Tunesien: Massenprozess gegen Oppositionelle

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Das Bild zeigt eine Collage mit Porträtfotos von acht Personen

Wurden angeklagt und teilweise inhaftiert, weil sie die tunesische Regierung kritisierten (v.l.n.r.): Abdelhamid Jelassi, Ridha Belhaj, Lazhar Akremi, Khayyam Turki, Jaouhar Ben Mbarek, Issam Chebbi, Ghazi Chaouachi und Chaima Issa.

Am 4. März 2025 begann der Prozess gegen 40 Personen, darunter Oppositionelle, Anwält*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen, die unter dem Vorwurf der "Verschwörung" angeklagt sind. Sechs der Angeklagten befinden sich bereits seit über zwei Jahren willkürlich in Untersuchungshaft. Die Politiker Jaouhar Ben Mbarek, Khayyam Turki, Issam Chebbi, Ghazi Chaouachi, Ridha Belhaj und Abdelhamid Jelassi sind seit Februar 2023 in diesem Fall willkürlich inhaftiert. Das Antiterrorgericht in Tunesien ermittelt gegen sie alle wegen des Versuchs, "die Staatsform zu verändern", worauf gemäß Paragraf 72 des Strafgesetzbuchs die Todesstrafe steht. Nach der ersten Anhörung beschloss der Richter, die Verhandlung auf den 11. April zu vertagen, ohne auf die Anträge der Verteidigung einzugehen. Diese sahen u. a. die vorläufige Freilassung der Inhaftierten vor sowie ihre Anwesenheit vor Gericht, das per Fernverfahren durchgeführt wurde. Die tunesischen Behörden müssen die Inhaftierten unverzüglich und bedingungslos freilassen, da sie allein wegen der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte festgehalten werden.

Setzt euch für willkürlich inhaftierte Oppositionelle und Menschenrechtsverteidiger*innen ein!

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Dein Appell

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Exzellenz,

die Oppositionellen Jaouhar Ben Mbarek, Khayyam Turki, Issam Chebbi, Ghazi Chaouachi, Ridha Belhaj und Abdelhamid Jelassi sind nach wie vor wegen unbegründeter Verschwörungsanklagen willkürlich inhaftiert. Seit ihrer Festnahme sind mehr als zwei Jahre vergangen, was die nach tunesischem Recht zulässige Höchstdauer der Untersuchungshaft überschreitet. 

Am 2. Mai 2024 verwies die Anklagekammer des Gerichts erster Instanz in Tunis 40 Personen, darunter die sechs oben genannten, zur Verhandlung an die Strafkammer des erstinstanzlichen Gerichts in Tunis und lehnte den im Namen der sechs Inhaftierten gestellten Antrag auf Freilassung ab. Die Justizbehörden hatten zuvor mindestens acht Anträge auf vorläufige Freilassung der sechs Inhaftierten abgelehnt, unter anderem im August 2023 und im Januar 2024, obwohl keine zuverlässigen Beweise für ein Fehlverhalten ihrerseits vorliegen. Seit Februar 2023 wurden dem Fall vom Untersuchungsrichter weitere Angeklagte hinzugefügt, darunter Aktivist*innen verschiedener Oppositionsgruppen, Menschenrechtsverteidiger*innen sowie Geschäftsleute und Inhaber*innen privater Medien.

Am 26. Februar 2025 teilte das erstinstanzliche Gericht in Tunis der tunesischen Anwaltskammer mit, dass die für den Monat März angesetzten Terrorismusprozesse ohne die physische Anwesenheit der Inhaftierten abgehalten werden und dass diese unter Berufung auf "das Bestehen einer realen Gefahr" online vom Gefängnis aus teilnehmen würden. 

Hiermit fordere ich Sie auf, dafür zu sorgen, dass Jaouhar Ben Mbarek, Khayyam Turki, Issam Chebbi, Ghazi Chaouachi, Ridha Belhaj und Abdelhamid Jelassi unverzüglich freigelassen werden, da sie allein wegen der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte inhaftiert sind. 

Sorgen Sie außerdem dafür, dass all die unbegründeten Vorwürfe gegen die Angeklagten in diesem Fall unverzüglich fallen gelassen und alle willkürlichen Reiseverbote und Beschränkungen ihrer Rechte aufgehoben werden.

Hochachtungsvoll

Your Excellency,

I write to you to express my grave concern over the prolonged arbitrary detention of opposition figures Jaouhar Ben Mbarek, Khayyam Turki, Issam Chebbi, Ghazi Chaouachi, Ridha Belhaj and Abdelhamid Jelassi on unfounded "conspiracy" accusations. Over two years have passed since their arrest exceeding the legal limit permitted for pre-trial detention under Tunisian law. 

On 2 May 2024, the Indictment Chamber of the Tunis Court of First Instance referred 40 individuals, including the six mentioned above, to the Criminal Chamber of the Tunis Court of First Instance for trial and rejected the release request submitted on behalf of the six detainees. Judicial authorities had previously turned down at least eight requests for provisional release of the six detainees, including in August 2023 and January 2024, despite the absence of any reliable evidence that implicates them in any wrongdoing. Since February 2023, additional defendants were added to the case by the investigative judge, including political opposition activists, human rights defenders as well as businessmen and private media shareholders.

On 26 February 2025 the Tunisian Bar Association received a memo from Tunis Court of First Instance informing them that terrorism trials scheduled for the month of March will be held without the physical presence of detainees and that they will be attending online from prison invoking ''the existence of a real danger". 

I therefore urge you to ensure that Jaouhar Ben Mbarek, Khayyam Turki, Issam Chebbi, Ghazi Chaouachi, Ridha Belhaj and Abdelhamid Jelassi, are immediately released as they are detained solely for the peaceful exercise of their human rights. I also urge you to ensure that all the unfounded charges against all defendants in the case are immediately dropped, and arbitrary travel bans and restrictions on their rights are lifted.

Yours sincerely,

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Appell an

Président
Kais Saied
Route de la Goulette
site archéologique de Carthage
TUNESIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Tunesischen Republik
S.E. Herrn Wacef Chiha
Lindenallee 16
14050 Berlin

Fax: 030-3082 06 83
E-Mail: at.berlin@tunesien.tn

 

Amnesty fordert:

  • Hiermit fordere ich Sie auf, dafür zu sorgen, dass Jaouhar Ben Mbarek, Khayyam Turki, Issam Chebbi, Ghazi Chaouachi, Ridha Belhaj und Abdelhamid Jelassi unverzüglich freigelassen werden, da sie allein wegen der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte inhaftiert sind.
  • Sorgen Sie außerdem dafür, dass all die unbegründeten Vorwürfe gegen die Angeklagten in diesem Fall unverzüglich fallen gelassen und alle willkürlichen Reiseverbote und Beschränkungen ihrer Rechte aufgehoben werden.
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Sachlage

Die Oppositionellen Jaouhar Ben Mbarek, Khayyam Turki, Issam Chebbi, Ghazi Chaouachi, Ridha Belhaj und Abdelhamid Jelassi sind nach wie vor wegen unbegründeter Verschwörungsanklagen willkürlich inhaftiert. Seit ihrer Festnahme sind mehr als zwei Jahre vergangen, was die nach tunesischem Recht zulässige Höchstdauer der Untersuchungshaft überschreitet. 

Am 2. Mai 2024 verwies die Anklagekammer des Gerichts erster Instanz in Tunis 40 Personen, darunter die sechs oben genannten, zur Verhandlung an die Strafkammer des erstinstanzlichen Gerichts in Tunis und lehnte den im Namen der sechs Inhaftierten gestellten Antrag auf Freilassung ab. Die Justizbehörden hatten zuvor mindestens acht Anträge auf vorläufige Freilassung der sechs Inhaftierten abgelehnt, unter anderem im August 2023 und im Januar 2024, obwohl keine zuverlässigen Beweise für ein Fehlverhalten ihrerseits vorliegen. Seit Februar 2023 wurden dem Fall vom Untersuchungsrichter weitere Angeklagte hinzugefügt, darunter Aktivist*innen verschiedener Oppositionsgruppen wie Noureddine Bhiri, Sahbi Atig, Said Ferjani, Riadh Chaibi von der Partei Nahdha, Nejib Chebbi, der Vorsitzende der Oppositionskoalition National Salvation Front, der unabhängige Oppositionelle Mohamed Hamdi, die Menschenrechtsverteidiger Kamel Jendoubi, Ayachi Hammami und Bochra Bel Haj Hmida sowie Geschäftsleute und Inhaber*innen privater Medien.

Am 26. Februar 2025 teilte das erstinstanzliche Gericht in Tunis der tunesischen Anwaltskammer mit, dass die für den Monat März angesetzten Terrorismusprozesse ohne die physische Anwesenheit der Inhaftierten abgehalten werden und dass diese unter Berufung auf "das Bestehen einer realen Gefahr" online vom Gefängnis aus teilnehmen würden. Die Inhaftierten und ihre Rechtsbeistände gingen gegen diese Entscheidung vor, u. a. durch Einlegen eines Rechtsmittels beim Verwaltungsgericht. Die Inhaftierten kündigten an, dass sie sich weigern würden, online an ihrer Verhandlung teilzunehmen, und erst dann teilnehmen würden, wenn man sie in den Gerichtssaal bringt. Ihre nächste Anhörung ist für den 11. April anberaumt und wird gemäß einer Entscheidung der Präsidentin des erstinstanzlichen Gerichts von Tunis ebenfalls online stattfinden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 4. März wurde der Prozess im "Verschwörungsfall" gegen mindestens 40 Personen eröffnet, darunter Oppositionelle, Geschäftsleute, Rechtsbeistände und Menschenrechtsverteidiger*innen aus dem gesamten politischen Spektrum. Die Verschwörungsvorwürfe sind unbegründet. Die im Februar 2023 eingeleiteten Ermittlungen wurden im April 2024 mit der Entscheidung abgeschlossen, die Anschuldigungen zu bestätigen, und der Prozess wurde am 4. März 2025 eröffnet. Auf der Liste der Angeklagten stehen politische Aktivist*innen verschiedener Oppositionsgruppen wie Noureddine Bhiri, Sahbi Atig, Said Ferjani, Riadh Chaibi von der Partei Nahdha, Nejib Chebbi, der Vorsitzende der Oppositionskoalition National Salvation Front, der unabhängige Oppositionelle Mohamed Hamdi, die Menschenrechtsverteidiger Kamel Jendoubi, Ayachi Hammami und Bochra Bel Haj Hmida sowie Geschäftsleute und Inhaber*innen privater Medien.

Sechs der Angeklagten befinden sich seit ihrer Festnahme im Februar 2023 willkürlich in Haft. Zu ihnen gehören der Politiker Khayam Turki, der am 11. Februar 2023 festgenommen wurde, der Dissident und Politiker Abdelhamid Jelassi, der am 12. Februar 2023 festgenommen wurde, der oppositionelle Aktivist Issam Chebbi, der am 22. Februar 2023 in Gewahrsam genommen wurde; außerdem der oppositionelle Aktivist Jaouhar Ben Mbarek, der am 24. Februar 2023 festgenommen wurde, und schließlich die Rechtsanwälte Ghazi Chaouachi und Ridha Belhaj, die am 25. Februar 2023 in Gewahrsam kamen. Die bekannte Oppositionspolitikerin Chaima Issa und der Regierungskritiker Lazhar Akremi, die im Februar 2023 festgenommen wurden, wurden am 13. Juli 2023 nach fast fünf Monaten willkürlicher Inhaftierung unter Auflagen vorläufig freigelassen.

Gegen alle acht Angeklagten wird aufgrund konstruierter Verschwörungsanklagen nach zehn Bestimmungen des tunesischen Strafgesetzbuches ermittelt, darunter Paragraf 72, der die Todesstrafe für den Versuch vorsieht, "die Staatsform zu verändern". Außerdem stehen sie wegen Verstößen gegen 17 Paragrafen des Antiterrorgesetzes von 2015 unter Anklage, darunter Paragraf 32, der eine Freiheitsstrafe von bis zu 20 Jahren für die "Bildung einer terroristischen Vereinigung" vorsieht. Der Richter und das Berufungsgericht in Tunis lehnten die Anträge der Rechtsbeistände auf Entlassung der acht Verdächtigen aus der Untersuchungshaft zunächst ab. Im Juli 2023 ließ das Gericht Chaima Issa und Lazhar Akremi jedoch nach fast fünf Monaten in willkürlicher Haft frei, mit der Auflage, nicht ins Ausland zu reisen oder an "öffentlichen Orten aufzutreten". Für die verbleibenden sechs Angeklagten verlängerte das Gericht die Untersuchungshaft mit der Begründung, der "ordnungsgemäße Ablauf der Ermittlungen müsse sichergestellt werden".

Im Oktober 2023 wurde der Menschenrechtsanwalt Ayachi Hammami, gegen den in demselben Fall wegen ähnlicher Vorwürfe wie gegen seine inhaftierten Mandanten ermittelt wird, zur Vernehmung durch den Ermittlungsrichter vorgeladen. Im Oktober 2023 leiteten die Behörden separate Gerichtsverfahren gegen die Rechtsbeistände Dalila Msaddek Ben Mbarek und Islam Hamza ein, weil sie sich in Radiosendungen öffentlich zu dem Fall geäußert hatten. Beide sind Mitglieder des Ausschusses für die Verteidigung politischer Gefangener. Gegen sie wird gemäß des repressiven Cybercrime-Gesetzes 54 wegen der "Verbreitung falscher Nachrichten" ermittelt. Seit Beginn der Ermittlungen im Februar 2023 haben die Justizbehörden mindestens 42 weitere politische Aktivist*innen, Oppositionelle, Geschäftsleute, ehemalige Parlamentsabgeordnete, Rechtsbeistände, Menschenrechtsverteidiger*innen und ehemalige Sicherheitskräfte im Rahmen des gleichen Verfahrens vorgeladen.

Am 14. Februar 2023 äußerte sich der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Turk, besorgt über die jüngste Festnahmewelle gegen zivilgesellschaftlich engagierte Personen und vermeintliche Regierungsgegner*innen sowie über die anhaltende Aushöhlung der Justiz durch die tunesischen Behörden. Ein*e Sprecher*in des Hochkommissars sprach ausdrücklich die Strafverfolgung von "vermeintlichen politischen Gegner*innen" auf der Grundlage von "Verschwörung gegen die Staatssicherheit" an. Der UN-Hochkommissar forderte die Behörden auf, "das Rechtsstaatsprinzip und die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren in allen Gerichtsverfahren zu respektieren und umgehend alle willkürlich Inhaftierten freizulassen, auch diejenigen, die sich wegen der Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung in Haft befinden". Am 22. Februar erklärte Präsident Saied alle, die "es wagen, sich auf die Seite krimineller Netzwerke zu stellen", zu "Mitschuldigen". Diese Aussage sowie die Tatsache, dass der Präsident im Jahr 2022 insgesamt 57 Richter*innen willkürlich entlassen hatte, hat in der Justiz zu einem zunehmend eingeschüchterten Klima geführt. Am 8. Oktober 2024 kam die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen in einer Erklärung zu dem Schluss, dass "die Verletzungen der Rechte der acht Personen auf ein ordnungsgemäßes Verfahren und einen fairen Prozess so schwerwiegend sind, dass ihre Inhaftierung dadurch willkürlich ist".