erneut auf. Nach Angaben der Polizei hatte ein Verdächtiger, der bereits wegen eines anderen Verbrechens im Gefängnis sitzt, gestanden, den Raub zusammen mit Aleksei Sokolov begangen zu haben.

Nachdem er wegen Beteiligung an dem im Jahr 2004 begangenen Raubüberfall angeklagt und inhaftiert wurde, drohte ihm die Polizei, sie könne ihn zwar nicht schlagen, wüsste aber wie sie ihn foltern könnte. Aleksei Sokolov berichtete seinem Anwalt weiter, dass die Polizei zu ihm gesagt habe: "Du dachtest, du könntest uns kontrollieren, niemand kann die Polizei kontrollieren. Du hast bekommen, was du als Menschenrechtsverteidiger verdienst."

Aleksei Sokolov wurde schon früher angegriffen und drangsaliert. Am 2. August 2006 durchsuchte die Polizei seine Wohnung mit der Behauptung, darin befänden sich gestohlene Waren vom Vormieter. Sie beschlagnahmten jedoch Material zu Fällen, die Aleksei Sokolov für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorbereitete, Korrespondenz mit Gefangenen, Kopien von schriftlichen Unterlagen über Ermittlungen zu Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen sowie einen Fernseher, Computer und Kinderspielsachen.

Am 10. Juni 2008 bewarf man ihn mit Eiern, als er und zwei weitere MenschenrechtlerInnen, Lev Ponomarev und Ludmila Alekseeva, eine Pressekonferenz zum Tod von Gefangenen einer Gefängniskolonie am 31. Mai gaben. Im Januar 2009 klagte man daraufhin mehrere Gefängnisbeamte an, ihre Befugnisse überschritten zu haben. Die Frau von Aleksei Sokolow berichtete Amnesty International, dass ihr Mann schon viele Male bedroht wurde und man ihm geraten hat, seine Arbeit einzustellen.