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Drohende Vertreibung aus Naturschutzgebiet
Nachdem bekannt wurde, dass in West-Malaysia einer Fläche von mehr als 930 Hektar der Status als "Waldreservat" aberkannt werden soll, gingen bei der Forstbehörde von Selangor mehr als 45.000 Beschwerden von malaysischen Bürger_innen ein, darunter zahlreiche Vertreter_innen indigener Gemeinschaften und lokaler Gruppen. Doch die Behörde reagiert nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass an dem ursprünglichen Plan festgehalten werden soll. Die Bewohner_innen des betroffenen Gebiets gehören mehrheitlich der indigenen Gemeinschaft der Temuan an, die dieses als ihr angestammtes Land betrachten.
Appell an
Chief Minister of Selangor YAB Dato’ Amirudin Shari
Pejabat Menteri Besar Selangor, Tingkat 21
Bangunan Sultan Salahuddin Abdul Aziz Shah
Shah Alam
Selangor, 40503
MALAYSIA
Sende eine Kopie an
Botschaft von Malaysia
Herrn Mohd Shahafeez Bin Shaharis
Gesandter-Botschaftsrat (Geschäftsträger a.i.)
Klingelhöferstr. 6
10785 Berlin
Fax: 030-88 57 749 50
E-Mail: mwberlin@malemb.de oder
info@malemb.de oder
consular@malemb.de
Amnesty fordert:
- Bitte heben Sie umgehend die Anordnung auf, dem KLNFR den offiziellen Status als Waldreservat zu entziehen.
- Unternehmen Sie in Zusammenarbeit mit der Indigenenbehörde (Jabatan Kemajuan Orang Asli, JAKOA) umgehend konkrete Schritte, um sicherzustellen, dass das KLNFR als Gebiet der indigenen Gemeinschaft der Orang Asli ausgewiesen wird.
- Gewährleisten Sie die uneingeschränkte Beteiligung der indigenen Gemeinschaft der Temuan. Stellen Sie sicher, dass zu Plänen bezüglich des Status des KLNRF eine freie, vorherige und auf Kenntnis der Sachlage gegründete Zustimmung der Temuan eingeholt wird.
Sachlage
Die Forstbehörde von Selangor will im Kuala Langat North Forest Reserve einer Fläche von 930,93 Hektar den Schutzstatus als "Waldreservat" entziehen, um Platz für eine gemischte Bebauung zu schaffen. In dem betreffenden Gebiet liegen vier Siedlungen der indigenen Temuan-Gemeinschaft. Ein Verlust des Schutzstatus würde dazu führen, dass etwa 1.000 Personen zugunsten von Entwicklungsprojekten enteignet würden und von Zwangsumsiedlung bedroht wären.
Dieses Vorgehen missachtet die Rechte der indigenen Bevölkerungsgruppen in Malaysia, die aufgrund von Entwicklungsprojekten häufiger mit Eingriffen in ihre Siedlungsgebietekonfrontiert sind. Sie werden aus ihren Häusern vertrieben und müssen mit ansehen, wie die natürlichen Ressourcen in ihren Gebieten ausgebeutet und zerstört werden. Es ist außerdem besorgniserregend, dass die geplante Rodung und Bebauung des betroffenen Gebiets zur Freisetzung von schätzungsweise 5,5 Millionen Tonnen CO₂ führen und somit die Erderwärmung und den Klimawandel anfachen würde.
Nach Bekanntwerden des geplanten Vorhabens regte sich Widerstand: besorgte Bürger_innen legten mehr als 45.000 Beschwerden ein, die betroffenen Gemeinschaften organisierten Protestaktionen und die gesetzgebende Versammlung des Bundesstaates Selangor verabschiedete im November 2020 einstimmig einen Beschluss zum Schutz des Waldes. Nach Angaben von lokalen zivilgesellschaftlichen Organisationen wird der Ministerpräsident Ende April über den Status des Gebiets entscheiden. Auch internationale Organisationen wurden aktiv. Darüber hinaus wurden Bedenken hinsichtlich der Modalitäten einer öffentlichen Bürgerversammlung zu diesem Thema im September 2020 geäußert. Diese wurde erst kurzfristig bekanntgegeben und an einem Ort abgehalten, der mehr als eine Stunde von den betroffenen Gemeinden entfernt ist, sodass viele Interessierte nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnten.
Das Versäumnis der Forstbehörde von Selangor, die betroffenen indigenen Gemeinschaften zu konsultieren, zeugt von einer eklatanten Missachtung des Prinzips der freien, vorherigen und informierten Zustimmung. Zu diesem Prinzip hat sich die malaysische Regierung durch ihre Zustimmung zur Erklärung über die Rechte der indigenen Völker der Vereinten Nationen (UNDRIP) im Jahr 2007 und zum Ergebnisdokument der Weltkonferenz für indigene Völker im Jahr 2014 verpflichtet. Außerdem wird die Haltung der Forstbehörde deutlich, die Unternehmensentwicklung über das Wohlergehen der Bürger_innen zu stellen.
Hintergrundinformation
Am 5. Februar 2020 veröffentlichte die Forstbehörde Selangor in den wichtigsten Tageszeitungen Malaysias eine Bekanntmachung über die geplante Aufhebung des Schutzstatus des Kuala Langat North Forest Reserve (KLNFR). In der Bekanntmachung wurden die betroffenen Interessengruppen im Distrikt aufgefordert, etwaige Einwände gegen den Vorschlag innerhalb von 30 Tagen zu äußern, in Übereinstimmung mit den Selangor-Regeln zur öffentlichen Konsultation von 2014 sowie dem nationalen Forstgesetz von 1985. Das vorgeschlagene Gebiet umfasst 97 % des gesamten Waldreservats und beherbergt mit Bukit Kecil, Bukit Cheeding, Busut Baru und Pulau Kempas vier Siedlungen der indigenen Temuan-Gemeinschaft.
Seit Februar 2020 haben zivilgesellschaftlich engagierte Personen,, Bürger_innen und Mitglieder von Amnesty International über 45.000 Briefe an das Büro des Ministerpräsidenten und die Forstbehörde von Selangor geschickt, um gegen die Entscheidung zu protestieren. Im November 2020 wurde in der gesetzgebenden Versammlung des Bundesstaates einstimmig der Schutz des Waldes beschlossen. Die Entscheidung über den Status des Gebiets soll Ende April fallen.
In Malaysia stellt der Status eines Gebietes als Waldreservat sicher, dass das Land nicht für die Stadtentwicklung, die Landwirtschaft oder andere Aktivitäten genutzt werden kann, die eine Rodung des Waldes erfordern würden. Die Aufhebung dieses Status öffnet das Tor für kommerzielle Aktivitäten auf dem Land und die Vertreibung der dort ansässigen Gemeinschaften.
Der auf dem betroffenen Gebiet lebenden Gemeinschaft zufolge hat der Druck durch Entwicklungs- und Abholzungsaktivitäten in den letzten Jahren stark zugenommen. Im Jahr 2017 beantragte die malaysische Indigenenbehörde (Jabatan Kemajuan Orang Asli, JAKOA), dieses Gebiet als indigenes Land einzustufen. Entsprechende Maßnahmen der Regierung stehen noch aus. Das KLNFR ist zudem ein Torfsumpfwald, der als wichtiges Ökosystem eine klimaregulierende Funktion erfüllt. Der Umweltorganisation Global Environment Centre zufolge steht die vorgeschlagene Aufhebung des Reservatsstatus des KLNFR nicht im Einklang mit dem Strukturplan 2035 des Bundesstaates Selangor, dem zufolge 32 % der Waldfläche im Bundesstaat Selangor erhalten bleiben sollen.
In ganz Malaysia beeinträchtigt die extensive Landerschließung indigene Bevölkerungsgruppen und stellt eine Bedrohung für ihr angestammtes Land, ihre traditionelle Lebensweise und ein breites Spektrum von Menschenrechten dar. Die indigene Bevölkerung Malaysias besteht aus über 67 ethnischen Gruppen, die 14 % der Bevölkerung des Landes ausmachen. Sie sind in fast allen Bundesstaaten und Territorien Malaysias ansässig und finden in der Verfassung des Landes besondere Beachtung. Trotzdem leiden sie nach wie vor unter einem unverhältnismäßig hohen Maß an Armut und sozialer Ausgrenzung, was zum Teil auf die fehlende formelle Anerkennung ihres Landes sowie auf die mangelnde Konsultation und keine freie, vorherige und informierte Zustimmung zu Vorschlägen der Enteignung ihres Landes zurückzuführen ist. Dies macht es für die Gemeinschaften schwierig, wenn nicht gar unmöglich, gegen bereits eingeleitete Entwicklungsprojekte vorzugehen. Menschenrechtsverteidiger_innen, die versuchen, die Landrechte der indigenen Bevölkerung zu verteidigen, zu schützen und zu fördern, sehen sich mit Schikanen, Einschüchterungen, Festnahmen und sogar Todesgefahr konfrontiert.
Die malaysische Regierung hat 2007 für die Erklärung der Rechte der indigenen Völker (UNDRIP) der Vereinten Nationen gestimmt, die sie zur Achtung der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen auf freie Selbstbestimmung und des Rechts auf freie, vorherige und informierte Zustimmung verpflichtet. Die malaysische Regierung hat 1995 auch das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention) ratifiziert. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes, der die Konvention beaufsichtigt, erklärte, dass die "Nutzung von angestammtem Land von erheblicher Bedeutung für die Entwicklung und für den Kulturgenuss [indigener Kinder]" sei. Staaten, die die Konvention ratifiziert haben, müssten "die kulturelle Bedeutung von angestammtem Land und die Qualität der natürlichen Umgebung genau berücksichtigen".