Jemen: Willkürlich inhaftierten Journalisten freilassen!
Diese Urgent Action ist beendet.
Am 7. Dezember wurde der Journalist Younis Abdelsalam von den De-facto-Behörden der Huthi aus der Haft entlassen. Er war seit dem 4. August 2021 in Sanaa willkürlich und ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festgehalten worden, weil er friedlich Kritik an den Behörden geübt hatte. Nach seiner Festnahme wurde er mehrere Wochen lang Opfer des Verschwindenlassens und dann einige Zeit lang unter isolierten Bedingungen in Einzelhaft und ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Er hatte während seiner Inhaftierung keinen Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung.

Der jemenitische Journalist Younis Abdelsalam (Archivbild)
© privat
Appell an
Sprecher der Huthi,
Ansarullah-Vertreter bei den Friedensgesprächen
Mohamed Abdelsalam
E-Mail: mdabdalsalam@gmail.com
Twitter: @abdusalamsalah
Sende eine Kopie an
Nur zur Information:
Botschaft der Republik Jemen
S. E. Herrn Yahia Mohammed Abdullah Al-Shaibi
Schmidt-Ott-Str 7
12165 Berlin
Fax: 030 – 89 73 05 62
E-Mail: info@botschaft-jemen.de
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie mit Nachdruck auf, Younis Abdelsalam unverzüglich freizulassen, sollte er nicht gemäß internationaler Normen umgehend einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt werden.
- Stellen Sie bitte sicher, dass er bis zu seiner Freilassung weder gefoltert noch in anderer Weise misshandelt wird. Gewähren Sie ihm angemessene medizinische Versorgung, Zugang zu rechtlichem Beistand und regelmäßigen Familienkontakt.
Sachlage
Der Journalist Younis Abdelsalam wird von den De-facto-Behörden der bewaffneten Gruppe der Huthi seit dem 4. August 2021 willkürlich in Sanaa in Haft gehalten. Er wurde eine Nacht lang in einer inoffiziellen Hafteinrichtung nahe des Flughafens von Sanaa in einer unterirdischen Zelle festgehalten, bevor er in eine andere Hafteinrichtung in Sanaa verlegt wurde, die dem Geheimdienst der Huthi untersteht. Mehrere Wochen lang war er Opfer des Verschwindenlassens. Er wurde zudem 80 Tage lang in Einzelhaft gehalten und war mindestens drei Monate lang ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert.
Er wurde bisher weder angeklagt noch vor Gericht gestellt, und sein Rechtsbeistand hat seit seiner Festnahme keinen Kontakt zu ihm. Laut Angaben seines Bruders wurde Younis Abdelsalam festgenommen, weil er friedlich Kritik an den Behörden geübt hatte. Dem Journalisten wird vorgeworfen, mit ausländischen Organisationen kommuniziert zu haben, er ist jedoch nicht offiziell angeklagt worden.
Am 19. Januar 2022 beantragte der Rechtsbeistand von Younis Abdelsalam bei den Strafverfolgungsbehörden die Freilassung seines Mandanten mit der Begründung, die Inhaftierung sei willkürlich. Einen Monat später leistete die Familie des Journalisten eine Kautionszahlung an den Sicherheits- und Geheimdienstapparat, um seine Freilassung zu erwirken. Stattdessen wurden sie darüber informiert, dass sein Fall nun der Staatsanwaltschaft übergeben werde.
Amnesty International hat ein ärztliches Gutachten eingesehen, aus dem hervorgeht, dass Younis Abdelsalam an einer psychischen Erkrankung leidet, für die er regelmäßig medizinisch untersucht und behandelt werden muss. Der Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung wird ihm bislang jedoch verwehrt. Laut Angaben des Bruders von Younis Abdelsalam, der den Journalisten vor Kurzem besuchte, hat sich seine psychische Verfassung aufgrund der Haftbedingungen verschlechtert.
Hintergrundinformation
Alle Konfliktparteien im Jemen sind für willkürliche Inhaftierungen, Verschwindenlassen, Schikane, Folter und andere Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren verantwortlich: die bewaffnete Huthi-Gruppierung, die jemenitische Regierung, Saudi-Arabien, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) angeführte Militärkoalition sowie jemenitische Truppen, die von den VAE unterstützt werden.
In den von ihnen kontrollierten Gebieten haben Angehörige der Huthi-Gruppierung in der Vergangenheit Kritiker*innen sowie Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Angehörige der Gemeinschaft der Baha’i willkürlich festgenommen und inhaftiert. Zahlreiche Personen wurden so bereits Opfer des Verschwindenlassens, waren ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert und mussten sich in Prozessen verantworten, die nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprachen. Ins Visier gerieten hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer*innen der Oppositionspartei al-Islah.
Amnesty International veröffentlichte im Mai 2021 einen Bericht mit dem Titel: Yemen: Released and exiled: Torture, unfair trials and forcible exiles of Yemenis under Huthi rule. Darin werden die Erfahrungen von Zivilpersonen dokumentiert, die nicht in Kämpfe involviert waren – wie z. B. Journalist*innen, Oppositionelle und Angehörige der religiösen Minderheit der Baha’i – die 2020 im Rahmen politischer Einigungen freikamen, nachdem sie bis zu sieben Jahre lang rechtswidrig inhaftiert und gefoltert worden waren. Nach ihrer Freilassung wurden die Angehörigen der Baha’i gezwungen, ins Exil zu gehen, was von den Vereinten Nationen vermittelt wurde. Acht weitere ehemalige Inhaftierte wurden in andere Landesteile verbannt.
Aufgrund der unhygienischen Bedingungen in den Gefängnissen und Hafteinrichtungen der Huthi (Überbelegung, mangelnde Gesundheitsversorgung, schlechte Sanitäranlagen und unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln und Trinkwasser) konnte sich Covid-19 rasch ausbreiten, wodurch die Gefangenen erheblichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt waren. Keine der beteiligten Parteien ergriff ausreichende Maßnahmen zum Schutz von Inhaftierten und zur Eindämmung des Coronavirus in Gefängnissen und Hafteinrichtungen, z. B. durch die Bereitstellung von Schutzmasken oder anderen Hygieneartikeln.
Die international anerkannte jemenitische Regierung schikaniert, bedroht und inhaftiert ebenfalls Menschenrechtsverteidiger*innen und andere Aktivist*innen. Im Süden des Jemen gingen von den VAE unterstützte jemenitische Truppen mit willkürlichen Inhaftierungen und Verschwindenlassen gegen vermeintliche Gegner*innen vor. Im Mai 2018 dokumentierte Amnesty International die Inhaftierung von 51 Männern in geheimen Gefängnissen, die von Truppen der VAE und des Jemen kontrolliert werden, welche außerhalb der Kontrolle der jemenitischen Regierung agieren. Unter den Gefangenen befinden sich auch Personen, die zwischen März 2016 und Mai 2018 inhaftiert wurden.