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Madagaskar: Anklagen gegen Lehrer fallenlassen!
Jeannot Randriamanana, Lehrer und Menschenrechtsverteidiger aus Madagaskar (Archivbild)
© privat
Jeannot Randriamanana kam am 10. Mai nach zwei Monaten willkürlicher Haft unter Auflagen frei. Doch am 12. Juli bestätigte das Berufungsgericht von Fianarantsoa seinen Schuldspruch. Die zuvor verhängte zweijährige Haftstrafe setzte das Gericht auf Bewährung aus. Der Menschenrechtsverteidiger hatte auf Facebook die mutmaßliche Veruntreuung und Unterschlagung von humanitären Hilfsgütern durch Behördenvertreter*innen im Osten von Madagaskar angeprangert. Seine Verurteilung beruht lediglich auf der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf Meinungsfreiheit.
Appell an
Minister of Justice
François Rakotozafy
43 Rue Joel Rakotomolala Faravohitra
Antananarivo
MADAGASKAR
Sende eine Kopie an
Botschaft der Republik Madagaskar
Frau Florence Isabelle Rafaramalala
Geschäftsträgerin a.i.
Seepromenade 92
14612 Falkensee
Fax: 033-22 231 29
E-Mail: info@botschaft-madagaskar.de
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie höflich auf, unverzüglich alle Anklagen gegen Jeannot Randriamanana fallenzulassen und das Urteil gegen ihn aufzuheben, da er allein wegen der friedlichen Ausübung seiner Rechte auf Meinungsfreiheit und Information strafrechtlich verfolgt wird.
- Bitte sorgen Sie dafür, dass madagassische Menschenrechtler*innen und Whistleblower nicht schikaniert, eingeschüchtert oder wegen konstruierter Vorwürfe inhaftiert werden, nur weil sie Korruptionsfälle aufdecken und anprangern. Bitte beschleunigen Sie die Verabschiedung des Gesetzes zum Schutz von Menschenrechtler*innen und Aktivist*innen, einschließlich Whistleblower.
Sachlage
Der Menschenrechtsverteidiger Jeannot Randriamanana ist Lehrer an einer öffentlichen Schule in Mananjary, einer Stadt an der Ostküste Madagaskars. Er wurde am 10. Mai auf Anordnung des Berufungsgerichts von Fianarantsoa unter Auflagen freigelassen, nachdem er zwei Monate lang willkürlich inhaftiert war. Die gerichtliche Anhörung fand erst später, am 14. Juni, statt und das Urteil wurde am 12. Juli verkündet. Darin bestätigte das Berufungsgericht den Schuldspruch des Strafgerichts von Mananjary, das Jeannot Randriamanana zu zwei Jahren Haft verurteilt hatte. Das Berufungsgericht setzte diese Haftstrafe zur Bewährung aus. Die Rechtsbeistände von Jeannot Randriamanana haben vor dem Obersten Gerichtshof von Madagaskar (Cour de Cassation) Rechtsmittel eingelegt. Ein Termin für diese Verhandlung steht noch nicht fest.
Am 17. März hatte das Strafgericht von Mananjary Jeannot Randriamanana wegen "Diffamierung und Demütigung von Parlamentsmitgliedern und öffentlichen Angestellten" (gemäß Paragraf 20 des Gesetzes 2014-006) und wegen "Identitätsbetrug" (Paragraf 258 des Strafgesetzbuches) zu zwei Jahren Haft verurteilt. Er wurde nur aufgrund der friedlichen Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung verurteilt. Im Februar hatte er in den Sozialen Medien die mutmaßliche Veruntreuung und Unterschlagung von humanitären Hilfsgütern durch Behördenvertreter*innen im Osten des Landes angeprangert. Die humanitäre Hilfe war für die Bevölkerung im Bezirk Nosy Varika vorgesehen gewesen, wo die Zyklonen Batsirai und Emnati am 5. und 23. Februar große Schäden angerichtet hatten.
Amnesty International betrachtet die Bestätigung des Schuldspruchs gegen Jeannot Randriamanana durch das Berufungsgericht von Fianarantsoa mit Sorge. Nach Ansicht der Organisation leistet das Urteil der systematischen Schikane und Strafverfolgung von Whistleblowern und Menschenrechtler*innen in Madagaskar weiter Vorschub.
Hintergrundinformation
Der 38-jährige Jeannot Randriamanana ist Sekundarschullehrer in Mananjary, das in der Region Vatovavy im Südosten Madagaskars liegt. Er ist Vater von vier Kindern im Alter von 18, 14, neun und vier Jahren. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer arbeitet er als Kommunikationsverantwortlicher für die lokale Niederlassung der NGO OIDESCM, das unabhängige Beobachtungszentrum für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Observatoire Indépendant des Droits Economiques, Sociaux, et Culturels à Madagascar). Er setzt sich für die Menschenrechte ein, insbesondere für das Recht auf Information und für gute Regierungsführung. Seit Dezember 2021 macht er in den Sozialen Medien auf den schlechten Zustand der Schulinfrastruktur im Bezirk Nosy Varika aufmerksam. Im Dezember 2021 machte er außerdem publik, dass er schikaniert und eingeschüchtert worden war, weil er in den Sozialen Medien Korruptionsvorwürfe angeprangert hatte. Er gab zudem an, auf Facebook Drohnachrichten von anonymen Profilen erhalten zu haben.
Die Zyklone Batsirai und Emnati suchten Madagaskar am 5. und 23. Februar 2022 heim, und dort vor allem die Bezirke Nosy Varika und Mananjary. Sie lösten einen weltweiten Aufruf für humanitäre Hilfe aus. Ende Februar begann Jeannot Randriamanana, in den Sozialen Medien darüber zu berichten, dass die lokale Bevölkerung entgegen den Versprechen der örtlichen Behörden keine Hilfsgüter erhalten habe.
Am 2. März erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Jeannot Randriamanana wegen "Diffamierung und Demütigung von Parlamentsmitgliedern und öffentlichen Angestellten" und "Identitätsbetrug". Ihm wurde vorgeworfen, sich in betrügerischer Absicht als Journalist ausgegeben zu haben, obwohl er lediglich Informationen in den Sozialen Medien geteilt und sich nie als Journalist bezeichnet hatte. Jeannot Randriamanana wurde noch am selben Tag festgenommen und erst zwei Monate später, am 10. Mai, unter Auflagen wieder freigelassen.
Amnesty International ist der Ansicht, dass die madagassischen Behörden das Strafjustizsystem dazu missbrauchen, um angeklagte Whistleblower und Menschenrechtler*innen in einem rechtlichen Schwebezustand zu halten und so ihre Menschenrechte stark einzuschränken, u. a. die Rechte auf Beschäftigung und Freizügigkeit. Der Umweltschützer Clovis Razafimalala, der in Madagaskar wiederholt den Schmuggel mit Edelhölzern angeprangert hat, wird beispielsweise von den Behörden seit 2016 eingeschüchtert und schikaniert. Dies alles geschieht im Kontext weitreichender Drangsalierung und Einschüchterung von Whistleblowern und Menschenrechtler*innen sowie der Unterdrückung der Rechte auf freie Meinungsäußerung und Informationen. Doch für Länder, die ehrlich auf Transparenz, Rechenschaftspflicht und die Achtung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit bedacht sind, ist die Möglichkeit des Whistleblowing unabdingbar.